REUTLINGEN. Das Unkraut wächst und gedeiht auf dem Grundstück rund um die Villa Menzel, aber sonst scheint sich seit über einem Jahr nichts getan zu haben. Doch der Schein trügt, denn zwischen dem Ludwigsburger Investor und der Reutlinger Stadtverwaltung gibt es einen – diplomatisch ausgedrückt – intensiven Austausch von noch gegensätzlichen Positionen. Es geht um das Bauvolumen des Wohnungsprojektes an der Alteburgstraße. Die Frage, wann’s denn endlich losgeht, beantworten beide Parteien ganz unterschiedlich.
»Wir können das heute nicht sagen«, meint Julian Pflugfelder gegenüber dem GEA. Der geschäftsführende Gesellschafter der »P Immobilien GmbH«, die das Grundstück im Stadtzentrum besitzt, macht bei dieser Aussage ein unglückliches Gesicht. Diese Ungewissheit sei »überraschend nach einem Gespräch mit Oberbürgermeister Keck im April vor einem Jahr, laut dem die Innenraumentwicklung seitens der Stadt vorangetrieben werden soll. Wir waren grundsätzlich positiv gestimmt«. Zur Einordnung dieser Worte ist es hilfreich, sich die Geschichte des Projektes kurz in Erinnerung zu rufen.
Villa steht unter Erhaltungsschutz
Die Rodung der Grundstücke rund um die Villa Menzel hat vor einem Jahr für Empörung gesorgt. Fakt ist, dass die Fällaktion legal gewesen ist. Denn es gibt in Reutlingen keine Baumschutzsatzung.
Ein von der Stadt im Februar 2022 veröffentlichter Planungsentwurf des Architektenbüros Riehle im Auftrag des Investors Pflugfelder zeigte auf den insgesamt 4 410 Quadratmetern der beiden Flurstücke 3070/2 und 3070/3 keine Villa mehr. Stattdessen dokumentierte das Foto eines Modells fünf Gebäude mit laut Beschriftung »48 Wohneinheiten und 46 Tiefgaragenstellplätzen«.
Der Reutlinger Gemeinderat hat einstimmig beschlossen, das historische Gebäude unter Erhaltungsschutz zu stellen, um seinen Abbruch zu verhindern. Schon bei einem ersten Besprechungstermin hat die Stadtverwaltung laut Stadtplanungsamtschef Stefan Dvorak dem neuen Eigentümer mitgeteilt, "dass die Villa zu erhalten ist und die Zulassungskriterien für das Bloosgebiet zu berücksichtigen sind." Es wurde vereinbart, dass die Planung auf der städtebaulichen Ebene überarbeitet wird und dabei auch die Freiraumgestaltung zu berücksichtigen ist".
Die Villa erhalten zu müssen bedeutet für den Investor weniger Bauvolumen als zunächst geplant. Außerdem schränkt das Baurecht die Möglichkeiten ein. Im Kern geht es in den Verhandlungen zwischen Reutlingen und Ludwigsburg um die Grundflächenzahl (GRZ). Sie beschreibt das Maß der baulichen Nutzung, gibt die zulässige oder tatsächliche Grundstücksausnutzung an und ist somit ein Kriterium für die mögliche Bebauungsdichte. Das Maß der baulichen Nutzung ist ein wichtiges städtebauliches Steuerungsinstrument im deutschen öffentlichen Baurecht, wie sich auch in diesem Fall zeigt. (zen)
Pflugfelder hat das Gelände der Villa Menzel vor rund zwei Jahren von einem diakonischen Unternehmen mit Sitz in Stuttgart für einen einstelligen Millionenbetrag erworben. Anschließend sorgt der Investor für erhebliches Aufsehen, als er den Baumbestand auf dem Areal komplett roden lässt. Denn damals bewegt die letztlich gescheiterte Baumschutzsatzung die Stadtgesellschaft. Was da im Bloosgebiet passiert, beschäftigt schließlich auch den Gemeinderat mit Konsequenzen für die gesamte Planung, die bis in die Gegenwart hinein wirken.
»Die Stadt muss mal sagen, was sie will«
Die im Januar 2023 vom Gemeinderat beschlossene Veränderungssperre für den »Bebauungsplan Alteburgstraße 32 / Gerokstraße« bedeutet für den Investor, dass er seine ursprünglichen Pläne verändern muss. Denn die Villa darf nun nicht mehr abgerissen werden. »Grundsätzlich finde ich den Neubau mit Bestandsimmobilien spannend. Allerdings entstehen daraus Kompromisse«, betont Julian Pflugfelder, »das erfordert bau- und planungsrechtliche Anpassungen«.
Konstruktive Gespräche mit der Stadt
Klar ist, dass weniger Neubauten und damit auch weniger Bruttogeschossfläche möglich sind. Es folgt eine Vielzahl von Neuplanungen. »In enger Zusammenarbeit mit der Stadt und unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch den Erhaltungsschutz haben wir über 20 verschiedene Konzepte mit einem Gesamtaufwand von über 400 Arbeitsstunden für die Bebauungsmöglichkeiten durch das Büro Steinhoff Haehnel Architekten erstellen lassen. Unsere Arbeitsstunden sind hierbei nicht inkludiert«, beschreibt der geschäftsführende Gesellschafter den aus seiner Sicht gewaltigen Aufwand. Die Entwürfe zeigen zwischen zwei und vier Neubauten mit 40 bis 50 Wohneinheiten sowie einer Tiefgarage. »Es gab diverse Abstimmungsrunden mit dem Stadtplanungsamt«, erklärt er weiter, »wir hatten auch in diesem Jahr zwei Gespräche mit der Stadt. Die waren immer gut und konstruktiv. Aber wenn es um eine Entscheidung geht, was die Stadt für angemessen hält – dann wird's schwierig. Die Stadt muss mal sagen, was sie will«. Julian Pflugfelder wird noch deutlicher.
»Aus wirtschaftlicher Sicht können wir ohne eine klare Marschroute von der Stadt keine weiteren wirtschaftlichen Ressourcen in das Projekt stecken«, macht der Investor klar. Denn Zeit sei auch in seinem Geschäft letztlich Geld. »Würden wir uns gemeinsam mit der Stadt auf ein Konzept verständigen, dass wir umsetzen, dann reden wir von einem Baubeginn – natürlich nach Entscheidung des Gemeinderates – frühstens in der zweiten Jahreshälfte 2025 sowie einer Fertigstellung 2027/28«, rechnet er vor. Die Kosten diese langen Projektlaufzeit würden letztlich Käufer oder Mieter tragen. Zu berücksichtigen seien für ihn die Verzinsung der Grundstückskosten, die Entwicklung der Baupreise und die Planungskosten. Sein Fazit lautet: »Ich verliere langsam den Glauben daran, dass wir da irgendwas hinkriegen«. Was sagt die Stadtverwaltung dazu?
Gemeinsam mit dem Gestaltungsbeirat
»Die Stadt weiß sehr gut, was sie will«, entgegnet Stefan Dvorak als Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Vermessung. Man könne auch schnell zu einer Baugenehmigung kommen, »wenn die Firma Pflugfelder das gültige Bau- und Planungsrecht einhalten würde, dass für diesen Bereich gilt«. Entsprechende Vorgaben habe der Gemeinderat bereits 2019 für das Bloosgebiet festgelegt. Was die Grenzen dessen betrifft, was auf dem Areal der Villa Menzel denkbar sei, signalisiert Dvorak Kompromissbereitschaft.
»Wir haben uns mit Herrn Pflugfelder darauf verständigt, die Sache gemeinsam mit dem Gestaltungsbeirat voranzubringen«; erklärt der Amtsleiter, »auch um zu schauen, ob man die geltenden Zulassungskriterien für den Bebauungsplan weiter schreiben kann«. Dvorak ist klar, was dem Investor aus wirtschaftlichen Gründen wichtig ist: »Sein Ansinnen ist ja deutlich mehr zu bauen, als die Kriterien zulassen«. Dazu habe die Stadt Pflugfelder vorgeschlagen, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, »denn es wäre mal gut aufzuzeigen: Was kann ich innerhalb der Kriterien bauen, und dann eine Dichtestudie«. Was die Klagen des Investors über seinen bislang hohen Planungsaufwand betrifft, hat Dvorak nur beschränktes Verständnis dafür.
»Die Stadt weiß sehr gut, was sie will«
Keiner der von Pflugfelder vorgelegten 20 Entwürfe »fügt sich städtebaulich in das Gebiet ein. Es ist immer nur das gleiche Bauvolumen in anderer Gestalt«, sagt Dvorak. So verschieden seien die Konzepte also keinesfalls. Die Stadt sei sehr an einer Einigung interessiert, betont der Amtsleiter dann noch: »Wir machen Herrn Pflugfelder ein Angebot. Wir beharren ja nicht auf dem Baurecht, sondern sind bereit das Baurecht für diesen Bereich weiter zu schreiben. Dafür war unser Vorschlag eben eine Machbarkeitsstudie«. So suchen Stadt und Investor noch einen Mittelweg zwischen städtebaulichen und wirtschaftlichen Interessen. Dvorak formuliert das so: »Man muss sich aufeinander zu bewegen«.(GEA)