KREIS REUTLINGEN. Eine wichtige Zwischenstation ist erreicht: Gestern präsentierte der Zweckverband der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb (RSBNA) im Kreistagsausschuss für technische Fragen und Umweltschutz Ergebnisse der 2024 begonnenen Vorplanung, die aufzeigen, welche Trassen technisch funktionieren und welche nicht. Professor Dr. Tobias Bernecker, Geschäftsführer des Zweckverbands, hatte eine Reihe von Mut machenden Informationen im Gepäck. Kernbotschaft: die Machbarkeit des Mammutprojekts. Für jeden Trassen-Abschnitt konnte mindestens eine machbare Variante ermittelt werden.
»Nur positive Nachrichten« habe er vernommen, resümierte Landrat Dr. Ulrich Fiedler nach dem Vortrag. Er sehe »mehr Chancen als Risiken«. Schritt für Schritt wolle man das Projekt »im Rahmen der Möglichkeiten« umsetzen.
Für die Gomaringer Spange, die Innenstadt-Trassen in Reutlingen und Pfullingen sowie die weiterführende Strecke über das Echaztal gen Engstingen haben die Gutachter nun Vorzugsvarianten ermittelt und andere Trassen gänzlich aussortiert. Zudem werden als Back-up einige Alternativ-Routen weiter mit untersucht, bis zur nächsten Verfahrensstufe: Bis spätestens Ende des Jahres soll eine Kosten-Nutzen-Analyse für die Trassen, die noch im Rennen sind, erstellt sein. Neben der Kostenschätzung (letzter Stand: 2022 wurden 476 Millionen Euro für den Kreis-Reutlinger-Teilbereich der Regional-Stadtbahn veranschlagt) soll es dann für die einzelnen Abschnitte auch detaillierte Infos zu möglichen Lagen der Haltestellen, zu Umsteigewegen und Fahrzeiten geben. Diese Ergebnisse werden dann die Basis für die Trassen-Entscheidung in den Gremien bilden, die noch dieses Jahr erfolgen soll. In Reutlingen und Pfullingen ist dabei massiv auch die Stadtentwicklung tangiert. Die Trassen-Frage hat hier politische Dimension.
Im aktuellen Verfahrensschritt hatten die Ingenieurbüros DB Engineering & Consulting, Ramboll Deutschland und Schüßler-Plan den Fokus auf die technische Machbarkeit der Varianten gelegt. Funktionieren die Kurvenradien, sind die Straßenbreiten ausreichend? Wie verträgt sich der Bahn- mit dem Autoverkehr, wie mit Radlern und Fußgängern?
Ein zentrales kniffliges Thema immer wieder: Grundstückseingriffe. So manche Variante (etwa eine Trasse über die Hohe Straße/Neue Straße in Ohmenhausen oder die Julius-Kemmler-Straße in Betzingen) wurde aussortiert, weil sie Privateigentum in allzu erheblichem Maß tangieren und Eingriffe bis hin zu Gebäudeabrissen erfordern würde. Das Verfahren läuft nach Plan, freuen sich alle Beteiligten. Die letzte große Erschütterung war die Ankündigung des Tübinger Regierungspräsidiums, nun eine andere Albaufstiegs-Variante für den Autoverkehr zu favorisieren. Man hofft nun auf zügige Ansagen aus Tübingen, um den Fahrplan des Verfahrens weiterhin erfolgreich einzuhalten: »Wir müssen Verbindlichkeit in die Planung bringen«, so Tobias Bernecker.
Ohmenhausen/Betzingen
Vorläufige Vorzugsvariante in Ohmenhausen ist die Alte Bahntrasse zweigleisig (weiter untersucht als Alternativvariante wird auch die eingleisige Führung, ebenso wie die Höhenlage der Trasse). Gen Betzingen ist dann die Führung über den Augraben und parallel nördlich zur Landesstraße 384 Vorzugsvariante. In Betzingen führt der Favorit auf der alten Bahntrasse weiter an den Reutlinger Stadtwerken vorbei und nördlich der Bahngleise gen Innenstadt.
Reutlingen Innenstadt
Die Lederstraße – in früheren Diskussionen vom Reutlinger Gemeinderat längst als Favorit ausgemacht – geht erneut als vorläufige Vorzugsvariante ins Rennen. Gartenstraße und Honauer Trasse bleiben als Alternativen jedoch weiter im Rennen und werden in gleicher Tiefe mituntersucht. Für alle haben die Planer Einschleiflösungen ins Gleisnetz der Deutschen Bahn am Hauptbahnhof gefunden – ein neuralgischer Planungspunkt, bei dem es unter anderem gilt, die Gleise der Deutschen Bahn zu queren. An diesem Thema haben auch Reutlinger Stadtplaner schon intensiv herumgeknobelt. Eine Neugestaltung der Unterführung Unter den Linden würde den Weg für die Lederstraßen-Trasse ermöglichen. Über einen Tunnel beim Post-Areal auftauchen würden die Varianten Gartenstraße und Honauer Bahn, so die Vorschläge der Gutachter.
Die Innenstadtstrecke brachte auch eine kleine Überraschung in Sachen Gartenstraße mit sich. Diese Variante kann nicht über die Albstraße weitergeführt werden: Einige Gebäude stehen dort zu eng für eine zweigleisige Schienenführung. Die Planer haben nun eine technisch machbare Alternative über Albtorplatz und Lindachknoten vorgeschlagen.
Pfullingen
In Pfullingen sind weiterhin beide Varianten möglich: Sowohl die »Alte Bahntrasse« – entlang der alten Bahntrasse am Stadtkern vorbei in Richtung der ehemaligen Hortense – wie auch die »Innenstadttrasse« – vom Südbahnhof über die Marktstraße mitten durch die Stadt – sind grundsätzlich technisch umsetzbar. Die vorläufige Vorzugsvariante des RSBNA ist jedoch erstere.
In der vergangenen Diskussion wurde für die »Alte Bahntrasse« vor allem eine Sorge laut: Die Bürgerinnen und Bürger befürchteten, dass die Lindenbäume im Rahmen ihrer Realisierung weichen müssen. An dieser Stelle gibt es Entwarnung. Ein Gutachten habe ergeben, dass nicht ganz so viele Bäume wie bisher angenommen gefällt werden müssen. Auf der alternativen Variante »Innenstadttrasse« ist der Lindenplatz ein Knotenpunkt, der sich als knifflig herausstellt. Dort könnte die Regional-Stadtbahn nämlich nicht regulär zweigleisig fahren.
In Fahrtrichtung Reutlingen müsste sie demnach über den Lindenplatz und in Richtung Lichtenstein über die Zeppelinstraße ausweichen. Die Haltestelle wäre dann auf Höhe der Stadtbücherei. Eine positive Neuigkeit gibt es: Egal für welche Variante sich entscheiden wird, beide können gut an die Reutlinger Strecken angeknüpft werden.
Lichtenstein und der Albaufstieg
Eine große Rolle spielt der Neubau des Albaufstiegs der B 312. Das Regierungspräsidium (RP) Tübingen hatte im Oktober 2024 eine für den Zweckverband wie auch für den Lichtensteiner Bürgermeister überraschende neue Erkenntnisse einer Verkehrsuntersuchung für die B 312-Varianten vorgestellt: Demnach erfülle nur die Variante 5b, die westlich von Lichtenstein verläuft, die Anforderungen, die an den Ausbau gestellt werden. Nicht mehr die Variante 1b, die nahezu parallel zur Regional-Stadtbahn-Vorzugsvariante auf der ehemaligen Bahntrasse verlaufen wäre. Im letzteren Falle wären beide Maßnahmen nur gemeinschaftlich planerisch und baulich umsetzbar, jetzt können die Projekte unabhängig voneinander verfolgt werden.
Dabei gibt es aber ein Problem: Zwar sei die Albaufstieg-Variante 5b mit der Regional-Stadtbahn-Strecke in Richtung Süden und auf Höhe des Traifelbergs kompatibel, in Unterhausen kristallisiert sich so jedoch ein wichtiger Schnittpunkt heraus, der zu einer großen Herausforderung werden könnte. Albaufstiegs und Regional-Stadtbahn werden voraussichtlich nicht zeitgleich gebaut. Genauer: Der Trassenausbau in Unterhausen wird vermutlich realisiert, während die B 312 noch durch Unterhausen führt. Dort müsste also eigentlich ein Bahnübergang gebaut werden, da die Regional-Stadtbahn dort die Bundesstraße kreuzt. Der RSBNA stehe zwar in engem fachlichen Kontakt mit dem RP, der Zweckverband braucht jedoch eine schnelle Trassenfestlegung, damit alles umgesetzt werden kann.
Außerdem stellt sich die Frage, wie die Strecke rund um den Honauer Bahnhof und den Bauhof gehandhabt wird. Dazu gibt es drei Varianten: Bei Ersterer könnte die Bahn auf der Hangseite um den Bahnhof herumfahren, bei Zweiterer auf der Talseite. Die dritte Variante sieht eine – vielleicht auch teilweise – Verlegung des Bauhofs vor, damit die alten Gleise reaktiviert werden können.
Engstingen
Für Engstingen wird rund um den Bahnhof Kleinengstingen eine vorläufige Vorzugsvariante präferiert – daher ist der Halt dort auch gesetzt. Die Regional-Stadtbahn kommt auf der alten Bahntrasse an und könnte dann in einer 180-Grad-Wendung um das Gebäude herum weiter in Richtung Engstingen fahren. Ob es in der Ortsmitte einen weiteren Halt geben wird, muss noch geklärt werden. (GEA)