REUTLINGEN. Wenn es blitzt, kann es teuer werden. Wer mit dem Auto von einer Radarfalle erwischt wird, muss laut Bußgeldkatalog je nach Vergehen zwischen 30 und 800 Euro bezahlen. Das Geld kommt auch den Kommunen zugute. Rund 3,2 Millionen Euro sind so im vergangenen Jahr in die Kassen der Stadt Reutlingen gespült worden. Dafür gesorgt haben Blitzersäulen an 22 Standorten im Stadtgebiet, drei Messwagen, eine Rotlichtüberwachungsanlage und zwei semistationäre Messanlagen. In diesem Jahr sollen mindestens zwei weitere stationäre Blitzer errichtet werden.
Zwei Blitzersäulen werden auf beiden Seiten der Bundesstraße 28 zwischen Reutlingen und Metzingen auf Höhe der Sondelfinger Teckstraße installiert, heißt es vonseiten der Stadtverwaltung. Den Grund erklärt Albert Keppler, Leiter des Amts für Öffentliche Ordnung, so: »Anwohner haben uns von massiven Lärmproblemen berichtet.« Selbst wenn sich die Autofahrer an das Tempolimit hielten, werde der zulässige Nachtwert von 45 Dezibel bereits leicht überschritten. Viele Fahrzeuge seien jedoch deutlich schneller und somit auch lauter unterwegs.
Ein dritter neuer Blitzer könnte in einem Reutlinger Stadtbezirk aufgestellt werden. Mehr will Keppler noch nicht verraten. »Denn aktuell sind noch mehrere Standorte im Gespräch.« Berücksichtigt werden müsse zudem der Lärmaktionsplan. »Teilweise wurden neue Tempo-30-Strecken eingerichtet, wodurch sich neue Kontrollnotwendigkeiten ergeben.«
Einnahmen durch Blitzer steigen in Reutlingen
Werden die neuen Blitzer für einen Geldregen in der klammen Stadtkasse sorgen? »Das kann man nicht vorhersagen«, sagt Keppler. Manche neue Anlagen machten sich finanziell kaum bemerkbar. So habe die Säule an der B28 in Richtung Tübingen »nicht so brachial eingeschlagen«, wie vielleicht erwartet. Anders hingegen die Hohe Straße in Ohmenhausen: »Hier kamen im ersten halben Jahr eine halbe Million Euro zusammen.«
In den vergangenen Jahren sind die Einnahmen durch Blitzer gestiegen: von 2,1 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 3,2 Millionen Euro im Jahr 2023. Im vergangenen Jahr blieb dieser Wert stabil. »Die Bußgeldeinnahmen sind ein willkommener Nebeneffekt«, sagt Keppler. Das Geld fließt in den städtischen Haushalt und ist nicht an bestimmte Verwendungszwecke gebunden. Dem gegenüber stehen die Kosten für die Kontrollen – inklusive Personal und Technik – in Höhe von jährlich 350.000 Euro. Hinzu kommen die Ausgaben für die Anschaffung neuer Geräte, über die der Gemeinderat im Haushaltsplan entscheidet.
Rechnet man alle Buß- und Verwarngelder im Bereich der Verkehrssicherheit zusammen – also auch jene, die nicht durch Blitzer oder Geschwindigkeitskontrollen eingenommen werden –, erzielt Reutlingen jährlich rund 4,5 Millionen Euro. »Im Verhältnis zu den Gesamterträgen entspricht das etwa einem Prozent«, erklärt Keppler. »Das zeigt, dass eventuelle Mehreinnahmen nachrangig zu bewerten sind.« Mit anderen Worten: Die finanziellen Probleme der Stadt lassen sich dadurch nicht lösen. »Aber immerhin refinanzieren die Einnahmen nahezu die gesamte Arbeit des Ordnungsamtes.«
Krassester Tempoverstoß in Ohmenhausen
Keppler betont, dass die Stadt auch dann Verkehrsüberwachung betreiben würde, wenn damit kein Geld verdient würde. »Für uns ist es das Wichtigste, dass alle Reutlinger sicher nach Hause kommen. Dass Kontrollen notwendig sind, zeigt sich immer wieder dort, wo sie nicht mehr stattfinden.« Zum Beispiel 2016 in Ohmenhausen: Ein Autofahrer raste mit 161 km/h nachts durch eine Tempo-30-Zone. Er ging davon aus, dass der zuvor jahrelang »tote« Blitzer nicht auslösen würde - und ging als »krassester Tempoverstoß seit Beginn der städtischen Aufzeichnungen« in die Geschichte ein. »Der hat halb Ohmenhausen aufgeweckt«, erinnert sich Keppler. »Und es hätte noch Schlimmeres passieren können.«
Viele der damals 30 Blitzer im Stadtgebiet waren zu diesem Zeitpunkt bereits außer Betrieb. Der Grund: Die klassischen Kästen hatten eine große Schwäche. War die Fahrbahn nicht in einwandfreiem Zustand, konnten sie keine verlässlichen Messungen durchführen. »Wenn wir die Straße sanieren ließen, entstanden erhebliche Kosten«, sagt Keppler. 2019 beschloss der Gemeinderat, die alten stationären Anlagen durch neue zu ersetzen, da der Hersteller die Unterstützung für die Geräte 2024 auslaufen ließ. Mittlerweile ist keiner der alten Kästen mehr in Betrieb.
Nicht alle Blitzer sind »scharf gestellt«
Jahr für Jahr wurden moderne Blitzer aufgestellt – 2024 etwa an vier Standorten. Aktuell stehen 22 Säulen im Stadtgebiet. Doch nicht alle sind jederzeit aktiv, da es nur 17 Blitzer-Einschübe gibt. Das sind Kamera- und Rechnereinheiten, die es braucht, damit eine stationäre Überwachungsanlage einen Tempoverstoß überhaupt registrieren kann. »Um alle Standorte durchgehend zu bestücken, bräuchten wir etwa doppelt so viele Einschübe. Die sind aber verhältnismäßig teuer«, sagt Keppler. Ein Einschub kostet etwa genauso viel wie eine Säule – rund 45.000 Euro. »Aber wir kommen mit weniger aus. Da man von außen nicht erkennt, ob ein Blitzer aktiv ist oder nicht, erreichen wir trotzdem die gewünschte Wirkung auf das Fahrverhalten.«
Die Stadt plant, auch in den kommenden Jahren weiter in Blitzersäulen zu investieren. »Ob wir am Ende wieder alle Standorte der alten Blitzerkästen besetzen, ist jedoch noch unklar«, sagt Keppler. »Wir analysieren Gefahrenpunkte und berücksichtigen Beschwerden von Anwohnern.« Für diese Analyse werden unter anderem kleine Messkästen an Laternenmasten angebracht. Sie erfassen eine Woche lang die Geschwindigkeit der Fahrzeuge – ohne zu blitzen. »So tasten wir uns an mögliche Standorte heran.«
Grundsätzlich werden die Anlagen dort aufgestellt, wo es »Geschwindigkeitsprobleme« gibt, erklärt Keppler. Zusätzliche Einnahmen sind dabei ein Nebeneffekt, den niemand in der Stadtverwaltung ablehnt. Die werden nur manchmal geschmälert, wenn Autofahrer ihre Wut an den Blitzern auslassen: Im vergangenen Jahr hat etwa einer mit einem Hammer auf eine Säule eingeschlagen. (GEA)