REUTLINGEN-SICKENHAUSEN. Mehr als 3,5 Millionen Kilowattstunden per anno hat die Stadt Reutlingen seit 1994 bei der Straßenbeleuchtung eingespart: durch teilweise Abschaltung in Wohngebieten, nächtliches Komplett-Leuchtenlöschen in Industriegebieten und Abschaltung etwa am Betzinger Knoten.
2 112 Tonnen CO2 weniger wurden dadurch in die Atmosphäre abgegeben berichtete Franziska Grotzke, Netz- und Anlagenplanerin bei der Reutlinger Fair-Netz, den Räten im Bauausschuss.
Ein Quantensprung ist der Einsatz energiesparender LED-Lampen: Unterdessen seien 55 Prozent der Reutlinger Laternen damit bestückt.
Problem Dunkelzonen
(Energie-)Sparwille, drohende EU-Vorgaben und nicht zuletzt die aktuelle Krisenerfahrung erfordern weitere Ideen. Der Einsatz moderner Lichttechnik ist das eine, Beschränkung bei der Beleuchtung das andere.
Die Ingenieurin legte Zahlen vor: Eine nächtliche Totalabschaltung für vier Stunden im gesamten Stadtgebiet brächte weitere 1,2 Millionen Kilowattstunden an Energieersparnis im Jahr. Die Umsetzungskosten lägen bei 10 000 Euro.
Würde für vier Stunden nur die Beleuchtung in den Wohngebieten abgestellt, wären dies 550 000 Kilowattstunden weniger. Allerdings lägen die Kosten bei 300 000 Euro. Auch die gezielte Abschaltung von Straßenzügen oder bestimmten Leuchtentypen wäre sehr teuer – kurzfristig technisch derzeit zudem nicht machbar. Abseits der technischen Machbarkeit sind teilweise Abschaltungen schwierig. Wechseln helle mit dunklen Zonen ab, kann das Auge nicht schnell genug adaptieren.
Generell ist das Thema nicht trivial: Geht es doch auch um so sensible Themen wie subjektives Sicherheitsgefühl der Bürger und Verkehrssicherheit.
Die Beleuchtung der Zebrastreifen steht besonders im Fokus. »Von radikalen Abschaltungen wären auch die Überwege betroffen«, sagte SPD-Rat Andreas Linsmeier und verwies aufs benachbarte Tübingen, wo das Thema für Debatten und Kompetenzgerangel zwischen Stadtoberhaupt Boris Palmer und Regierungspräsident Klaus Tappeser sorgt. In der Unistadt wird unterdessen außerhalb des Stadtzentrums die Straßenbeleuchtung für einige Stunde nachts abgeschaltet.
Dunkelzonen vor allem an Fußgängerüberwegen hält Gabriele Janz, die Vorsitzende der Grünen und Unabhängigen im Reutlinger Rat, für schwierig.
»Dunkelräume sind Angsträume«, warnte Regine Vohrer (FDP) und sorgt sich unter anderem um »Zeitungsausträger und Jugendliche, die spät heimkommen«.
Beim Pilotprojekt »Licht nach Bedarf« in Sickenhausen beschäftigt sich die Fair-Netz laut Franziska Grotzke seit 2019 mit dem Thema »intelligente Straßenbeleuchtung«. Auf einem Feldweg zwischen Grundschule und der Straße Vier Länder sind 18 Leuchten installiert. Sie werden mit reduzierter Leistung betrieben und kommunizieren miteinander. Nimmt eine Bewegung war, leuchtet sie heller und gibt dies auch an die Nachbarn weiter. Wird keine Bewegung mehr detektiert, wird die Leistung nach einer gewissen Zeit automatisch wieder heruntergedimmt. Zwischen 23 und 5 Uhr sind die Leuchten komplett ausgeschaltet.
Anfangs war die Teststrecke mit 18 Solarleuchten bestückt. Sie lieferten jedoch im Winter nicht die geforderte Leistung, zudem ging ihnen bis morgens der Saft aus. Nun wurden die Strecke verkabelt und mit den intelligenten Leuchten bestückt. Nach Anlaufschwierigkeiten mit der Steuerung funktionieren die Leuchten nun nach Angaben der Ingenieurin zuverlässig.
Gebot der Stunde
»Geht an – oder auch nicht«: FWV-Rat Erich Fritz trug praktische Expertise in den Rat, geht er doch auf dem Sickenhäuser Testpfad regelmäßig mit dem Hund spazieren. Mit der jüngsten Umrüstung hofft er nun auf bessere Ergebnisse. Und: »Wir sind auf dem richtigen Weg.«
Klaus Saiger, der Geschäftsführer der Fair-Netz, betonte, dass die Straßenbeleuchtung »on demand« das Gebot der Stunde sei. An der Zuverlässigkeit der intelligenten Straßenbeleuchtung werde gearbeitet. Es gebe unterdessen diverse Anbieter und immer neue Technik. Weitere Testprojekte mit unterschiedlichen Leuchten sollen an verschiedenen Orten der Stadt folgen. (GEA)

