REUTLINGEN. Darf die Tofu-Wurst noch Wurst und das Veggie-Schnitzel noch Schnitzel heißen? Das Europaparlament hat sich dafür ausgesprochen, Begriffe wie »Schnitzel« oder »Wurst« ausschließlich Produkten aus tierischem Fleisch vorzubehalten. Befürworter sehen darin eine Stärkung des Verbraucherschutzes. Kritiker dagegen sprechen von »Lobbyismus im Dienste der Fleischindustrie«. Eine endgültige Einigung über das Verbot wird bald mit den EU-Staaten verhandelt. Schon jetzt hört sich der GEA in der Wilhelmstraße um. Was halten Passanten von Fleischbegriffen auf veganen Lebensmitteln? Und wie stehen sie zu einem Verbot solcher womöglich irrführenden Deklarationen?
Carmen Inboden ist selbst Vegetarierin und findet, dass vegane Lebensmittel mit Fleischbegriffen absolut legitim sind: »Es soll ja Ähnlichkeit haben und den Fleischprodukten nachempfunden sein«, sagt sie. Warum man jetzt so ein Stress mache, verstehe sie nicht. Sie findet es okay, wenn beispielsweise veganer Leberkäse wie Leberkäse aussieht und auch so heißt. Was sie allerdings nicht okay findet, ist die momentane Debatte: »Es gibt Tausend andere Sachen, über die man sich in der Politik Gedanken machen sollte«, sagt sie.
Ähnlich sieht es Marktbeschickerin Monika Warwel. Wenn vegane Lebensmittel Fleischbegriffe haben, »dann versteht man doch, was gemeint ist«. Sie verbinde eine »Wurst« mit der Form - und nicht mit dem Fleischprodukt. Bei der ganzen Diskussion muss sie lachen: »Was muss man sich da jetzt Gedanken machen? Wer hat da einen Vor- oder Nachteil?«, fragt sie. »Oder sind vielleicht die Fleischbetriebe sauer, dass die veganen Produkte diese Namen haben?« Auch sie ist der Meinung, dass es weitaus wichtigere Dinge gibt, über die man sich Gedanken machen sollte.
Auch Hartmut Funk findet die Diskussion überflüssig. Er habe mit Fleischbegriffen bei veganen Lebensmittel kein Problem. »Die Leute können doch lesen. Und wenn Soja-Schnitzel auf der Packung steht, ist das ein Soja-Schnitzel, und kein Schweine- oder Rinderschnitzel«, sagt er. »Oder soll ich dann in Zukunft Soja-Taler kaufen? Was soll das?« Er fragt sich, ob »die da oben« nichts Besseres zu tun hätten. »Ich finde das überflüssig, wie noch was.«
Ebenfalls »sehr unwichtig« findet das Thema Christa Krieg. Sie selbst habe noch nie vegane »Fleischprodukte« probiert, aber: »Ich habe kein Problem damit, wenn vegane Lebensmittel Fleischbegriffe haben«, sagt sie. »Und das eventuelle Verbot finde ich völlig daneben.« Bürokratie wolle man abbauen, »aber dann kommt so ein hausgemachtes Problem«.
Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Verbots hat auch Ingo Wolf. Das könne man zwar machen, sagt er, »aber es macht keinen Sinn.« Dass Fleischbegriffe auf veganen Produkten stehen, sieht er absolut unproblematisch: »Es steht ja davor, woraus es gemacht ist«. Das ganze Thema sei nur »Beschäftigung für irgendwelche Leute«. Er fragt allerdings: »Wie ist das dann bei Sägespänen? Die nennt man ja dann auch Schnitzel. Holzschnitzel?«
Geradezu »lächerlich« findet Leah Kassner die Diskussion um das mögliche Verbot der Fleischbegriffe auf veganen Lebensmitteln und bringt ein interessantes Gegenbeispiel: »Scheuermilch heißt auch Milch und da ist keine Milch drin. Von daher darf sich auch ein veganes Schnitzel gerne Schnitzel nennen«. Falls das Verbot käme und die Produkte unter anderem Namen verkauft werden müssten, glaubt sie nicht daran, dass das irgendwelche Folgen hat: »Menschen, die wie ich Ersatzprodukte essen, werden das auch weiterhin tun - auch dann, wenn sie nicht mehr Schnitzel heißen.«
Es gibt aber auch andere Stimmen. Zu Fleischbegriffen auf veganen Lebensmittel sagt Walter Schäfer: »Das ist doch Betrug.« Er verdeutlicht seine Haltung mit einem Vergleich: »Das ist, als ob ich Ihnen einen VW verkaufe und schiebe ihnen dann aber einen Dacia unter.« Bezeichnungen wie »Veggie-Schnitzel« hält er für Etikettenschwindel. Seiner Meinung nach werde hier der über viele Jahrzehnte gewachsene Begriff des Schnitzels zweckentfremdet. Dabei stellt Schäfer klar, dass sich seine Kritik nicht gegen die vegane Ernährung an sich richte. Ihm gehe es nur um die irreführende Namensgebung. Er vergleicht die Situation mit dem Patentrecht, wo geschützte Begriffe nicht einfach für andere Produkte verwendet werden dürfen. Dass ein traditioneller Begriff wie »Schnitzel« nicht rechtlich geschützt sei, sieht er als Versäumnis. Und er befürworte damit ein Verbot von Fleischbegriffen auf Veggie-Produkten. Die Meinung über die generelle Debatte teilt er aber mit allen anderen Befragten: »Als ob wir keine anderen Probleme hätten ...« (GEA)







