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Aktuell Tierschutz

So sichert der BUND das Überleben der Reutlinger Kröten

Am Markwasen ist abends Hochbetrieb. Neben unzähligen Autos, die zum Naturtheater wollen, wandern Kröten zu ihren Laichplätzen. Warum sie hierbei auf menschliche Hilfe angewiesen sind und wie man helfen kann.

Männchen auf Weibchen: Dieses Krötenpaar ist bereit, den Weg an den See anzutreten.
Männchen auf Weibchen: Dieses Krötenpaar ist bereit, den Weg an den See anzutreten. Foto: Frank Pieth
Männchen auf Weibchen: Dieses Krötenpaar ist bereit, den Weg an den See anzutreten.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Es ist viel los abends am Markwasen. Dreimal die Woche fahren unzählige Autos raus zum Naturtheater und die Schauspieler vom Kinder- und Erwachsenenstück arbeiten an der Sommersaison. Solangsam kommen auch wieder die ersten Jogginggruppen auf den Reutlinger Trimm-Dich-Pfad. Und noch jemand ist unterwegs, wenn es nachts wärmer als fünf Grad ist: Die Kröten und Frösche erwachen aus der Winterstarre und gehen auf Krötenwanderung. Die Tiere wandern einmal im Jahr zu den Markwasenteichen und zum Feuerlöschteich, um sich zu paaren und dort abzulaichen.

»Wann genau die Kröten wandern, kann man nicht vorhersagen. Wir haben die klimatischen Veränderungen stark zu spüren bekommen. In zwei aufeinanderfolgenden Jahren liefen die Amphibien schon am 2. Februar los. Sobald die Bedingungen gegeben sind, müssen wir bereit sein«, erklärt Edith Willmann, Vorstandsmitglied des BUND. Denn jede Wanderung bedeutet Lebensgefahr für die Kröten. Durch das hohe Verkehrsaufkommen sterben jedes Jahr ungefähr zehn Prozent von ihnen bei der Wanderung auf den Straßen. Doch nicht nur durch das direkte Überfahren ist tödlich, erklärt Willmann: »Man sollte Kröten nur in Ausnahmefällen zwischen die Räder nehmen. Nimmt man eine Kröte bei 30 Stundenkilometern zwischen die Räder, wird der Druck im Tier so groß, dass es platzt, die Innereien herausquillen und das Tier stirbt.«

Mit Taschenlampe und Eimer unterwegs: Mitglieder des BUND versuchen, möglichst viele Kröten heil über die Straße zu bringen.
Mit Taschenlampe und Eimer unterwegs: Mitglieder des BUND versuchen, möglichst viele Kröten heil über die Straße zu bringen. Foto: Frank Pieth
Mit Taschenlampe und Eimer unterwegs: Mitglieder des BUND versuchen, möglichst viele Kröten heil über die Straße zu bringen.
Foto: Frank Pieth

Um so viele Kröten wie möglich vor den Autos zu retten, hilft der BUND Reutlingen den Quakern in der Laichsaison täglich. An diesem Montagabend sind vier Helfer am Start. »Insgesamt sind wir aktuell rund 20 im Krötenteam«, sagt Willmann. Um 19 Uhr trifft sich das Team am Kreisverkehr am Reutlinger Markwasen. Mit Warnweste, Taschenlampe und Eimer bewaffnet, machen sich die vier Krötenhelfer auf den Weg, um Kröten in Straßennähe einzusammeln und in der Nähe des Teichs wieder auszusetzen. Die Route der Helfer verläuft einmal rund um das Naturtheater, am Tennisheim vorbei und wieder zurück zum Kreisverkehr. Außerdem begeht das Team die Straße zum Gaisbühl bis zum Feuerlöschsee. Anfangs laufen alle zusammen den Weg rund ums Naturtheater ab. Zwei leuchten die Straßenränder ab, die anderen beiden die Straßenmitte. »Wenn wir Kröten auf oder neben der Straße finden, tragen wir sie auf die teichnahe Seite. Den restlichen Weg finden sie selbst. Umkehren würden sie niemals«, erklärt Willmann.

Nur noch rund 800 Kröten

Da es am Sonntagabend und am Montagmorgen regnete, sind die Bedingungen laut Willmann »optimal« für wandernde Amphibien. Dennoch beginnt dieser Montagabend erstmal enttäuschend. Die Lampen finden fünfzehn Minuten lang nichts als Gras und nasse Blätter. Doch da, der erste Frosch vor der Einfahrt zum Tennisheim! »Hier ist eine besonders gefährliche Gegend aufgrund der vielen Besucher«, stellt Willmann fest. Mit einem sicheren Griff packt die Krötenhelferin das Tier zwischen Daumen und Zeigefinger an den Seiten und setzt es an einem auf den Plänen ausgezeichneten Ort aus. Unmittelbar danach auch der erste Tatort: Eine Kröte liegt platt vor der Einfahrt zum Tennisheim auf der Straße, überfahren ...

Sowohl geretteter und toter Frosch werden umgehend auf der Liste des BUND-Teams notiert. »So kontrollieren wir den Bestand der Kröten und können den Verlauf über die Jahre hinweg beobachten«, erklärt Willmann. Dieser sank im Lauf der vergangenen Jahrzehnte erheblich: Während in den 90er-Jahren noch jährlich rund 6.000 Kröten von den Helfern über die Straße getragen wurden, waren es im vergangenen Jahr nur noch knapp 800. So installierte das BUND-Team in starken Jahren einen kleinen Zaun neben den Straßen und vergrub Eimer im Boden, in welche die Kröten fielen, bevor sie auf die Straße treten konnten.

Im Eimer werden die Kröten gesammelt und in der Nähe des Teichs wieder ausgesetzt.
Im Eimer werden die Kröten gesammelt und in der Nähe des Teichs wieder ausgesetzt. Foto: Frank Pieth
Im Eimer werden die Kröten gesammelt und in der Nähe des Teichs wieder ausgesetzt.
Foto: Frank Pieth

Ein Grund, warum wieder Hoffnung auf mehr Kröten besteht, ist die nächste Station der Suche an diesem Abend: ein wiederbelebter Teich zwischen Tennisheim und Kreisverkehr. »Wir sind extrem froh, dass er jetzt, wo er wiederhergestellt ist, gut angenommen wird«, so Willmann. Plötzlich wimmelt es ums BUND-Team herum nur so von Kröten. Man hört leise das Quaken der Frösche. Manche Männchen sitzen schon auf dem Rücken ihrer Weibchen und betreiben Fortpflanzung, während andere Männchen noch am Ufer auf Weibchen warten. »Es gibt hier ungefähr 80 Prozent Männchen. Oft wandert auch ein Weibchen gemeinsam mit zehn Männchen«, sagt das BUND-Vorstandsmitglied.

125 Kröten am Gaisbühl

Noch ergiebiger ist die Krötensuche nur auf der Straße zum Gaisbühl. Hier kommt auch erstmals der Eimer so richtig zum Einsatz. Am Straßenrand tummeln sich unzählige Kröten in den Gräben. Eimerweise tragen die Helfer sie über die Straße in Richtung Feuerlöschteich. Wie die Tiere jedoch die Wege zu den Markwasenteichen finden, ist für die Krötenhelfer ein Rätsel. »Wir gehen davon aus, dass sich Kröten an den Magnetfeldern der Erde orientieren. Das Faszinierende hierbei ist, dass Kröten nach der Geburt ganz alleine zum Teich finden«, staunt die BUND-Mitarbeiterin Willmann. Nach einem Abstecher zum Feuerlöschteich endet die Suche. Die Ausbeute nach knapp drei Stunden Wandern: 143 Kröten und Frösche, davon 125 am Gaisbühl. Dazu leider fünf Tote. »Gezählt werden hierbei nur Tiere, denen wir helfen. Kröten rund um die Teiche wurden wahrscheinlich bereits erfasst«, erklärt Willmann. Nach Schichtende ein letzter Aufreger. Beim Abfahren wird die Todesstatistik fast noch erweitert: Eine Kröte läuft vors Auto, doch dank einer Notbremsung, kann auch dieses Tier gerettet und gezählt werden. (GEA)

Blick in den Eimer: Die BUND-Helfer und der GEA-Reporter (rechts) vor Ort.
Blick in den Eimer: Die BUND-Helfer und der GEA-Reporter (rechts) vor Ort. Foto: Frank Pieth
Blick in den Eimer: Die BUND-Helfer und der GEA-Reporter (rechts) vor Ort.
Foto: Frank Pieth