Logo
Aktuell Politik

So hat Reutlingens Partnerstadt den US-Wahlkampf erlebt

Auch sie haben nun einen neuen (alten) Präsidenten: Reading heißt die Stadt im »Swing State« Pennsylvania, in dem die Republikaner erfolgreich die Mehrheit gewannen. Stadtratspräsidentin Donna Reed redet über verbrannte Wahlkampfbanner und mögliche Gründe für Trumps Sieg.

Die republikanische Fraktion in Berks County: »Let's save America« steht auf ihren Schildern.
Die republikanische Fraktion in Berks County: »Let's save America« steht auf ihren Schildern. Foto: Berks County Republican Committee
Die republikanische Fraktion in Berks County: »Let's save America« steht auf ihren Schildern.
Foto: Berks County Republican Committee

REUTLINGEN/READING. Er hat es geschafft: Nachdem er 2016 zum 45. Präsidenten der USA gewählt wurde, macht Donald Trump acht Jahre später erneut das Rennen. In Deutschland kam der Wahlsieg des Republikaners, der letztlich einem wahren Durchlauf glich, für so manchen doch recht überraschend. Immerhin war im Vorlauf häufig von einem Kopf-an-Kopf-Rennen die Rede gewesen. Für die Einwohner Readings, Reutlingens Partnerstadt in Amerika, war das Ergebnis weniger unvorhersehbar, wie Donna Reed, Präsidentin des Readinger Stadtrats, dem GEA erzählt hat.

»Ich war von den Ergebnissen nicht besonders überrascht. Nachdem ich den Berichten der lokalen Medien zugehört hatte, mit Leuten auf der Straße sprach und von Freunden in den Gegenden von DC, NYC und Philadelphia hörte, hatte ich in den letzten Tagen das Gefühl, dass wieder 2016 ist - wo die Demokraten am Boden waren. Ich war vor drei Wochen zu einer Hochzeit in Florida und auch dort herrschte völlig republikanisches Flair.« Pennsylvania hingegen, galt zuletzt als Swing State. Das sind Staaten, in denen grundsätzlich keine der beiden Parteien eine Dominanz hat, was bedeutet, dass beide Seiten eine Chance auf den Sieg haben. Sie können sich von Wahl zu Wahl ändern. Waren beispielsweise Florida und Ohio bei früheren Präsidentschaftswahlen umkämpft, galten sie 2024 als republikanisch dominiert.

Fehlende Präsenz seitens Harris/Walz

In Reading endete die Wahl »mit einer überwältigenden Mehrheit für Harris«, während Trump in der übergeordneten Region Berks County mit 115.676 zu 89.764 Stimmen die Nase allerdings ganz klar vorne hatte. Wieso es so gekommen ist, wie es gekommen ist, sei schwer zu sagen. Die ehemalige Journalistin Donna Reed hat jedoch ein paar Ideen: »Offensichtlich hätte Präsident Biden seine Entscheidung zum Rücktritt viel früher treffen sollen – entweder Ende letzten Jahres oder im Januar 2024. Aus den umkämpften Vorwahlen hätte in diesem Zyklus möglicherweise ein Kandidat hervorgehen können, der eher auf die Mitte ausgerichtet ist. Die Demokratische Partei bewältigte den verkürzten Harris-Wahlkampf zwar mit großem Enthusiasmus, aber auch großen Fehlern«.

Dazu gehöre auch die Identitätspolitik der demokratischen Kandidaten, die laut Reed eindeutig »nach hinten losgegangen« war - vor allem in Berks County. Denn trotz der Tausenden von Türen, an die Harris-Anhänger – viele davon aus dem Ausland – geklopft haben, seien die Menschen in den Vorstädten und auf dem Land oft von den Demokraten zurückgelassen worden. So war einem Walz-Besuch in Reading nur eine Einladung für lateinamerikanische Führungskräfte vorausgegangen - andere ausgeschlossen. Und Harris? Die machte am Tag vor der Wahl nur einen kurzen Zwischenstopp in einem puertoricanischen Restaurant, in dem nur der Bürgermeister, der Gouverneur und der AOC-Abgeordnete von NYC anwesend waren. »Umstehende aus dem Block sahen sie kaum ankommen oder gehen. Diese nur auf Einladung stattfindenden Veranstaltungen trugen nicht dazu bei, die größere Gemeinschaft einzubeziehen«, folgert Reed. Hier konnten die republikanischen Kandidaten hingegen mit persönlicher Präsenz punkten. So sei JD Vance zweimal in den ländlichen Gebieten und Trump zweimal in der großen Arena in der Innenstadt von Reading zu Gast gewesen.

»A new way forward«: Die demokratische Harris/Walz Fraktion in Berks County vor der Wahl.
»A new way forward«: Die demokratische Harris/Walz Fraktion in Berks County vor der Wahl. Foto: Berks County Democratic Party.
»A new way forward«: Die demokratische Harris/Walz Fraktion in Berks County vor der Wahl.
Foto: Berks County Democratic Party.

Dass politische Wahlen oftmals mit Vandalismus und Streitigkeiten einhergehen, ist sicherlich nichts Neues. In Reading zumindest, hat sich das jedoch in Grenzen gehalten: Abgesehen von einigen Schildern, die hier und da verschwunden sind oder vernichtet wurden, sei nichts allzu Außergewöhnliches vorgefallen, so Reed. In anderen Gegenden, beispielsweise den ländlicheren Gegenden von Berks County, sei es etwas härter zugegangen: Dort seien die Harris/Walz-Schilder in erheblichem Maße entwendet worden. Zudem sei außerhalb der Stadt ein Harris/Walz-Banner überfahren und verbrannt worden. Der Grundstückseigentümer habe sich nicht klein kriegen lassen und zusätzlich, zum zerstörten Banner, ein Dutzend weiterer Schilder angebracht.

Nach dem Bekanntwerden des neuen Präsidenten ist die Lage in Reading ruhig. Vor Ausschreitungen hat hier keiner Angst. »Es muss allen zugutegehalten werden, dass die Wähler in der Stadt (auch am Wahltag selbst) ein gutes Beispiel für Höflichkeit waren«, lobt die Präsidentin des Stadtrats. Was ihre persönliche Meinung zu Trumps Sieg anbelangt, findet sie klare Worte: »Ich persönlich bin sehr desillusioniert über die Rückkehr des ehemaligen Präsidenten ins Amt. Ich mache mir große Sorgen um den Schutz der Bürgerrechte aller – Frauen, Minderheiten, die LGBTQ-Gemeinschaft, Einwanderer, diejenigen, die freie Meinungsäußerung ausüben würden, wenn sie mit dem gewählten Präsidenten und seinen Anhängern nicht einverstanden sind. Wenn ich in einem EU-Land wohne, wäre ich sehr besorgt über etablierte Allianzen – die NATO sowie Trumps vorgeschlagene neue Zölle. Auch die Lage in der Ukraine und Trumps Beziehungen zu Russlands Putin und dem türkischen Präsidenten Erdogan können gefährlich sein.« (GEA)