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Sickenhäuser Prozess eingestellt: Ein richtiges Signal

Bei einem ehrenamtlichen Arbeitseinsatz verunglückt ein Mann im Juli 2022 tödlich. Es folgt eine Verhandlung vor dem Amtsgericht, die allen Beteiligten nahegeht. Der Ausgang ist ein wichtiges Signal für Ehrenamtliche, findet GEA-Redakteurin Kathrin Kammerer.

Das Amtsgericht Reutlingen.
Das Amtsgericht Reutlingen. Foto: Stephan Zenke
Das Amtsgericht Reutlingen.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN-SICKENHAUSEN. Es ist ein höchst tragischer Fall, der am Donnerstag vor dem Reutlinger Amtsgericht verhandelt wurde: Ein Mann verunglückt bei ehrenamtlich durchgeführten Sanierungsarbeiten tödlich - und der Vereinsvorsitzende wird wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Es ist eine Geschichte, die sich so in nahezu jedem Dorf hätte abspielen können. Deshalb hat der Ausgang des Verfahrens auch eine besondere Tragweite.

Vereinsleute kennen es: Die Hauptversammlung steht vor der Türe - und für den Posten des Vorsitzenden ist niemand in Sicht. Also wird herumgefragt: Kannst dus nicht machen? Für eine Amtszeit? Wir helfen dir auch ... Meistens findet sich dann ein Gutmütiger - so auch in Sickenhausen. Mit dem Unterschied, dass der Fördervereinsvorsitzende dort seine Entscheidung ordentlich bereut haben dürfte. Sie hat ihn nämlich auf die Anklagebank gebracht. Hätte das Unglück verhindert werden können, wenn er sich mehr über Pflichten und Gesetze informiert hätte? Das wird niemand mehr abschließend klären können. Dass bei dem Arbeitseinsatz ein Mensch (tödlich) verletzt werden könnte, war ihm jedenfalls nicht bewusst, das stellte auch Richterin Eich am Ende fest.

In vielen Dörfern wie Sickenhausen gibt's einen harten Kern von Engagierten, die etwas auf die Beine stellen, die etwas in Eigenregie umbauen oder sanieren. Meistens handelt es sich dabei um Männer, die schon ihr Leben lang dort wohnen und dort tief verwurzelt sind. Oft sind es Handwerker, viele haben ihr eigenes Haus (um-)gebaut. Ein Verein, wie der in Sickenhausen, lebt vom Engagement und den Fähigkeiten jedes einzelnen, von der Dynamik, die sich dadurch entwickelt. Er hat keine krasse Hierarchie. Es ist völlig utopisch anzunehmen, dass ein Vorsitzender kontrollieren und überwachen kann (und will), was jedes Mitglied bei Arbeitseinsätzen und Festen tut.

Der Vorschlag von Richterin Celine Eich, das Verfahren einzustellen, und die sofortige Zustimmung aller Beteiligen, sind ein richtiges und wichtiges Signal. An die Beteiligten aus Sickenhausen, denen der tragische Todesfall weiterhin extrem nahe geht. Und an alle Ehrenamtlichen in der Region. Eine Verurteilung hätte bei ihnen für große Verunsicherung gesorgt und es in Zukunft sicher nicht einfacher gemacht Menschen zu finden, die bereit sind, einen Vereinsvorsitz zu übernehmen.

kathrin.kammerer@gea.de