REUTLINGEN. Die schmutzige Wäsche einer zerbrochenen Ehe hat das Amtsgericht Reutlingen beschäftigt. Angeklagt ist der Ex-Mann, dem vorgeworfen wird, ein Sexvideo von intimen Momenten mit seiner Ex-Frau ohne deren Zustimmung angefertigt und an Dritte weitergegeben zu haben. Obendrauf kommen Vorwürfe wie Beleidigung und Körperverletzung des neuen Freundes der Frau. Doch die Beweisaufnahme ergibt kein klares Bild.
Unzweifelhaft sind der 24 Jahre junge Mann und die Frau im Mai 2022 miteinander im Bett gewesen. Der Ehegatte soll, was dort passierte, laut Staatsanwalt Patrick Pomreinke mit seiner Smartwatch in laufenden Bildern festgehalten haben. Nebensache, dass die laut Anklageschrift dafür verwendete Uhr überhaupt keine Kamera hat. Denn dass es in der Tat ein mit seinem Smartphone gedrehtes Sexvideo gegeben hat, gibt der Beschuldigte zu. Entschieden widerspricht er aber dem Vorwurf, seine Partnerin habe davon nichts gewusst, geschweige denn sei sie gegen die Aufnahmen gewesen.
»Sie schaut in die Kamera und war einverstanden«, äußert er vor Richterin Natalia Gertner. Ebenso ist es für ihn unerklärlich, wie das Video mit seiner Handynummer als Absender bei einem Dritten angekommen sein soll, »das war ich nicht«. Zumal der Empfänger des Filmchens, wie sich im Verfahren herausstellt, wohl der neue Freund seiner Ex-Gemahlin ist. »Kein Mann darf meine Frau so sehen. Das verbietet meine Religion«, betont der Syrer. Und von welchem Mobiltelefon wer das Sexvideo versandt hat, bleibt ebenso unklar wie sein Empfang. Sowohl der Angeklagte als auch der Zeuge besitzen zwei Geräte, die ehemalige Ehefrau kennt laut Aussage des Mannes auch den Zahlencode für seine Smartphones.
Im Gerichtssaal
Richterin: Natalia Gertner. Staatsanwalt: Patrick Pomreinke. Verteidiger: Thomas Hartmann
Wie das Gericht den Akten entnimmt, befindet sich der Mann in einem Konflikt mit der Mutter seiner Tochter, für die er das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht hat. Verteidiger Thomas Hartmann bezeichnet diese Tatsache »als Hintergrund der Vorwürfe«.
Erster Zeuge ist jener Mensch, der das intime Video empfangen haben soll. Außerdem soll es zwischen dem Angeklagten und ihm auf dem Reutlinger Marktplatz eine körperliche Auseinandersetzung gegeben haben, die teilweise von einer Überwachungskamera festgehalten wurde. Nur sind die Bilder, die sich alle Verfahrensbeteiligten gemeinsam anschauen, offenbar keinesfalls eindeutig. Letztlich kommt Richterin Gertner zur Feststellung, »die ersten Bewegungen kommen von ihnen. Sie haben ihn geschubst«.
Bleibt noch der Vorwurf, der Mann habe seine Ex-Frau in einem Stadtbus übel beleidigt, wovon der Zeuge indirekt etwas mitbekommen haben will, weil er währenddessen mit der Frau telefonierte. Was da wirklich gesagt wurde, ist letztlich ebenfalls nebulös. Wirkliche Klarheit erbringt auch die Aussage einer Polizeioberkommissarin nicht, die sowohl Anzeigen der Frau gegen ihren Mann in Sachen »Anfertigen pornografischer Bilder« als auch Anzeigen des Mannes gegen seine Frau wegen »Bedrohung« entgegennahm. Bezüglich der Videoaufnahmen habe ihr die Frau »erst gesagt, sie habe es nicht gewusst. Dann meinte sie, ihr Mann habe es ihr gesagt - aber sie habe es nicht ernst genommen«.
»Beide Seiten versuchen die jeweils andere Seite in ein schlechtes Licht zu rücken«, beschreibt die Polizistin einen Eindruck, der sich im Gerichtssaal durch die Beweisaufnahme breit gemacht hat. Zudem fehlt die ebenfalls als Zeugin geladene Ex-Frau unentschuldigt, was ihr ein Ordnungsgeld von 250 Euro einbringt. Wie nun weiter, fragt Richterin Gertner den Staatsanwalt und den Verteidiger. Letztlich einigt man sich auf eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldauflage von 400 Euro. An die Adresse des Angeklagten meint die Richterin, er solle sich in Zukunft von seiner Ex-Frau und ihrem Bekannten fernhalten. (GEA)