REUTLINGEN. Seit Juni ist klar: Das »Hotel im Bürgerpark« verzögert sich nochmals. Der Pforzheimer Investor Wolfgang Scheidtweiler konnte erneut keine Finanzierungszusage der Banken vorlegen. Diese wird benötigt, damit die endgültige Baugenehmigung von der Stadt erteilt wird. Der Gemeinderat, der zum allergrößten Teil weiterhin hinter dem umstrittenen Großprojekt steht, gewährte ihm also eine erneute Fristverlängerung. Die fünfte an der Zahl, bemerkt Professor Dr. Jürgen Straub, Fraktionssprecher von WiR, süffisant. Während im Umfeld Reutlingens »in diesem Zeitraum mehrere Hotels gebaut und innerhalb kurzer Zeit an den Markt gebracht« wurden. Dass die WiR-Fraktion eine große Kritikerin des Hotels in seiner so geplanten Form ist, ist nicht neu. Neu sind aber die Vorwürfe, die Straub gegen Stadt und Investor jüngst erhoben hat.
Scheidtweiler und die Stadt haben einen Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen, als sie sich über den Hotelbau einig wurden. Durch das Erbbaurecht bleibt das Grundstück im Besitz der Stadt, der Investor zahlt einen Erbbauzins. Dieser - so ist auf der Beschlussvorlage für den Gemeinderat aus dem Jahr 2018 zu lesen - beträgt insgesamt 1,14 Millionen Euro. Zu zahlen in zwei Tranchen. Die ersten 570.000 Euro wurden damals laut Vorlage offensichtlich dem Haushalt 2019 zugeschrieben, die zweiten 570.000 Euro dem Haushalt 2023. Doch gezahlt wurde bislang: nichts. »Das heißt: Der Vertrag ist nicht mehr gültig!« befindet Gemeinderat Straub. Ein neuer Vertrag müsse abgeschlossen werden, wenn der Investor weiter bauen wolle. Doch dann zu »aktuellen Konditionen«. Heißt konkret: Mit einem Bodenrichtwert von 850 Euro pro Quadratmeter als Grundlage. Und nicht - wie noch im alten Vertrag - mit einem Bodenrichtwert von 400 Euro. Heißt für Straub dann auch: Scheidtweiler schulde der Stadt dann plötzlich fast doppelt so viel Geld, nämlich mindestens 2,42 Millionen Euro.
»Der eigentliche Erbbaurechtsvertrag ist noch nicht wirksam«
Finanzbürgermeister Roland Wintzen und Peter Wilke, Leiter des Amts für Wirtschaft und Immobilien, nahmen der WiR-Fraktion in der jüngsten Sitzung des Finanzausschusses etwas Wind aus den Segeln. Die von Straub aufgestellte Korrelation stimme so nicht. »Der eigentliche Erbbaurechtsvertrag ist noch nicht wirksam«, so Wilke. Heißt konkret: So lange kein vollständiger Bauantrag von Scheidtweiler vorliegt, gilt der Erbbaurechtsvertrag nicht. Wenn der Vertrag dann in Kraft trete, werde man die Termine, zu denen Scheidtweiler Erbbauzins zahlen muss, neu festlegen.
Mit dieser Antwort musste sich WiR-Gemeinderat Marco Wolz zufrieden geben. Er wollte aber noch von der Verwaltung wissen, ob Scheidtweiler aktuell laufende Kosten habe, also während das Projekt in der Warteschleife hängt. »Er hat keine eigentumsgleichen Rechte - und damit zumindest bezüglich Grundsteuer und Co. keine laufenden Kosten«, so Amtsleiter Wilke.
»Ihr lasst keine Möglichkeit aus, das Projekt schlecht zu machen«
Von den anderen Gemeinderäten bekam Wolz teils heftige Kritik für seine Fragen zum Hotelprojekt. »Ihr lasst keine Möglichkeit aus, das Projekt schlecht zu machen«, so Kurt Gugel (FWV) in Richtung der WiR-Fraktion. »Irgendwann muss man eine Entscheidung des Gemeinderats doch auch akzeptieren.« Rüdiger Weckmann (Linke) findet es »ätzend, dass die WiR hier andauernd das Haar in der Suppe sucht«, Helmut Treutlein (SPD) spricht sogar von »Fake News«, die in die Welt gesetzt würden. Njeri Kinyanjui (Grüne) ist der Meinung, Wolz' Fraktion solle die »Füße still halten«, so lange sie keinen konkreten Ersatz für Scheidtweilers Projekt vorweisen könne. Etwas weniger emotional das Statement der CDU: Man brauche das Hotel, und »wir müssen daran festhalten, und hoffen und schauen, dass es auf die Ziellinie geht«, so Andreas Benz. Finanzbürgermeister Wintzen zeigt sich »glücklich«, dass Scheidtweiler weiter am Projekt festhält. »Was wäre die Alternative? Wir fangen wieder bei Null an.« (GEA)

