REUTLINGEN-REICHENECK. Voll ins Schwarze trifft der Schützenverein Reicheneck 1923 e. V. seit einem Jahrhundert. Das Jubiläum wird am kommenden Wochenende im idyllisch gelegenen Vereinsheim ausgiebig gefeiert. Die Gäste können bei dieser Gelegenheit nicht nur gewinnen, sondern sich auch vom Alter der Vereinsmitglieder überraschen lassen.
Denn die Reichenecker Schützen haben geschafft, wovon andere Vereine noch träumen: Neue und jugendliche Menschen zu gewinnen. Sehr anziehend habe, erzählt der Vereinsvorsitzende Wolfgang Tessmer, vor allem der Stand auf der Sichelhenke im vergangenen Jahr gewirkt. Mittlerweile zählt der Verein 54 Mitglieder, wovon etwa ein Drittel Frauen seien. Sie alle treffen sich nach wie vor dort, wo alles 1923 begann – nur mittlerweile in neueren Mauern.
Vom »Selbstschutz« zum Sport
Laut der handgeschriebenen Vereinschronik, einem beeindruckenden Buch mit vergilbten Seiten, haben sich am 25. Oktober 1923 "mehrere rührige Personen zusammengefunden, um unter der Führung der beiden Schützenmeister Emil Schlotterbeck und Martin Wandel den Schützenverein Reicheneck zu gründen". Die Vorgeschichte der Vereinsgründung im gleichen Jahr ist interessant, wie GEA-Redakteur Hans A. Lasslob bereits 1998 schreibt: "Im damals sehr viel kleineren Reicheneck fanden sich 22 Männer als Selbstschutz zusammen – und hatten sich schon ein Jahr später mit dem Verbot solcher Vereinigungen auseinanderzusetzen." Der Weg Vom »Selbstschutz« zum Sportschießen ist auch mit einem Wechsel der Waffen verbunden.
»Statt mit Pirschbüchsen mit eingelegten Läufen zielt man jetzt mit Kleinkaliberbüchsen aufs Schwarze in 100, später 50 Meter Distanz«. 928 wird das erste Schützenhaus in Holzbauweise an jenem Ort gebaut, der bis heute das Zentrum des Vereinslebens ist. Nicht mehr da ist dagegen die Gaststätte »Linde«, in der zum 10. Geburtstag auf »den langen und mühsamen Weg des Vereins« hingewiesen wird. Der Zweite Weltkrieg fordert auch unter den Vereinsmitgliedern Opfer.
»Mitten im Krieg waren von 26 Mitgliedern 22 bei der Wehrmacht«, sagt der Vereinsvorsitzende Tessmer. Zu beklagen sind am Ende »10 gefallene oder vermisste Kameraden«. Mit dem Kriegsende verliert der Verein im von den Nazis befreiten Deutschland nicht nur seine Gewehre, sondern auch sonstiges Inventar.
Zunächst lehnt der Gemeinderat 1949 einen Antrag auf Wiedererrichtung des Schützenhauses ab. »1951 war es wieder Emil Schlotterbeck, der den deprimierten Verein zusammenrief, 1953 ging man daran, auf den Ruinen des alten ein neues Schützenhaus zu errichten, das dann auch anderen Vereinen offenstand«, schreibt GEA-Chronist Lasslob.
Ein weiteres Jahrzehnt später, der Kalender zeigt 1964, endet die Ära des Vereinsvorsitzenden Emil Schlotterbeck, der nach 41 Jahren altershalber zurücktritt. »Er wurde zum Ehrenmitglied ernannt«, würdigt ihn die Vereins-Chronik. Viele Jahre gibt es ein nach ihm benanntes Gedächtnisschießen. 1969 gibt Kurt Maier das Amt des Schützenmeisters ab, das er seit 1964 innegehabt hat. Nachfolger wird Ernst Digel. Mit Hilfe von Bezirksbürgermeister Erwin Bleher gelingt es ihm, einen Neubau des Schützenhauses samt Schießanlage zu erreichen, der 1974 eingeweiht wird. »Die Stadt Reutlingen unterstützt das Vorhaben und stellt dem Verein 5 000 DM sowie das Bauholz kostenlos zur Verfügung.« Die erste Generalversammlung im neuen Gebäude »steht im Zeichen des Dankes. Danke an die Firmen für die großzügigen Spenden, an die Mitglieder für den unermüdlichen Einsatz, an die Stadt Reutlingen für ihre Unterstützung und an den Gemeinderat mit seinem Bezirksbürgermeister für die Mithilfe«, erinnert sich Tessmer. Zum 60-Jährigen beschenkt sich der Verein selbst.
Nagelneue Kleinkaliberbahnen
Sechs neue Kleinkaliberbahnen werden gebaut und 1987 freigegeben. Für einen beachtlichen Erfolg der Reichenecker hat zuvor Hans-Joachim Decker gesorgt: Er wird württembergischer Landesmeister und erreicht somit die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft. Vanessa Decker vertritt bei zwei Deutschen Meisterschaften den Verein. Aber es gibt auch Tiefschläge. Im August 1992 richtet Sturm »Wiebke« am Schützenhaus Schaden in Höhe von 15 000 DM an. Und 2013 trifft der für ganz Reutlingen verheerende Hagelsturm die Immobilie. Während der Jahrzehnte macht sich immer wieder die Jugendarbeit bezahlt. So nimmt beispielsweise Juniorenschütze Sebastian Tessmer 2011 an den Deutschen Meisterschaften in München teil. »Dem Schützenverein ist in den vergangenen 100 Jahren viel abverlangt worden. Aber Fleiß, Schweiß, Opfer und viel Idealismus und ein Ziel vor Augen gibt uns den Mut und die Kraft dieses Schützenwesen weiter zu betreiben«, so Tessmer. (GEA)
FESTPROGRAMM VOM FEINSTEN
Das bietet der Schützenverein Reicheneck zu seinem Geburtstag
Der Schützenverein Reicheneck 1923 e.V. feiert sein 100-jähriges Jubiläum. Dazu veranstaltet der Verein ein Preisschießen vom Freitag, 23. Juni, bis Sonntag, 25. Juni, für Jedermann/-frau mit anschließender Siegerehrung und Preisverleihung um 16 Uhr. Für musikalische Unterhaltung und das leibliche Wohl mit mobilem Smoker ist gesorgt. Schießtermine sind am Freitag von 18 bis 20 Uhr, Samstag von 10 bis 16 Uhr und Sonntag von 10 bis 14 Uhr. Austragungsort ist die Anlage des Schützenvereins Reicheneck e.V., Seewiesen 4, in 72766 Reutlingen (Landesstraße L 378 A von Sondelfingen nach Metzingen, rechtsliegend, vor den EBK-Blumenmönchen). Unter fachkundiger Aufsicht können sich Personen ab dem 16. Lebensjahr auf ihre Zielgenauigkeit hin messen. Erster bis dritter Preis sind jeweils ein Geschenkkorb mit gestaffeltem Warengutschein, weitere Preise gibt es für die Platzierten des 4. bis 10. Platz. Zusätzlich ist auch noch ein Sonderpreis, ein Akku-Schrauber, ausgelobt. Für Kinder und Jugendliche gibt es die Möglichkeit klassisch Luftgewehr oder auch ganz ohne Geräusche Lichtstrahlschießen auszuprobieren. Bei gutem Wetter wird auch Bogenschießen angeboten. Weitere Informationen im Internet oder telefonisch. (pr) www.sv-reicheneck.de 0179 6735808 0174 8640471