Vor der Jahrtausendwende dachte die Bahn sehr intensiv über ein Frachtzentrum in Reutlingen nach. »Dann wurde nochmal gerechnet, und alles in die Tonne getreten«, erzählt Klaus Keim, »2001 haben wir das Grundstück von der Bahn gekauft, davor waren wir Pächter«. Im kommenden Jahr wird 30-jähriges Betriebsjubiläum gefeiert. Heute verfügt die Rohstoffverwertung in Reutlingen über ein 11000 Quadratmeter großes Gelände, hat für diverse Rohstoffe genügend Lager- und Umschlagsfläche. Zu Fuß dauert es eine halbe Stunde, um alles zu sehen. Womit wird hier wie Geld verdient?
Ein Berg von Bohrspänen aus verschiedenen Stahlsorten, die mit ihren bizarren Formen wie eine Kunstinstallation aussehen, verdeutlicht das Prinzip: Sammeln, sortieren, verwerten. »Wir machen klassische Industrieentsorgung«, beschreibt Klaus Keim einen Teil des Geschäfts, »dazu haben wir bei unseren Kunden Container aufgestellt. Die werden befüllt und dann mit unserem eigenen Fuhrpark abgeholt und geleert«. So könnten die Bohrspäne von Wafios stammen, während die Stanzreste möglicherweise aus der Bosch-Produktion kommen. Abgerechnet wird nach Gewicht, was auch für die vielen Anlieferungen von Handwerkern gilt.
»Für Handwerksbetriebe sind wir eine sehr beliebte Anlaufstelle, weil sie bei uns mit einem Besuch alle Materialien entsorgen können«, so der Geschäftsführer. Draußen vor dem Verwaltungsgebäude, dessen Neubau schon geplant ist, stehen wie zum Beweis Transporter und Pritschenwagen mit Bauschutt Schlange, in dem viele verschiedene Rohstoffe stecken. Was dem ehrbaren Handwerk Recht ist, kommt auch Kommunen und den Landkreisen Reutlingen und Tübingen - letztere fahren dann eher den Standort Nehren der Rohstoffverwertung an - gerade passend. Im Prinzip sind auch Privatkunden willkommen, obschon eher eine seltenere Klientel ist.
»Sicher sind wir nicht teurer als die Deponie,« lockt Keim. Wer allerdings erwartet, mit einem kleinen Haufen Schrott aus dem eigenen Keller groß Kasse machen zu können, muss enttäuscht werden. Reichtum ist mit Rohstoffen als Kleinanlieferer nicht zu machen. Finanziell interessant wird's bei Stahl etwa ab 300 Kilogramm, während sich bei Kupfer die Abrechnung erst ab fünf Kilogramm lohnt. Derweil es für einen nennenswerten Geldbetrag mindestens 20 Kilogramm Aluminium sein sollten. Die über den Platz gehenden Mengen sind insgesamt beachtlich, weswegen auch eine zweite Fahrzeugwaage geplant ist.
»Wir machen an den beiden Standorten Reutlingen und Nehren einen Materialumschlag von 5000 Tonnen pro Monat, davon 3500 bis 4000 Tonnen in Reutlingen«, verrät Klaus Keim. Das ist umso überraschender, weil etwa diese filigran gefalteten Bleche aus der Spraydosenproduktion ebenso federleicht wie die Zahnräder aus Aluminium in der Box daneben sind. Sichtbar schwerwiegender ist Gußeisenschrott. Nach der Erfassung folgt die grobe Vorsortierung per Hand oder mit dem Bagger. Insgesamt beschäftigt die Rohstoffverwertung dafür 26 Mitarbeiter. Schließlich gehen die Rohstoffe aus Reutlingen auf den Weg zu ihrer gesetzeskonformen stofflichen Verwertung. »Wir müssen ein riesiges Regelwerk beachten«, seufzt der Geschäftsführer.
Bohrspäne können direkt wieder eingeschmolzen werden, etwa bei den Badischen Stahlwerken in Kehl. Holz wird beim Partnerunternehmen Kaatsch in Plochingen geschreddert und dient der Energiegewinnung oder kommt in die Spanplattenfertigung. Bauschutt landet in Wilsingen auf der Alb bei der Firma Ott. Andere Rohstoffe gehen an Großhändler. Recycling ist dabei ein weit weniger globales Geschäft als manche denken, weil kurze Transportwege bares Geld sind. Aber ein Handel, der auch sehr genau Auskunft über den Zustand der Wirtschaft gibt.
»Wir erkennen recht schnell, ob es unseren Kunden gut oder schlecht geht: an der Menge der entsorgten Materialien. Im Bereich des Maschinenbaus und der Automobilzulieferer haben wir einen Einbruch von bis zu 70 Prozent«, beschreibt Klaus Keim die Auswirkungen der Coronakrise. In anderen Branchen, etwa der Bauwirtschaft, scheint es noch bestens zu laufen. Vor der Pandemie habe sich »die Umschlagmenge stetig gesteigert«. Dies bei einer hohen Wiederverwertungsquote von über 90 Prozent. Gewachsen sei auch das Bewusstsein für den Umweltschutz. Letztlich so wie das Firmenmotto: »Abfall ist Rohstoff am falschen Platz«. (GEA)
Das Reutlinger Abfall-ABC
Das Abfall-ABC der Technischen Betriebsdienste der Stadt Reutlingen zeigt alphabetisch nach Abfall-Kategorien sortiert ausführlich auf, wie Abfälle richtig, umweltfreundlich und kostengünstig entsorgt werden. Informationen zu den Dienstleistungen der Rohstoffverwertung Reutlingen gibt's auf der Website des Unternehmens.