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Sanierung an der Reutlinger Kaiserstraße »K39« beginnt

Es wurde zum berühmten besetzten Haus in Reutlingen. Aus den Besetzern sind längst Eigentümer, sogar Unternehmer geworden. Jetzt starten Sanierungsarbeiten im und am alten Haus in der Kaiserstraße.

Das besetzte Haus in der Reutlinger Kaiserstraße 39 im Jahr 2021. Hier entstanden die Pläne für neue Wohnungen. Vier Jahre späte
Das besetzte Haus in der Reutlinger Kaiserstraße 39 im Jahr 2021. Hier entstanden die Pläne für neue Wohnungen. Vier Jahre später ist das Haus längst nicht mehr besetzt und Oberbürgermeister Thomas Keck konnte die Frage auf dem Banner beantworten. Foto: Markus Niethammer
Das besetzte Haus in der Reutlinger Kaiserstraße 39 im Jahr 2021. Hier entstanden die Pläne für neue Wohnungen. Vier Jahre später ist das Haus längst nicht mehr besetzt und Oberbürgermeister Thomas Keck konnte die Frage auf dem Banner beantworten.
Foto: Markus Niethammer

REUTLINGEN. Es tut sich was im alten und ziemlich heruntergekommenen Haus in der Reutlinger Kaiserstraße. Die Sanierungsarbeiten in der Nummer 39, auch kurz K39 genannt, beginnen am Wochenende. »Im Innern fangen wir mit der Entkernung an,« berichtet Annika Janisch, vom »Fanclub Kollektives Eigenheim« (FCK), der Eigentümerfirma, die als Verein firmiert. »Entkernung bedeutet zunächst das Herausreißen von alten Leitungen, Fußbodenbelägen oder beispielsweise die Entfernung alter Fliesen und Kacheln«, gibt sie einen Einblick in die jetzt anstehenden Arbeiten.

Außerdem soll ab der kommenden Woche auch die Fassade professionell angegangen werden. Eine Reutlinger Zimmerei beginnt hier zunächst mit hochmodernen Methoden eine digitale Vermessung: "Zunächst wird eine sogenannte digitale Punktwolke vom Gebäude erstellt", erklärt Frederike Geissler von der Syndikat Zimmerei AG. "Das bedeutet, vereinfacht erklärt, die Fassade mit all ihren Fenstern wird von Laserscannern erfasst. Dann wird aus den vielen registrierten Punkten ein digitales 3D-Modell im Computer erstellt und anhand dieses Modells wird in unserer Werkstatt eine neue Außenwand auf Holzbasis gebaut", so Geissler. "Diese kommt dann Stück für Stück vor die bestehende alte Fassade", erklärt sie. Hinzu komme eine moderne Wärmedämmung mit allem, was dazu gehöre, und abschließend könne die so neu erstellte Fassade einen finalen Putz erhalten.

Ein Blick in einen Innenraum von K39. Alte Heiztechnik, alter Fußboden, altes Fenster, alte Leitungen. Das kommt alles raus.
Ein Blick in einen Innenraum von K39. Alte Heiztechnik, alter Fußboden, altes Fenster, alte Leitungen. Das kommt alles raus. Foto: Stephan Zenke
Ein Blick in einen Innenraum von K39. Alte Heiztechnik, alter Fußboden, altes Fenster, alte Leitungen. Das kommt alles raus.
Foto: Stephan Zenke

Im Inneren des Gebäudes werden parallel zahlreiche andere Gewerke begonnen. »Das Haus bekommt ein neues Dach, neue Leitungen und Rohre für Strom und Wasser. Dann folgt die Dämmung, eine Wärmepumpe als Heizung und Fotovoltaik auf dem Dach«, zählt Annika Janisch nur die wichtigsten Dinge auf, mit denen das jahrzehntealte Haus ausgestattet werden soll.

Das Ende des hässlichen Entleins in der Reutlinger Kaiserstraße ist damit eingeläutet. Entstehen könnte ein Schwan, vielmehr ein hochmodernes Mietshaus, bestehend aus sechs Wohnungen auf drei Etagen für insgesamt wohl zwölf Bewohnerinnen und Bewohner. »Fünf Zimmer in den geplanten WG-Wohnungen sind noch frei«, verkündet Janisch.

Klares Ziel vom »Syndikat« war von Beginn an, günstigen Mietraum nach jahrelangem Leerstand zu schaffen. Das Haus soll dauerhaft dem Wohnungsmarkt und den damit verbundenen Preisen entzogen werden. Zum alternativen Wohnkonzept gehört auch eine Miete weit unterhalb des Üblichen: »Angedacht waren einmal neun Euro Miete pro Quadratmeter, aber dann kam die Inflation und noch so einiges mehr. Wir können diesen Preis nicht mehr halten. Er wird aber auf jeden Fall unter den marktüblichen Preisen für Mieten in der Reutlinger Innenstadt liegen«, verspricht Janisch.

So sieht es hinter dem sanierungsbedürftigen Haus in der Kaiserstraße aus. Wo vorher das Haus mit der Nummer 41 stand, ist jetzt
So sieht es hinter dem sanierungsbedürftigen Haus in der Kaiserstraße aus. Wo vorher das Haus mit der Nummer 41 stand, ist jetzt eine Brachfläche. Hier soll ein Garten entstehen und »Urban Gardening« betrieben werden. Foto: Ralf Rittgeroth
So sieht es hinter dem sanierungsbedürftigen Haus in der Kaiserstraße aus. Wo vorher das Haus mit der Nummer 41 stand, ist jetzt eine Brachfläche. Hier soll ein Garten entstehen und »Urban Gardening« betrieben werden.
Foto: Ralf Rittgeroth

Doch wie wird das alles finanziert? »Die Finanzierung steht. Recht solide sogar«, so Timo Widmaier vom FCK. Die könne auch jeder einsehen und sei deshalb vereinfacht auf der Internetseite der Firma dargestellt. »Eine Säule der Finanzierung ist das Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) über eine Million Euro. Die andere Säule besteht aus Direktkrediten unserer Unterstützer, die mit einem Prozent verzinst werden«, erklärt Widmaier. Die nötige Summe von rund zwei Millionen Euro sei so gut wie erreicht. Seit Januar sind noch 30.000 Euro an Direktkrediten hinzugekommen und die jetzt noch fehlenden 100.000 Euro bekäme man auch noch zusammen, so Widmaier. Deshalb auch der jetzige Startschuss für die Arbeiten.

Nicht nur mit den Handwerksleistungen solle jetzt begonnen werden, berichten Janisch und Widmaier, auch im Hinterhof dürfte sich demnächst so einiges tun: »Hier wollen wir mit dem Urban Gardening beginnen, das für alle offensteht«, kündigt Janisch an. Dort, wo bis vor Kurzem noch das baufällige Haus mit der Nummer 41 stand, ist jetzt eine Brachfläche. Nackter Erdboden prägt die Rückseite von K39.

»Wir haben das Grundstück gepachtet und wollen es für alle zugänglich machen. Leute, die Teil der ganzen Sache sein möchten, können hier gärtnern. Sie können beispielsweise Gemüse anbauen oder Insektenhotels aufstellen«, blickt sie in die Zukunft. Das Stückchen Land in der Kaiserstraße solle aber mehr sein: »Ich kann mir eine grüne Oase vorstellen, die gleichzeitig eine Begegnungsstätte sein könnte. Da könnten auch Stadtgartenpartys stattfinden«, so Janisch. Es gebe auf der jetzigen Brachfläche noch jede Menge Spielraum. (GEA)