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Aktuell Wohnen

Runter von den hohen Wohnbau-Kosten in Reutlingen

Beim neuen VHS-Format »StreitBar« ging es am Mittwochabend um das Thema Wohnen. Oberbürgermeister Thomas Keck und VHS-Geschäftsführer Ulrich Bausch im Gespräch mit Besuchern.

Oberbürgermeister Thomas Keck (links) und VHS-Geschäftsführer Ulrich Bausch diskutierten in der »StreitBar« über das Thema Wohne
Oberbürgermeister Thomas Keck (links) und VHS-Geschäftsführer Ulrich Bausch diskutierten in der »StreitBar« über das Thema Wohnen. Foto: Carola Eissler
Oberbürgermeister Thomas Keck (links) und VHS-Geschäftsführer Ulrich Bausch diskutierten in der »StreitBar« über das Thema Wohnen.
Foto: Carola Eissler

REUTLINGEN. Für Oberbürgermeister Thomas Keck ist die Wohnungsfrage die entscheidende soziale Frage unserer Gesellschaft. Am Mittwochabend ging es deshalb in der »StreitBar«, dem neuen Format der Volkshochschule, im Gespräch mit dem OB und dem VHS-Geschäftsführer Ulrich Bausch sowie Besuchern unter dem Titel »Reutlingen – Wohnen im Fokus« um Wohnen in der Kreisstadt, um Mietpreise, sozialen Wohnraum, Leerstände, aber auch um Konzepte gegen die Wohnungsnot in Reutlingen. Angesichts der Brisanz und Bedeutung des Themas hätten sich die Veranstalter sicherlich mehr Besucher gewünscht. Aber umso lebendiger diskutierten und debattierten die Anwesenden mit.

In Reutlingen ist der Wohnungsmarkt äußerst angespannt. »Hier ist in den vergangenen 25 Jahren zu wenig gebaut worden«, ist Thomas Keck überzeugt. Gleichzeitig sei man in der gesamten Republik aus dem sozialen Wohnungsbau ausgestiegen, was sich jetzt negativ auswirke. Auch deshalb, weil viele Wohnungen nunmehr aus der Sozialbindung herausfallen. Parallel dazu entstehen immer mehr Haushalte. Allein in Reutlingen sind 42,5 Prozent Ein-Personen-Haushalte, 73 Prozent Ein- und Zwei-Personen-Haushalte.

Ungebrochen hohe Nachfrage

Der Andrang bei der GWG auf bezahlbaren Wohnraum ist ungebrochen hoch, derzeit gibt es 3.500 Nachfragen. Keck verwies darauf, dass man noch in der ersten Dekade der 2000er-Jahre davon ausging, dass die Bevölkerung in der Bundesrepublik schrumpfe, dass Wohnungsbestände gar nicht mehr gebraucht würden. Eine Fehleinschätzung, wie man heute angesichts der Zuwanderung weiß. Dennoch gab Ulrich Bausch zu bedenken, dass laut Statistik in der Bundesrepublik 42 Millionen Wohnungen zur Verfügung stehen. »Das müsste doch bei einer Bevölkerungszahl von 83 Millionen reichen.« Er beklagte, dass junge Familien mit Durchschnittseinkommen in Reutlingen keinen bezahlbaren Wohnraum finden. Und dass auch Firmenchefs keine Fachkräfte anlocken können, weil diese eben keine Mietwohnungen in der Stadt finden. »Das höre ich immer wieder aus den Firmen heraus.« Betroffen von den hohen Mietpreisen sind auch Senioren mit schmalen Renten.

1.400 Wohnungen will Reutlingen in den kommenden acht bis zehn Jahren bauen. Keck listete die aktuellen Wohnbauprojekte auf, so zum Beispiel in der Christophstraße mit 154 Wohneinheiten oder die Schieferterrassen, wo 350 Wohneinheiten entstehen sollen. »Wir starten durch.« Allein im vergangenen Vierteljahr habe er fünf Spatenstiche für Wohnbau vollzogen, so Keck. Hierbei hob er die Bedeutung der GWG für die Stadt und den Wohnungsmarkt hervor: »Die GWG ist ein Kleinod.« Deren Wohnungsbestand liegt derzeit bei 7.500 Wohneinheiten und die seien in Top-Zustand. Kritik gab es derweil von zwei Besuchern an der Vorgehensweise für das Ypern-Areal, wo Planungen vorlagen, die dann aber wieder gecancelt wurden. »Das hätte ein Leuchtturm-Projekt werden können.« Keck räumte ein, das Beispiel Ypern-Areal sei sehr dramatisch. Es habe aber eine enorme Verteuerung gegeben.

Problem Leerstände

Einig waren sich Bausch und Keck, dass der Wohnbau in Deutschland viel zu teuer sei. Hier brachten sie Vergleichszahlen aus Österreich. »Die Österreicher bauen den Quadratmeter für 3.500 Euro und wir sind bei über 5.000 Euro«, beklagte Bausch. Jetzt soll durch den neuen Koalitionsvertrag der neue Gebäudetyp E möglich werden. Das bedeutet, dass eine Leitung auch mal oberirdisch geführt werden kann, dass Zimmerdecken vier Zentimeter dünner sein können. Mehr Standard also, weniger Luxus. »Das liest sich toll«, bewertete Keck. Allerdings habe er gelernt, nur das zu glauben, was er dann auch sehe. Er will deshalb abwarten, ob das, was im Koalitionsvertrag steht, auch umgesetzt werde. Klar sei jedoch, dass man in Deutschland von diesen exorbitant hohen Baukosten heruntermüsse. »Bauen in Deutschland ist viel zu teuer. Da muss etwas passieren«, pflichtete Bausch bei. Punktuell wird dies in Reutlingen bereits versucht. Zum Beispiel mit einem Quartiersparkhaus am Bauprojekt Christophstraße, sind doch die klassischen Tiefgaragen-Stellplätze enorme Preistreiber.

Kopfzerbrechen bereiten dem Oberbürgermeister auch die Leerstände, vor allem in der Altstadt. »Das frustriert mich wirklich.« Auch wenn Reutlingen mit einer Leerstandsquote von 3,3 Prozent, das sind momentan 1.870 Wohneinheiten, noch unter dem Landesdurchschnitt liegt. Dennoch gebe es zahlreiche Immobilien, vor allem in der Wilhelmstraße, wo das Erdgeschoss mit einem Laden belegt sei, der Rest des Hauses stehe leer. Man habe bereits etliche Angebote gemacht, könnte auch die Vermietungen über die GWG laufen lassen. Aber es gelinge nicht, die Eigentümer zu überzeugen, beklagt Keck. Die Gründe sind vielschichtig. Nicht selten befinden sich die Häuser in der Hand von Erbengemeinschaften, manche wohnen überhaupt nicht mehr in der Region und hätten keinerlei Interesse an der Belegung der Wohnungen. Auch Bausch berichtete von seinem Wohnort, wo 24 Eigenheime leer stehen. Keck hierzu: »Die Stadt hat momentan keinerlei Handhabe, etwas zu ändern.«

Baulücken schließen

Mit einem ganzen Maßnahmenpaket will Reutlingen gegen die Wohnungsnot angehen. Dazu habe auch entscheidend die Neuausrichtung der GWG beigetragen, sagte Keck. Die Stadt will einen neuen Anlauf nehmen, um Baulücken, derzeit sind es 800, zu schließen. Gleichzeitig fordert Keck, Genehmigungsverfahren zu entschlacken und das Baurecht maximal zu verschlanken. Und dann gab es aus der Runde der Diskutierenden auch noch den Vorschlag, Senioren, die in großen Wohnungen oder Eigenheimen wohnen, kleinere Wohnungen anzubieten. So könnten in die großen Häuser Familien einziehen. Nur: Wo gibt es diese Wohnungen für Senioren? Und: Viele Senioren würden sich zwar verkleinern, wollen aber nicht aus ihrer Nachbarschaft und ihrem sozialen Umfeld wegziehen. Ein komplexes Thema, dessen Lösung nicht einfach ist, wie sich auch bei der »StreitBar« zeigte.

Oberbürgermeister Thomas Keck jedenfalls setzt seine Hoffnung auch in die neue Bundesbauministerin Verena Hubertz von der SPD. Ihr habe er bereits zum Amtsantritt gratuliert, sagte er. Vielleicht sei sie ja aufgeschlossener für die Anliegen der Stadt Reutlingen als ihre Vorgängerin. »Und vielleicht bekommen wir ja etwas ab von den 500 Milliarden Sondervermögen Infrastruktur.« Er bleibe jedenfalls dran, versprach Keck. (GEA)