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Reutlinger Weihnachtsmarkt: Ärger um GEMA-Gebühren

Alle Jahre wieder werden Klagen laut, dass die GEMA überzogene Forderungen stellt. Besonders betroffen sind Weihnachtsmärkte - deren Umsetzung mit Livemusik wird dadurch immer schwieriger. Die Reutlinger StaRT-Chefin Anna Bierig kritisiert die Haltung der GEMA.

Hier spielt die Musik: Der Weihnachtspark mit Eislaufbahn vor der Stadthalle, in dem Livemusik angeboten wird.
Hier spielt die Musik: Der Weihnachtspark mit Eislaufbahn vor der Stadthalle, in dem Livemusik angeboten wird. Foto: Steffen Schanz
Hier spielt die Musik: Der Weihnachtspark mit Eislaufbahn vor der Stadthalle, in dem Livemusik angeboten wird.
Foto: Steffen Schanz

REUTLINGEN. Alle Jahre wieder erschrecken die Macher von Weihnachtsmärkten, wenn sie einen Blick in die Tariftabellen der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) werfen. Denn schnell kommen da vier- bis fünfstellige Summen zusammen, die man berappen muss, wenn man Musik spielen lässt. Die Stadt Nürnberg mit ihrem berühmten Christkindlesmarkt kritisiert die Verwertungsgesellschaft offen dafür: Nahezu 30.000 Euro müsse sie für weihnachtliche Weisen löhnen. Das sei weder nachvollziehbar noch kooperativ, klagte Nürnbergs Wirtschaftsreferentin Andrea Heilmaier (CSU) in einem Interview. Die Stadt Erfurt will sogar gerichtlich gegen die GEMA vorgehen, nachdem die die Gebühren von 30.000 im Jahr 2024 auf 80.000 Euro in diesem Jahr erhöht hat.

Also nie wieder Wham, Rolf Zuckowski oder Maria Carey? Stattdessen nur die alten Klassiker, deren Urheber längst verschieden sind, oder GEMA-freie Stücke? Oder werden es komplett stille Nächte, in der nur das leise Rieseln des Schnees zu hören ist? Viele Städte haben sich bereits für einen musikfreien Weihnachtsmarkt oder zumindest stille Tage entschieden, um Kosten zu sparen.

»Wir wissen nicht, was da auf uns zukommt, aber wir fürchten das Schlimmste«

So weit ist man in Reutlingen glücklicherweise noch nicht: Im Bürgerpark spielen jedes Wochenende mehrere Bands auf, ab und zu auch unter der Woche. Jedes Lied und jede Band, jeden Chor oder Musikverein haben die Veranstalter der GEMA gemeldet, sagt Vildana Vohrer von der Markt-Werk-Stadt, ordnungsgemäß hätten sie die Fläche berechnet und alles eingereicht. Die Gebühren seien im Vergleich zum Vorjahr laut Tarifrechner nur minimal gestiegen. Es sei zwar ein stattlicher Posten, aber machbar. Allerdings kam kurz darauf ein Antwortschreiben von der GEMA, in dem diese mitteilt, dass sie selbst recherchieren und alles nachprüfen werde. Eine Ankündigung, die sich beinahe bedrohlich anhört. »Wir wissen nicht, was da auf uns zukommt«, sagt Vildana Vohrer, »aber wir fürchten das Schlimmste«.

Eine Sorge, die nicht unbegründet scheint. Denn oft sind es tatsächlich die Weihnachtsmärkte, die von der Verwertungsgesellschaft GEMA besonders zur Kasse gebeten werden. Das liegt zum einen an der Berechnungsgrundlage, die seit einigen Jahren abhängig ist von der Fläche und der Anzahl an Veranstaltungstagen. Die Länge des Marktes berechnet die GEMA vom ersten bis zum letzten Stand, die Breite von Häuserwand zu Häuserwand - unabhängig davon, wo die Musik spielt. Die nächste Härte, die diese Märkte trifft ist, dass ab dem ersten Lied ein kompletter GEMA-Tag fällig wird.

»Eine Durchführung von traditionellen Weihnachtsmärkten, wie sie ehemals stattfanden, ist nicht mehr möglich«

Das bedeutet, ein Tag Weihnachtsmarkt mit dem Kurz-Auftritt eines Chors kostet gleich viel wie ein ganzer Veranstaltungstag auf einem sommerlichen Stadtfest, bei dem von nachmittags bis Mitternacht abgerockt wird. »Daher wird ein eigener Tarif für Weihnachtsmärkte beziehungsweise ein Nachlass auf die bestehende Regelung gefordert«, erklärt Anna Bierig, Chefin vom Reutlinger Stadtmarketing. Allerdings hat die GEMA in dieser Frage noch kein Entgegenkommen signalisiert.

Eine der traurigen Folgen: »Eine Durchführung von traditionellen Weihnachtsmärkten, wie sie ehemals stattfanden, ist nicht mehr möglich, da sie so wirtschaftlich nicht mehr realisierbar sind«, erklärt Anna Bierig. Bläsergruppen oder Kinderchöre, die vor einzelnen Ständen aufspielen, gibt es kaum mehr. Weihnachtliche Weisen aus dem Lautsprecher vernimmt man genauso wenig.

»Wir können unsere Programme und Inhalte nicht von der GEMA-Gebühr beeinflussen lassen«

In Reutlingen konzentriert sich das komplette musikalische Geschehen zwischenzeitlich auf den Bürgerpark, aus einem Weihnachtsmarkt wurden zwei: Die Stände in der Wilhelmstraße, rund um die Marienkirche und bis zur Glühweinpyramide auf dem Marktplatz bilden den einen Markt. Der zweite Weihnachtsmarkt im Bürgerpark ist in diesem Jahr klar abgegrenzt und dauert deutlich länger - nämlich bis 6. Januar. Denn die komplette Fläche wäre überhaupt nicht bezahlbar, betont Vildana Vohrer, wenn die Gebühren bis in den fünfstelligen Bereich klettern, könne sich das keiner mehr leisten. Zumal man nur einen kleinen Teil dieser Kosten an die Marktbeschicker weitergeben könne, das Gros bezahlen die Veranstalter.

Die GEMA und ihre Tarifpolitik ist auch für die Stadt ein bekanntes Thema: Sie muss regelmäßig Gebühren abführen - nämlich bei jeder Veranstaltung, bei der GEMA-pflichtige Musik gespielt wird. Man sei ständig in Kontakt mit der Gesellschaft, erklärt Kulturamtsleiterin Anke Bächtiger, was auch herausfordernd sei. Vermeiden lassen sich diese Gebühren kaum, sagt Bächtiger auf Nachfrage des GEA, »Wir können unsere Programme und Inhalte nicht von der GEMA-Gebühr beeinflussen lassen«.

»Das ist schade, denn wir engagieren bewusst regionale Künstler, die wir unterstützen wollen.«

Da wundert es nicht, dass es »eine Vielzahl von Protesten gibt«, wie Anna Bierig berichtet. Musikveranstalter, aber auch kommunale Spitzen- und Marketingverbände haben sich frühzeitig um Gespräche mit der GEMA bemüht in der Frage der Beschallung der Weihnachtsmärkte. Ob sich fürs kommende Jahr etwas verbessert, bleibe völlig offen und ist nicht abschätzbar, sagt Bierig. Einfluss zu nehmen auf die GEMA ist unmöglich. Sie »kann selbstständig und ohne Rücksprache über Gebühren, Tarife und Rabatte entscheiden und sie jederzeit ändern«, so Bierig.

Die GEMA: Kurz erklärt

»GEMA« bedeutet »Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte«. Es ist eine Verwertungsgesellschaft, also die Treuhänderin, von mehr als 95.000 Mitgliedern. Die Mitglieder sind Komponisten, Textdichter, Musikverleger oder deren Rechtsnachfolger. Die GEMA sorgt dafür, dass die Urheber von Musik entlohnt werden, wenn ihre Werke gespielt werden.
Die Preise berechnen sich je nach Art der Nutzung und der Veranstaltung. Es gibt rund 55 unterschiedliche Tarife für die Radiomusik im Reisebus bis zum Großkonzert vor dem Brandenburger Tor. Immer wenn öffentlich Musik gespielt wird, ob in der Fabrikkantine, der Disko oder auf einem Weihnachtsmarkt, erhebt die GEMA Gebühren, die sie an ihre Mitglieder weitergibt - abzüglich eines Verwaltungskostenbeitrags.
Kritik an der GEMA wird immer wieder aus unterschiedlichen Gründen laut. Zum einen, da es wenig Verhandlungsspielraum gibt, beispielsweise, wenn Kommunen oder Vereine im Ehrenamt Veranstaltungen anbieten. Und bei Märkten und Stadtfesten sind die Gebühren drastisch nach oben gegangen, da immer die komplette Fläche berechnet wird und nicht nur die Fläche vor einer Bühne. Die GEMA verweist darauf, dass sie die Urheberrechte wahrnimmt und dafür sorgt, dass sie fair entlohnt werden (awe)

Und das mit negativen Folgen für alle. »Die aktuelle Haltung der GEMA schadet nicht nur den Veranstaltern, den Bürgerinnen und Bürgern, die unsere traditionellen Weihnachtsmärkte schätzen, sondern auch den vielen lokalen und regionalen Chören und ehrenamtlichen Musikern, die üblicherweise auf den Weihnachtsmärkten auftreten«, verdeutlicht Bierig.

Auch Vildana und Clemens Vohrer sind gespannt, was da in Sachen GEMA noch auf sie zukommt. Die Fläche, auf der Veranstaltungen stattfinden, sei klar berechnet worden, betont Vildana Vohrer. Das Verhalten der GEMA stuft auch sie als kontraproduktiv ein. Es schade nicht nur dem Markt und den Besuchern, sondern auch den Musikern, die dann wegen steigender Kosten seltener Auftritte bekommen. »Das ist schade, denn wir engagieren bewusst regionale Künstler, die wir unterstützen wollen.« (GEA)