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Reutlinger wird 103 Jahre alt - und ist noch topfit

Ein außergewöhnliches Alter erreichte Josef Szajowski diese Woche. Der 103-Jährige versorgt sich und seine Frau , fährt Auto und geht spazieren. Oberbürgermeister Thomas Keck gratulierte zum Geburtstag.

Josef Szajowsi bekommt einen Blumenstrauß zum 103. Geburtstag.
Josef Szajowsi bekommt einen Blumenstrauß zum 103. Geburtstag. Foto: STEFFEN SCHANZ
Josef Szajowsi bekommt einen Blumenstrauß zum 103. Geburtstag.
Foto: STEFFEN SCHANZ

REUTLINGEN: Mit einem »Plopp« schießt der Jubilar den Korken eines edlen Crémants gegen die Decke. Wer den geschickten Josef Szajowski beim Einschenken beobachtet, kann kaum glauben, dass er seinen 103. Geburtstag feiert. Charmant und umsichtig bewirtet er seine Gäste. Darunter Oberbürgermeister Thomas Keck und Vertreter der lokalen Medien. Mit dabei außerdem: seine 15 Jahre jüngere Frau Miroslawa.

Nachdem sich deren Gesundheitszustand in jüngster Zeit verschlechtert hat, schmeißt der 103-Jährige den Haushalt vollständig alleine. Kochen, Waschen, Putzen – für Szajowski ist all das kein Problem. Auch den Führerschein hat er noch nicht abgegeben. Obwohl er mit seinem gelben Flitzer mittlerweile nur noch in Reutlingen zum Einkaufen unterwegs ist und keine langen Touren mehr unternimmt.

Leben gleicht Achterbahnfahrt

Szajowskis Leben gleicht einer Achterbahnfahrt. 1922 erblickte er in Lwiw, in der heutigen Ukraine, das Licht der Welt. Nachdem er im Zweiten Weltkrieg in ein Arbeitslager umgesiedelt worden war, managte er unterschiedliche polnische Werften und war außerdem als Technischer Zeichner tätig. Anschließend zog es ihn nach Reutlingen, wo er ein modernes Controllingsystem beim Unternehmen Prettl eingeführt hat.

Zu einem Zeitpunkt, an dem die meisten Arbeitnehmer allmählich an ihre Rente denken, arbeitete er noch knapp drei Jahrzehnte weiter: bis zum stolzen Alter von 91. Dabei ist er fast ausnahmslos mehrere Kilometer zu seiner Arbeitsstelle nach Pfullingen zu Fuß gegangen.

Der Blick aus dem Fenster seines Esszimmers über die Rennwiese erinnert Szajowski an seine sportliche Vergangenheit: Skifahren, Fitnessstudio und vor allem sein geliebtes Tennis. Vor einigen Jahren trat er, damals 95-jährig, in einem Tennisspiel gegen GEA-Redakteurin Ulrike Glage an – und unterlag knapp. Die ersehnte Revanche ist allerdings ausgeblieben. Denn mit 100 legte der Senior den Schläger endgültig beiseite, da seine Augen nicht mehr so richtig mitmachen wollten.

Vermissen tut er seinen Lieblingssport sehr – auch weil viele seiner einstigen Sportkameraden bereits verstorben sind. Derweil sich Josef Szajowski stabiler Gesundheit erfreut. Einzig eine Macula-Degeneration am Auge beeinträchtigt ihn ein wenig im Alltag. Dafür ist der Altersjubilar aber noch vergleichsweise gut zu Fuß – auch wenn er mittlerweile seltener im Markwasen unterwegs ist. Früher hat er hier oft und ausdauernd seinen Hund Spazieren geführt. Nach dessen Tod waren es die Vierbeiner von Bekannten, mit denen er hier Gassi-Runden drehte. Das hat ihn zweifellos fit gehalten; und auch heute noch fühlt sich Josef Szajowski »absolut wohl«.

Gerne hält er regelmäßigen Kontakt zu seinen Töchtern Madeleine und Barbara in Kalifornien und Schweden. Auch wenn sich die Wahl-Amerikanerin und ihr Papa politisch nicht immer einig sind: »Du hast deine Meinung, ich habe meine Meinung, also brauchen wir nicht streiten«, sagt er dann. Stolz erzählt er auch von seinen sechs Enkeln und vier Urenkeln.

Szajowski verfolgt nach wie vor das Weltgeschehen mit offenen Augen und Ohren. Im Umgang mit digitalen Geräten ist er ebenfalls geübt, die Tageszeitung, Magazine und Talkshows führt er sich online zu Gemüte. Mit dem Oberbürgermeister unterhält sich der Jubilar lebhaft über aktuelle politische Entwicklungen und verrät, dass er die deutsch-polnischen Beziehungen mittlerweile als gut einschätzt.

Der 103-jährige Szajowski ist nicht nur am Puls der Zeit, sondern erinnert sich auch noch glasklar an historische Ereignisse. Beim Blättern in einem Fotoalbum erzählt er Keck von seiner Begegnung mit dem ehemaligen Bundesminister Herbert Wehner. Die beiden verfallen in eine angeregte Diskussion über Willy Brandts Kanzlerschaft, bis Thomas Keck schließlich über die Reutlinger Partnerstädte berichtet.

Auch Szajowski ist in seinem Leben viel rumgekommen. An das erste Mal, als er mit seiner Frau in Paris war, kann er sich noch gut erinnern: »Ich genoss die Freiheit«. Der Zentenar ist Zeitzeuge von fünf politischen Systemen. Die marktwirtschaftliche Demokratie hat er am Liebsten: »Ich glaube, das, was man hier hat, ist das Beste, was man haben kann«.

Gymnastik und Zufriedenheit

Das Wichtigste im Leben sei für ihn Zuverlässigkeit, so Szajoswki, denn »dann weiß man, was man erwarten kann«. Mit seinen Hanteln trainiert der 103-Jährige jeden Tag 15 bis 20 Minuten, absolviert außerdem Gymnastikübungen. Viel Bewegung, sagt er, sei sein persönlicher Jungbrunnen: für Körper und Geist. Auch im Kopf ist der Jubilar nämlich erstaunlich fit. Seine Bankgeschäfte regelt er komplett online. Wenn etwas mal nicht klappt mit der Technik, nimmt er telefonische Beratung in Anspruch.

Was das Geheimnis seines langen Lebens ist? Da muss Szajowski lange überlegen. »Ich war überwiegend zufrieden mit mir«. Spaß an der Arbeit sei wichtig: »Ich war fleißig, aber nie verbissen«. Seine Devise ist: »Leben und leben lassen«.

Es mache ihn traurig, dass es »irgendwann mal zu Ende geht«, trotzdem sei er zufrieden damit, bislang »einigermaßen fit geblieben und nicht erkrankt« zu sein. Der 103-Jährige habe sich nicht unbedingt immer geschont: Er habe gelebt, aber in Maßen. Und weiter: »Ich leide nicht, deshalb will ich weiter leben«. Das Wichtigste sei jetzt, dass seine Frau wieder auf die Beine komme. »Ich würde gerne wieder mit ihr Essen gehen«: Das ist sein wichtigster Wunsch. (GEA)