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Aktuell Prozess

Reutlinger verletzt Bekannten mit neun Schüssen aus einer Druckluftpistole schwer

Der 23-jährige Täter aus Reutlingen muss sich seit gestern wegen versuchten Totschlags vor dem Tübinger Landgericht verantworten. Ist der Angeklagte wegen einer Psychose möglicherweise nicht schuldfähig?

Wegen versuchten Totschlag muss sich ein womöglich psychisch kranker 23-Jähriger aus Reutlingen vor dem Tübinger Landgericht ver
Wegen versuchten Totschlag muss sich ein womöglich psychisch kranker 23-Jähriger aus Reutlingen vor dem Tübinger Landgericht verantworten. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Wegen versuchten Totschlag muss sich ein womöglich psychisch kranker 23-Jähriger aus Reutlingen vor dem Tübinger Landgericht verantworten.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

REUTLINGEN. Neunmal hatte der 23-jährige Reutlinger mit einer Druckluftpistole auf einen Bekannten geschossen. Er traf ihn am Arm, am Schulterblatt, an der Brust und am Hinterkopf. Schwerverletzt kam der Mann in die Notaufnahme des Reutlinger Krankenhauses und musste operiert werden. Er überlebte. Warum der 23-Jährige am 21. März 2024 die Schüsse in einer Wohnung in Reutlingen abgab, versucht seit Montag das Tübinger Landgericht zu klären. Ein nicht leichtes Unterfangen.

Die Aussagen des Angeklagten am ersten Verhandlungstag waren sehr dürftig und teilweise seltsam. Fast auf jede Frage des Vorsitzenden Richters Armin Ernst zur Tat erklärte der 23-Jährige: »Ich kann mich nicht erinnern.« Er behauptete, nicht mehr zu wissen, ob er Wut auf seinen Bekannten gehabt habe, warum er sich eine Luftdruckpistole gekauft und Zielschießen in seiner Wohnung geübt habe und warum er sich bei seiner Festnahme so heftig gewehrt und die Polizeibeamten bedroht und beleidigt habe.

Pistole gezogen und sofort geschossen

Das Opfer dagegen kann sich an den schrecklichen Moment am 21. März in der Reutlinger Wohnung noch sehr gut erinnern. Als der 23-Jährige vor ihm gestanden sei, habe der sofort die Pistole gezogen, nur gesagt, »kuck mal, was ich da habe« und geschossen. Danach sei nur »psychotisches Geschwätz« gekommen. Der Angeklagte habe irgendetwas von Dekorationen für Techno-Partys gefaselt, aber »ich hab nicht gecheckt, was der überhaupt will«.

Nach seiner Festnahme fantasierte der 23-Jährige, dass er der Kronprinz von Saudi-Arabien sei und unter dem Schutz der roten Sonne stehe. Auch vor dem Haftrichter und später im Justizvollzugskrankenhaus auf dem Hohenasperg wiederholte er diese Fantasie, doch heute will der Angeklagte davon nichts mehr wissen.

Staatsanwalt Florian Fauser geht allerdings laut Anklageschrift davon aus, dass der 23-Jährige psychisch krank ist und für die Allgemeinheit eine Gefahr darstellt. Bei der Tat sei der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen. Fauser ist davon überzeugt, dass der 23-Jährige an einer drogeninduzierten Psychose leidet.

Angeklagter hält sich für gesund

Seit fast acht Monaten ist der Angeklagte inzwischen im Zentrum für Psychiatrie in Bad Schussenried untergebracht. Im Prozess vor dem Tübinger Schwurgericht geht es deshalb auch darum, ob der 23-Jährige weiter in der Psychiatrie bleiben muss. Dazu soll der Sachverständige Dr. Thomas Ethofer etwas sagen. Der Tübinger Psychiater war am Montag sehr überrascht, was der Angeklagte vor Gericht alles von sich gab. Einiges, was der 23-Jährige ihm bei der Begutachtung erzählt hat, wollte der Angeklagte plötzlich nicht mehr wissen. »Das müssen Sie falsch verstanden haben«, meinte der nur.

Er sei auch »jetzt gesund«, gab der 23-Jährige von sich. In der Psychiatrie bekomme er keine Medikamente mehr. Die seien sowieso nicht gut für ihn gewesen, »jetzt geht es mir besser«. Was er für Pläne habe, fragte Richter Ernst. »So schnell wie möglich raus aus der Psychiatrie«, erklärte der Angeklagte. Er brauche auch keine Drogentherapie.

Im Gerichtssaal

Gericht: Armin Ernst (Vorsitzender Richter), Benjamin Meyer-Kuschmierz, Julia Merkle. Staatsanwalt: Florian Fauser. Verteidiger: Matthias Hunzinger. Sachverständige: Frank Wehner, Thomas Ethofer.

Wie er über die Tat denke, wollte der Richter schließlich noch wissen. Er könne sich ja an nichts mehr erinnern, ließ der Angeklagte verlauten, deshalb mache er sich keine Sorgen und: »Ich fühle mich nicht schlecht«.

Mit dem Rauskommen wird es sicherlich für den 23-Jährigen aber nicht so einfach sein. Im Oktober 2023 hat er nämlich schon einmal eine ähnliche Tat begangen. Damals soll er in einer anderen Wohnung in Reutlingen nach einem Streit mit einer Reizgaspistole auf seinen Kontrahenten geschossen und Tage später einen anderen Bekannten mit einem Messer schwer an der Hand verletzt haben. Auch daran kann sich der Angeklagte nicht mehr erinnern.

Dieses Verfahren war beim Amtsgericht in Reutlingen anhängig. Es wurde jetzt in Tübingen mit der Anklage wegen des versuchten Totschlags im März 2024 verbunden. Der Prozess wird am 12. November fortgesetzt. (GEA)