REUTLINGEN. Demenz ist eine Krankheit, unter der vorwiegend ältere Menschen leiden. Doch Hunde und Katzen können genauso daran erkranken. Laut einer Studie ist jeder vierte Hund ab dem Alter von 12 Jahren davon betroffen. Das bestätigt auch Tierärztin Dr. Sonja Gorissen aus Reutlingen. Sie behandelt unter anderem solche Patienten in der Kleintierpraxis Dr. Roth. Manch einer könnte sich fragen, weshalb Tierdemenz in der Vergangenheit kaum thematisiert wurde. »Wir wissen inzwischen mehr über die Erkrankung, weil Haustiere älter werden.«
Das liege zum einen an der besseren medizinischen Versorgung: In der Tiermedizin werde mehr unternommen als früher, um Haustiere so lange wie möglich am Leben zu halten. »Heutzutage tendieren Tierbesitzer dazu, auch aufwendigere Eingriffe im hohen Alter an ihren Lieblingen machen zu lassen.« Zum anderen spielen »das qualitativ bessere Futter, die Pflege und der Stellenwert des Hundes eine wichtige Rolle. Menschen wohnen enger mit dem Hund zusammen. Während er früher draußen geschlafen hat, schlummert er heute im Schlafzimmer oder gar im Bett«, sagt Gorissen. Das führe dazu, dass Frauchen und Herrchen einen besseren Einblick in das Befinden ihres Haustiers haben. »Da merkt man sofort, wenn das Tier nachts unruhig ist. Katzen mauzen beispielsweise ganz laut. Hunde laufen stundenlang ziellos hin und her statt sich hinzulegen.« Nächtliche Unruhe bei älteren Hunden und Katzen spreche oft für Demenz. »Es kann aber auch andere Ursachen haben wie Schmerzen oder Bluthochdruck.«
Verlust erlernter Fähigkeiten
Weitere Demenz-Symptome laut Gorissen: »Dass Hunde in Zimmerecken herumstehen, vor sich hinstarren und nicht mehr herausfinden.« Doch damit hört es nicht auf: »Manchmal erkennen sie bekannte Personen nicht mehr.« Bei manchen sei eine Tag-Nacht-Umkehr zu beobachten. »Sie schlafen tagsüber und sind dann nachts unruhig. Zusätzlich verlieren sie erlernte Fähigkeiten wie Stubenreinheit und verlernen Kommandos, die sie früher noch beherrscht haben.« So komme es nicht selten vor, dass sie nicht mehr abrufbar seien. Eine Herausforderung für die Besitzer, denn es kommen noch »Ängstlichkeit und Probleme beim Alleinbleiben« hinzu.
Gorissen empfiehlt bei Verdacht einer solchen Erkrankung den Hund gründlich untersuchen zu lassen. Lautet tatsächlich die Diagnose Demenz, »muss eine feste Tagesstruktur für ihn geschaffen werden«. Denn: Häufige Veränderungen fallen dem Tier genauso schwer wie alten Menschen. Die Tiermedizinerin rät zudem noch, das Tier geistig und - soweit noch möglich - körperlich auszulasten. »Vor allem am Abend, damit das Tier müde wird und schlafen kann«. Dafür eignen sich verschiedene Konzentrations- und Suchspiele. Wichtig noch: »Die Umgebung entsprechend anpassen, damit sich der Hund einfacher zurechtfindet, ein Nachtlicht anlassen, damit es nicht ganz dunkel ist. Man kann den Vierbeiner in seiner Nähe schlafen lassen, wenn er nicht alleine bleiben möchte und den Trinknapf in seiner Nähe hinstellen, sodass er ihn nicht suchen muss.«
Nicht heilbar
Heilungschancen gebe es zwar keine, Futterzusätze und Präparate wie Ginkgo, Vitamin B, Omega-3-Fettsäuren und MCT-Öl sowie spezielle Medikamente könnten jedoch dabei helfen, die Symptome in den Griff zu bekommen und dem Tier mehr Lebensqualität zu schenken. Nichtsdestotrotz sollte dem Hundebesitzer bewusst sein: »Ein dementer Hund kann zwar lange leben, aber irgendwann sind die Symptome so ausgeprägt, dass es nicht mehr lebenswert für ihn ist.«
Zur Vorsorge rät sie: »Hunde schlank halten und Hundesenioren so viel wie möglich beschäftigen, damit sie geistig fit bleiben.« Übergewichtige, träge Hunde seien nämlich eher gefährdet, dement zu werden. Die Hunderasse spiele hingegen keine Rolle. Wen es letztendlich »trifft, ist wie bei Menschen nicht vorhersehbar«. (GEA)