REUTLINGEN. »Wir sind viele, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.« Schon mal gehört? Klar. Von »Fridays for Future«, der Jugendbewegung, den Schulschwänzern, die sich für das Klima einsetzen. Die Kids, die auf die Politik Druck ausüben wollen. Und die Jugendlichen vom Teenie-Theater-Treff (TTT) des Theaters Patati-Patata haben dieses Thema aufgegriffen. Unter extrem erschwerten Bedingungen, nämlich während der Corona-Pandemie.
»Wir hatten zweieinhalb Monate komplett Pause und nur ein paar Mal online geprobt«, berichtet Sonka Müller, Regisseurin und Macherin des kleinen Reutlinger Theaters. Man könne sich vorstellen, wie Online-Theaterspielen funktionieren soll, sagte Müller. Aber seit dem 6. Juni haben die sechs Teenies vom TTT Unglaubliches geleistet. »Drei- bis viermal pro Woche haben wir geprobt – das war fast professionell«, so Müller.
Die Jugendlichen haben mit Sonka Müller ein Stück auf die Füße gestellt, das dem Publikum beständig den Spiegel vorhält in Sachen Klimawandel. »38 Grad schon am Morgen.« Und es wird noch heißer. »Das gab es früher nicht«, sagt die Oma in dem Stück unter dem beredsamen Titel »Heiße Zeiten«.
»Ich bin schuld, dass das Meer stirbt«
Vater Andreas geht mal wieder in seinen Lieblingsladen, besorgt einen Ventilator. Super, die Töchter, Mutter und Oma sind begeistert. Doch woher kommt denn der Strom für den Ventilator? »Na, aus der Steckdose.« Klar. »Hinter jeder Steckdose steht ein Kraftwerk.« Die meisten werden mit Kohle, aber auch immer noch welche mit Atomkraft betrieben. »Haben se die nich abgeschafft? Das haben se wahrscheinlich verschoben«, so die mehrfach geäußerte, negativ gefärbte Meinung der Teenies über Politiker.
Auch andere kritische Themen werden angesprochen. Wie etwa Windräder – »die will doch keiner«. Und vor meiner Haustür erst recht nicht. Oder mit dem Flieger in den Urlaub. 1,28 Tonnen CO2 produziert eine fünfköpfige Familie bei einem Flug nach Dubrovnik in den Urlaub. »Da könnte man stattdessen 22 Mal mit dem Auto hinfahren.« Fleisch essen? Auch ganz schlecht. Wahnsinns-CO2-Produktion. Aber dann wenigstens mal duschen, es ist doch so heiß? Bloß nicht. Mikroplastik in jedem Shampoo. »Das ist unsichtbar«, schreit die Mutter in dem Stück verzweifelt. »Ich bin schuld, dass das Meer stirbt.«
Doch es gibt Alternativen, wie die Jugendlichen betonen. »Wenn’s gut werden muss«, zitiert Papa seinen Lieblingsspruch aus seinem Lieblings-Baumarkt und präsentiert ein »festes« Shampoo, also ein Stück Seife, halt für die Haare. »Gibt’s überall.« Also nicht nur im Baumarkt.
Ganz stark sind die schauspielerischen Leistungen der sechs Jugendlichen. Beeindruckend, ausdrucksreich, überzeugend in der Mimik und Gestik, einfallsreich und auch immer wieder witzig. Trotz der Themenschwere. Die Eigenproduktion lässt an Gesellschafts- und Konsumkritik kaum etwas aus – und entlässt die Zuschauer (wegen Corona in eingeschränkter Zahl und mit ausgeklügeltem Einlasskonzept) mit einem fahlen Geschmack aus dem Theaterraum des franz.K. Ist denn wirklich alles schlecht, was wir tun? Ist alles vergeblich? Kein Urlaub mehr, kein Fleisch, kein Fisch, kein Mikroplastik, keine Kunstfasern? »Vielleicht ist ja unser Konsum falsch«, fragt auch eine der Töchter in »Heiße Zeiten«. Die »Scientists for Future«, die kritischen Wissenschaftler, die im Theaterstück ebenfalls auftreten, absolvieren »a pretty good show«, eine ziemlich gute Show, wie sie selbst befinden. Und unterstützen die Auffassungen der Jugendlichen.
Das Fazit des Stücks? »Konsumiert weniger Fleisch – das stört kein Schwein«, zeigen die TTT-Jugendlichen als eine mögliche Lösung auf. Vegan oder wenigstens vegetarisch leben. Oder auch »weniger Milchprodukte, regional kaufen und essen«. Denn die Zeit drängt. Wie singen die Jugendlichen gegen Schluss: »Von den Blauen Bergen kommen wir – unser Klima stirbt genauso schnell wie wir.« Was sich so witzig anhört, ist alles andere als das gemeint. »Wir sind jung, wir brauchen diese Welt«, sagen die Teenies. Und: »There is no planet B.« Es gibt keinen Ersatzplaneten für die Erde. (GEA)
ES GIBT NOCH KARTEN
Das Theaterstück »Heiße Zeiten« der Teenies von Patati-Patata ist am heutigen Mittwochabend noch einmal um 19.30 Uhr im franz.K zu sehen. Es spielen: Berit Ernst, Liv-Malin Grieshaber, Malte Höflinger, Anna Meisinger, Klara Rockahr und Clara Tahami. Es gibt noch Karten. Sonka Müller betonte bei der Premiere eindrücklich: Die Corona-Zeiten sind für Kulturschaffende extrem schwierig. Deshalb sind Spenden willkommen. Zum Beispiel aufs Konto des Fördervereins »Theater ohne Grenzen« mit der Bankverbindung: Kreissparkasse Reutlingen BIC: SOL DES1REU IBAN: DE 21 6405 0000 10192288 72.