REUTLINGEN. Von »Leben ohne Mama Maus«, einem Kindersachbuch über Suizid in der Familie, über die »Anleitung zum Traurigsein« bis zum Sachbuch »Testamentsvollstreckung«: Im ersten Obergeschoss der Reutlinger Stadtbibliothek stehen neuerdings in einem blauen Dreiecksregal geballt Trost und Information zum Thema »Abschied, Tod und Trauer« in Büchern und anderen Medien zur Ausleihe.
Die Idee, »ein niederschwelliges Selbsthilfeangebot für Trauernde und Abschiednehmende« anzubieten, wurde im Ambulanten Hospizdienst geboren. »Wir arbeiten viel mit Medien, daher die Idee, auf die Stadtbibliothek zuzugehen«, sagt Hospizdienst-Geschäftsführerin Katja Badstöber. Es sei »schwer, sich in der Krise durchzuwühlen«: Die Konzentration an einem Ort der Bücherei soll den Zugang erleichtern, gerade wenn der Kopf voll Schmerz ist.
Weit offene Türen in der Stadtbibliothek
In der Bibliothek standen die Türen für die Idee weit offen. Laut Bibliotheksleiterin Beate Meinck ist das neue Sondermedienangebot auch nicht als Ausstellung auf Zeit gedacht, sondern als Dauereinrichtung. Das Thema, das alle Beteiligten aus der Tabuzone holen wollen, solle so »Sichtbarkeit« bekommen.
Ein Teil der Medien stammt aus dem Büchereibestand. 4.500 Euro hat die Stiftung Palliativpflege für Neuanschaffungen spendiert. Nach gut einjähriger Vorbereitungs- und Planungszeit ist das Projekt umgesetzt. Rund 160 Bücher und Medien stehen nun zentral an einer Stelle.
Die Lektorinnen der Bücherei nahmen Anregungen des Hospizdienstes auf. Und so steht auch viel Praxiserprobtes im Regal, etwa »Choco-Hopper«: Dietmar Stooß vom Ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienst spielt das Frage-und Antwort-Spiel oft in den Kindertrauergruppen.
Die Trauerhasen dürfen die Ausleihenden behalten
Zur Ausleihe bereit stehen außerdem Medienkoffer für Erwachsene und Kinder. Auch für die Erwachsenen ist neben Büchern, einer Klangschale und einem Holzengel ein Stoffhase eingepackt, den sie behalten dürfen. Das Forum muslimischer Frauen näht die kleinen Stofftröster und freut sich laut Tanja Schleyerbach, Gebietsleiterin Vielfalt in der Bibliothek, auf Nachbestellungen.
Für Schulen und Kindergärten gibt es zum Ausleihen zudem gut gefüllte Medienboxen, die Impulse zum Reden in der Gruppe geben können oder im Klassenzimmer deponiert das Angebot zum individuellen Stöbern machen. Auch an den Schulen geht man zunehmend mit dem Tabuthema um. »Die Schulsozialarbeit hat da einen wichtigen Anteil«, weiß Dietmar Stooß, der selbst mit den Kisten in den Ethik- oder Religionsunterricht geht.
Zum Auftakt der Kooperation mit dem Ambulanten Hospizdienst, der dieses Jahr 30-jähriges Bestehen feiert, ist in der Stadtbibliothek am Donnerstag, 21. November, um 19.30 Uhr die Veranstaltung »Letzte Lieder« geplant. Für das Konzert mit Lesung hat Stefan Weiller über Jahre hinweg Sterbende erzählen lassen, was die Musik ihres Lebens war. Einen »heiter-melancholischen Abend über das Sterben« und die Frage, was am Ende wichtig ist, verspricht die Einladung. (GEA)