REUTLINGEN. Bröselnder Wandputz hier, marode Sanitäranlagen dort, undichte Fenster und ebensolche Dächer: Zahllose Schulgebäude befinden sich in partiell beklagenswertem – teilweise sogar unzumutbaren – Zustand. Nach Schätzungen der staatlichen Förderbank KfW (Stand Herbst 2022) müssten annähernd 50 Milliarden Euro in die Hand genommen werden, um Schäden zu reparieren und Immobilien zu sanieren oder baulich zu erweitern. Bundesweit. Denn widrige und beengte Verhältnisse in und um Bildungseinrichtungen gibt es allenthalben.
Einer der Spitzenreiter im Mängel-Ranking ist – vertraut man Medienberichten – Berlin, wo beispielsweise im Bezirk Wedding die Kinder einer Grundschule unlängst ins Homeschooling geschickt wurden, weil Schimmelbefall in den Klassenzimmern gesundheitsgefährdende Ausmaße angenommen hatte. Ganz so dramatisch gestaltet sich die Situation in Reutlingen zwar nicht. Gleichwohl besteht aber auch hier an nahezu allen staatlichen Schulen Handlungsbedarf, ist der Investitionsstau erheblich. Weshalb es hinter den Kulissen gärt.
Noch wahren Lehrer, Eltern und Schüler der Achalmstadt allerdings die Contenance, während Betroffenen andernorts bereits der Kragen geplatzt ist. Etwa in Köln. Hier nämlich gab es im Sommer dieses Jahres Demonstrationszüge: Pädagogen und Pennäler machten auf der Straße ihrer Empörung Luft und forderten ein, was selbstverständlich sein müsste: Dass Unterricht nicht von Wassereinbrüchen, Schimmelsporen, Asbest und derlei Problemen mehr behindert oder sogar vereitelt wird.
Nun, Köln scheint, was Hinfälligkeit von Schulgebäuden sowie fehlende Raumkapazitäten betrifft, überall in Deutschland zu sein. So auch in Reutlingen, dessen öffentlichen Schulen es an allerlei gebricht: von der zu kleinen oder fehlenden Mensa bis hin zur energetischen Sanierung.
Im Folgenden eine Liste (über)fälliger Notwendigkeiten, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Dessen ungeachtet führt sie aber klar vor Augen, wie erhaben der Investitionsberg ist, der sich aktuell vor der Kommune auftürmt – und mangels Geld kaum abgetragen werden kann. Im Haushalts-Entwurf für die kommenden zwei Jahre bleiben zahlreiche Projekte deshalb unberücksichtigt. Was für Unruhe sorgt, wie Mails und Anrufe nahelegen, die den GEA binnen der zurückliegenden Wochen erreicht haben.
Matthäus-Beger-Schule: Die Bildungseinrichtung wartet schon seit geraumer Zeit auf einen Mensa-Neubau. Gelder sind seitens der Verwaltung trotzdem nicht für den Doppelhaushalt 2024/25 vorgesehen.
Eduard-Spranger-Schule: Hier ist der Aufbau eines zusätzlichen Grundschulzugs notwendig, was mit zusätzlichem Raumbedarf einhergeht. Auch die Mensa sollte dringend vergrößert werden. Für beide Vorhaben sind bislang keine Gelder im kommenden Etat veranschlagt.
Römerschanzschule: Sie leidet unter einem akuten Sportflächendefizit. Verbesserung ist nicht in Sicht.

Minna-Specht-Gemeinschaftsschule: Hier ist es ein stattlicher Strauß an Überfälligkeiten, der - nicht zuletzt deswegen, weil sie die einzige Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe ist - in Angriff genommen werden sollte. Auf der To-do-Liste stehen eine Schadstoffsanierung (Formaldehyddecken in einem Gebäudetrakt), die Schaffung einer Multifunktionsmensa mangels Aula sowie zusätzlicher Büros, Fach- und Nebenräume, eines Lernateliers, eines zweiten Rettungswegs und, und, und. Was von all dem binnen der nächsten zwei Jahre angepackt wird, steht noch in den Sternen. Bislang gibt es für diese und weitere Maßnahmen nämlich keinen kommunalen Haushaltsansatz.
Hohbuch- und Bodelschwinghschule: Das Warten auf Mensa-Neubau und Betreuungsräume geht vermutlich weiter. Denn diese Posten finden im Etat-Entwurf keine Berücksichtigung.
Friedrich-Hoffmann-Gemeinschaftsschule Betzingen: Auch sie hat zusätzlichen Raumbedarf angemeldet und hofft auf eine Vergrößerung von Mensa und Betreuungsflächen. Stand jetzt wird es beim bloßen Hoffen bleiben.
Grundschule Oferdingen: Mit Blick auf das Baugebiet Kapf erscheinen bauliche Erweiterung und die Schaffung einer Mensa (momentan Provisorium) dringend geboten. Haushaltsmittel sind dennoch keine vorgesehen.
Grundschule Mittelstadt: Auch sie dürfte im Doppelhaushalt 2024/25 leer ausgehen. Mensa und Betreuungsräume drehen voraussichtlich weitere Runden in der Warteschleife.
Eichendorff-Realschule: Hier läuft zwar die Generalsanierung, aber: Eine bauliche Vergrößerung wird’s – obschon wegen steigender Schülerzahlen notwendig – nicht geben. Haushaltsmittel sind dafür jedenfalls keine veranschlagt.
Albert-Einstein-Gymnasium: Diese Bildungseinrichtung harrt ihrer Sporthallen-Erweiterung. Eine Machbarkeitsstudie liegt zwar vor, doch Papier ist ja bekanntlich geduldig ... Die Chancen auf zeitnahe Realisierung tendieren gegen null.
Friedrich-List-Gymnasium: Seine Dependance im Spitalhof ist ein lupenreiner Sanierungsfall. Doch obschon sowohl Machbarkeitsstudie als auch Grundsatzbeschluss vorliegen, dümpelt das Projekt vor sich hin. Getan hat sich seit Dezember 2018 – damals hatte das Reutlinger Stadtparlament die Dringlichkeit einer substanziellen Runderneuerung erkannt und für eine solche 5,6 Millionen Euro bewilligt – nichts Habhaftes. Von Ertüchtigung keine Spur. Statt ihrer gibt’s Feuchtigkeit satt. Der Keller, einst als Aufenthalts- und Theaterprobenraum genutzt, ist schon seit Herbst 2015 gesperrt und fehlt bitter - ebenso wie Sonnenschutz und energetische Sanierung. Weshalb die Klassenzimmer unterm Dach der Spitalhof-Dependance an heißen Sommertagen zu Schwitzkästen mutieren. Und dies mutmaßlich weiterhin tun: Der Etat-Entwurf 2024/25 listet fürs »List« nämlich keine Sanierungsmittel.
Noch ist freilich nicht aller Etat-Diskussionen Abend; noch hat der Reutlinger Gemeinderat keine Entscheidungen gefällt, befinden sich die Fraktionen im Abwägungsprozess. Derweil das Land Baden-Württemberg – wie berichtet – eine höhere Schulbauförderung auf den Weg gebracht hat. Von ihr könnte auch Reutlingens Bildungslandschaft profitieren. Denkbar, dass das eine oder andere im Etat-Entwurf bislang chancenlose Projekt letztlich doch noch Einzug ins Zahlenwerk hält: am 21. Dezember, wenn das Stadtparlament den Doppel-Haushalt verabschiedet. (GEA)