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Reutlinger Rollstuhlfahrer macht 1. Platz bei Stadtlauf

Aleksandar Aleksoski möchte Menschen mit Behinderung ermutigen, sportlich aktiv zu werden. Er wurde mit einem offenen Rücken geboren und seine Füße sind gelähmt, doch das hält ihn nicht von Sporterfolgen ab.

Aleksandar Aleksoski (rechts) hatte auf dem diesjährigen Stadtlauf in Mössingen die Startnummer 100.
Aleksandar Aleksoski (rechts) hatte auf dem diesjährigen Stadtlauf in Mössingen die Startnummer 100. Foto: Privat
Aleksandar Aleksoski (rechts) hatte auf dem diesjährigen Stadtlauf in Mössingen die Startnummer 100.
Foto: Privat

REUTLINGEN. »Ich bin kein Mensch, der langsam anfängt, sondern einer, der gleich Gas gibt«, sagt Aleksandar Aleksoski und lacht. Er strahlt über beide Ohren, wenn er über seine Leidenschaft spricht. »Sport ist mein Leben«, sagt der Rollstuhlfahrer. Im April nahm er zum zweiten Mal am Mössinger Stadtlauf teil. Mit einer »Laufzeit« von 56:05 Minuten ist er Sieger seines Jahrgangs geworden. »Dabei war ich eigentlich kurz davor, aufzugeben«, sagt er. Vergangenes Jahr holte er in Mössingen den zweiten Platz in seiner Altersklasse. Drei Monate trainierte er. »Im Reutlinger Stadion an der Kreuzeiche habe ich regelmäßig Runden gedreht«, berichtet er. Aber die beiden Läufe sind nicht die einzigen Sporterfolge des jungen Mannes. In Esslingen nahm er als Teenager an einem Halbmarathon mit seinem Handbike teil. »Da wurde ich Zweiter in der Rollstuhlklasse.«

Das aufregendste und zugleich anstrengendste Sportereignis war der Alb-Extrem-Marathon in Göppingen. Er war mit seinem Handbike gestartet. »Mit Pausen hat es acht Stunden gedauert, bis ich ans Ziel gekommen bin«, erinnert er sich. »Es war unheimlich anstrengend, denn die 90 Kilometer lange Strecke war recht hügelig. Ich dachte, irgendwann würde noch der Krankenwagen um die Ecke kommen, um mich abzuholen.« Doch so weit kam es glücklicherweise nicht. Sein Vater begleitete ihn auf der Strecke und war ebenfalls mit einem Rad unterwegs. »Er wollte schon nach 40 Kilometern aufgeben und den Bus nach Hause nehmen«, sagt der 19-Jährige und lacht.

Stolz zeigt Aleksandar Aleksoski seine Urkunde vom Mössinger Stadtlauf.
Stolz zeigt Aleksandar Aleksoski seine Urkunde vom Mössinger Stadtlauf. Foto: Frank Pieth
Stolz zeigt Aleksandar Aleksoski seine Urkunde vom Mössinger Stadtlauf.
Foto: Frank Pieth

Der Reutlinger will mit seinen sportlichen Erfolgen ein Zeichen setzen: »Ich möchte Leuten Mut machen und ihnen zeigen, dass man als Rollstuhlfahrer alles schaffen kann.« Sein Motto: »Immer nach vorne schauen!« Selbstmitleid bringe niemanden voran, ist er überzeugt. Mit seinem positiven Denken habe er schon einige schwierige Momente gemeistert, berichtet er. »Ich bin immer gut drauf.«

Den Spieß umdrehen

Aleksoski wünscht sich, »dass mehr Menschen mit Behinderung an Läufen oder Marathons teilnehmen«. Er möchte Rollstuhlfahrer dazu animieren, sportlich aktiv zu werden. Viele trauen sich nicht, weiß er aus seinem Umfeld. »Vergangenes Jahr war ich auf dem Mössinger Lauf der einzige Teilnehmer im Rollstuhl. Da habe ich mich schon ein wenig allein gefühlt.« Hilfreich wäre es, wenn mit verschiedenen Aktionen das Selbstvertrauen der Rollstuhlfahrer geweckt würde, ist er der Meinung. Das könne man mit einer Art »Experiment« bewirken, »indem sich Läufer in Rollstühlen setzen und sich so an einem Marathon beteiligen«. Auf diese Weise »könnten sie sich auch in unsere Lage hineinversetzen und selber mitbekommen, was an den Strecken verbessert werden könnte«. Vor allem Bordsteine und ungünstig geparkte Autos haben bisher für den 19-Jährigen ein Problem dargestellt.

Außer für Läufe begeistert sich Aleksoski noch für Basketball. Er spielte in der 2. Liga beim Rollstuhlsport- und Kulturverein Tübingen (RSKV) und war schon auf verschiedenen Gastspielen dabei, wie zum Beispiel in Ulm und München. »Zurzeit mache ich aber eine Trainingspause, weil mein Arzt mir empfohlen hat, meine Hüfte zu schonen.«

Mit einem offenen Rücken geboren

Der Rollstuhlfahrer wurde mit einem offenen Rücken (Spina bifida) geboren. Es handelt sich hierbei um eine Fehlbildung der Wirbelsäule. Bereits 38 Mal musste er sich einer OP unterziehen. »Ich kann meine Beine bewegen, aber meine Füße sind gelähmt.« Aufgewachsen ist er in Göppingen. Von 2020 bis 2022 lebte er in einer Mössinger Wohneinrichtung der Körperbehindertenförderung (KBF). »Anfangs war es schwierig für mich, ohne meine Eltern zu wohnen, aber daran habe ich mich schnell gewöhnt.« In Reutlingen wohnt er seit September 2023 im Internat der KBF in der Hans-Reyhing-Straße und ist sehr zufrieden. »Ich fühle mich wohl. Hier habe ich viele Freunde, mit denen ich den ganzen Tag abhängen kann. Wir machen gemeinsam Sport, gehen in die Disco oder sind in der Stadt unterwegs.«

Wie er sich seine berufliche Zukunft vorstellt? »Ich möchte auf keinen Fall einen Bürojob machen, denn ich brauche Bewegung.« Er bevorzugt es außerdem noch, »unter Leuten zu sein und sie zu unterhalten«. Für einen bestimmen Beruf hat er sich aber noch nicht entschlossen. Neulich habe er ein Praktikum mit Demenzkranken gemacht, erzählt er. »Sie haben mir Geschichten von früher erzählt. Ich bin ein guter und interessierter Zuhörer«, sagt er und schmunzelt. Und das wünscht er sich auch für die Menschen mit Behinderung, »dass ihnen mehr zugehört wird«. (GEA)