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Reutlinger Ringelbach-Gebiet: Ein Paradies mit kleinen Mängeln

Das Ringelbach-Gebiet ist eines der buntesten Quartiere Reutlingens, weil die Bevölkerung hier einen Querschnitt der Stadtbevölkerung repräsentiert: mit Asylunterkünften, Behinderteneinrichtungen, Gewerbeansiedlungen und Sportstätten, mit Schulen, Kindergärten und Arztpraxen, Vereinsräumen, Einfamilienhäusern- und Wohnblocks. Doch ist bunt auch wirklich gut? Gibt’s Probleme im »Ringelbach«? Der GEA hat vor Ort nachgehakt.

Einer nach dem anderen: Geduldig haben die Ringelbach-Bewohner beim Lokaltermin gewartet, bis sie an die Reihe kamen und ihre Sa
Einer nach dem anderen: Geduldig haben die Ringelbach-Bewohner beim Lokaltermin gewartet, bis sie an die Reihe kamen und ihre Satements abgeben konnten. Foto: Frank Pieth
Einer nach dem anderen: Geduldig haben die Ringelbach-Bewohner beim Lokaltermin gewartet, bis sie an die Reihe kamen und ihre Satements abgeben konnten.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Die gute Nachricht gleich vorab: Im Ringelbachgebiet ist’s gut sein. Zufrieden, teilweise sogar sehr zufrieden mit der Lebensqualität vor Ort sind jedenfalls alle, die sich trotz widriger Witterung beim GEA-Lokaltermin eingefunden haben. Zwar könnte es im Viertel weniger Verkehr und dafür mehr öffentliche Mülleimer geben, und auch in puncto Nahversorgung ist durchaus noch ein bissle Luft nach oben. Grundsätzlich aber fühlen sich die Menschen hier pudelwohl.

Ein Quartierszentrum wäre wünschenswert

Unter anderem Artur C. und Sükrü Ferdinand, die nichts auf »ihren Ringelbach« kommen lassen. Beide sprechen von einem freundlichen Mit- und Nebeneinander der Kulturen. Sie schätzen die »Durchmischung«, die so etwas wie einen Querschnitt der Reutlinger Bevölkerung repräsentiert. Flüchtlinge, Menschen mit Handicap, Ur-Reutlinger, Reiche und weniger Betuchte wohnen hier sozusagen Tür an Tür. »Alle leben in Gemeinschaft. Das ist großartig!«

Mehr Bäume, weniger Beton: Das wünscht sich Joachim Longerich im Gespräch mit GEA-Redakteurin Heike Krüger.
Mehr Bäume, weniger Beton: Das wünscht sich Joachim Longerich im Gespräch mit GEA-Redakteurin Heike Krüger. Foto: Frank Pieth
Mehr Bäume, weniger Beton: Das wünscht sich Joachim Longerich im Gespräch mit GEA-Redakteurin Heike Krüger.
Foto: Frank Pieth

Großartig außerdem: die gute ÖPNV-Anbindung und die fußläufige Nähe zum Naherholungsgebiet Markwasen sowie die solide Ausstattung mit Lebensmittlern in nächster Nachbarschaft. Und wenn es der Stadt demnächst gelingen sollte, das Kasernen-Areal zu einem kleinen Quartierszentrum für alle Generationen aufzuwerten - mit Spielplatz, Gastro-Betrieb, Wohneinheiten und kleinen Läden - dann wären die Ferdinands vollends im Alltagsglück.

Vermisst: Café. Abfalleimer und Toiletten

Ganz ähnlich die Auffassung von Anja Hattendorf, die die Lebensqualität im Viertel als »hoch« bezeichnet. Optimierungsvorschläge hat sie freilich dennoch in petto. So würde sie es begrüßen, wenn es im Abschnitt zwischen Süd-Apotheke und Seniorenzentrum Markwasen ein Café gäbe. Ideal wäre ein solches sicherlich im Bereich der Ypernkaserne verortet. Denkbar sei jedoch auch ein Ausschank bei einem der beiden Lebensmittel-Discounter - eben so, wie es früher einmal war, als es noch den Edeka mit seiner integrierten Bäckerei-Filiale nebst Bistro-Ecke gab. »Das wurde gut angenommen«, weiß Hattendorf. Außerdem habe es dort eine Kunden-Toilette gegeben. Eine solche suche man im »Ringelbach« jetzt vergebens. Zumal sämtliche Discounter ihrer Klientel kein stilles Örtchen anbieten. »Da gibt es bloß WCs fürs Personal.«

Beim Vor-Ort-Termin wurde angeregt diskutiert, viel gelobt und ein klein wenig kritisiert.
Beim Vor-Ort-Termin wurde angeregt diskutiert, viel gelobt und ein klein wenig kritisiert. Foto: Frank Pieth
Beim Vor-Ort-Termin wurde angeregt diskutiert, viel gelobt und ein klein wenig kritisiert.
Foto: Frank Pieth

Toiletten, Café? Beides käme auch Hans Bock gelegen, wiewohl das Ringelbach-Quartier für den Senior ein »optimaler Wohnstandort« ist. »Wir führen hier ein infrastrukturell sehr gut ausgestattetes Leben«, betont Bock, der sich - obschon mit seinen 86 Jahren hochbetagt - ehrenamtlich im Quartier einbringt. Engagiert ist er bei der Initiative Lebenswert im Programm »Hallo Nachbarn« - für ihn ein Projekt, das anderen Stadtteilen Vorbild sein sollte: weil es die Menschen zusammenführt und einen »Kontrapunkt zum anonymen Nebeneinander setzt«.

Vermehrt Stress und Blaulicht

Ein Aspekt, der Silas Schruff ebenfalls wichtig ist. In seinem Elektro-Rollstuhl ist der Mann oft im Quartier unterwegs - und vermisst offenbar nichts. »Auf die Schnelle« fallen ihm keine gravierenden Defizite ein. Einzig die Zunahme (nächtlicher) Polizeieinsätze bei den Asyl-Unterkünften bereiten dem Mann, der in einen KBF-Gebäude wohnt, ein wenig Unbehagen. »Es gibt vermehrt Stress und Blaulicht«, hat Schruff beobachtet. Was seinem Wohlbefinden und Sicherheitsempfinden etwas abträglich sei. »Nicht wirklich schlimm, aber ohne Auseinandersetzungen und Polizeieinsätze war es besser, friedlicher.«

Leben gerne im Ringelbach: Zeid, Almutasin und Abdullah.
Leben gerne im Ringelbach: Zeid, Almutasin und Abdullah. Foto: Frank Pieth
Leben gerne im Ringelbach: Zeid, Almutasin und Abdullah.
Foto: Frank Pieth

Auch der dichter gewordene Verkehr ist für Silas Schruff »weniger schön«. Dabei denkt er insbesondere an die Ecke Ringelbachstraße/An der Kreuzeiche, wo es schon zu zahlreichen Beinahe-Unfällen gekommen sei. »Ich habe den Eindruck, dass sich manche Autofahrer nicht an die Regeln halten.« Das sorge immer mal wieder für brenzlige Situationen.

Straßensäume dicht an dicht zugeparkt

Solche hat Joachim Longerich auch schon des Öfteren erlebt. Allerdings an anderer Stelle. Für ihn ist es nämlich der Bereich Hans-Reyhing-/Peter-Rosegger-Straße, der sich aus seiner Sicht zu einem unfallträchtigen Abschnitt entwickelt hat. Vor allem deshalb, weil die Straßensäume hier dicht an dicht zugeparkt sind. »Manche Leute stellen ihre Autos sogar in den Kurven ab«, was stark sichtbehindernd und obendrein verboten sei. Deshalb wünscht sich Longerich »mehr Kontrollen seitens des Ordnungsdienstes«. Und: Er wünscht sich eine »stärkere Begrünung« des Bihler-Areals. Durch die verdichtete Bauweise des noch jungen Immobilien-Ensembles sei es in Richtung Georgenberg fühlbar wärmer geworden. Deshalb sei Nachbesserung dringend geboten. »Wir brauchen mehr Bäume, eine stärkere Durchgrünung und weniger Beton.«

Mit dem GEA-Mobil auf der Piste: So erfährt (!) die Redaktion buchstäblich was Sache ist.
Mit dem GEA-Mobil auf der Piste: So erfährt (!) die Redaktion buchstäblich was Sache ist. Foto: Frank Pieth
Mit dem GEA-Mobil auf der Piste: So erfährt (!) die Redaktion buchstäblich was Sache ist.
Foto: Frank Pieth

Wie Longerich moniert auch das Ehepaar Müller zugeparkte Kurven. Vor zweieinhalb Jahren sind die beiden in einen Neubau des Bihler-Areals gezogen, freuen sich über die »ruhige Wohnlage« und wundern sich übers Wildwest-Parken. Dieses sei gefährlich - insbesondere für Radler, denen der Überblick geraubt werde. Was aber bei Müllers an erster Stelle steht, ist ein dickes Lob. »Für uns ist es hier am allerschönsten. Hier hat man alles: den Georgenberg, den Wasenwald, die Fahrradstraße in der Nähe, den super Sportverein TSG Reutlingen. Die Stadt ist auch nicht weit. Die Lage ist rundweg schön.« Was fehlt? »Ein Bäcker, gerne mit Café. Außerdem wäre ein Metzger gut. Am besten beides in der Nähe der Discounter.«

Metzgerei und Bäcker fehlen den Menschen

Damit sprechen die Eheleute den beiden Seniorinnen Helga Strobel (78) und Ev Seidel (81) aus dem Herzen. Ihnen fehlen »die Metzgerei und die Bäckerei, die uns versprochen wurden«. Beide wohnen in der Nähe der ehemaligen Gärtnerei Bihler, haben die neuen Nachbarn in den schicken weißen Wohnblocks teilweise sogar schon persönlich bei der Gymnastikstunde kennengelernt. »An sich«, so das Duo, »lebt es sich hier gut«, abschon der Autoverkehr zugenommen habe. Bitte der Frauen an die Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft (RSV): mehr lautlose Elektrobusse einsetzen. Denn die seien Balsam für die Ohren.

Derweil Margrit Schmidt den »Ringelbach« sogar mit durch die Straßen dieselnden Bussen »ausgesprochen ruhig« findet. Auszusetzen hat sie am Quartier nur ein Detail, das übrigens auch von anderen Teilnehmern des GEA-Lokaltermins in Nebensätzen erwähnt wird: der Müll. »Die TBR sollten entlang der Ringelbachstraße dringend zusätzliche Abfalleimer installieren«, spricht’s und deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger auf Chips- und andere leergefutterte Tüten, zerknüllte Papiertaschentücher und Getränkedosen im Grünstreifen zwischen Bürgersteig und Fahrbahn.

Artur und Sükrü Ferdinand sind vom Multikulti im Ringelbachgebiet begeistert. Beide wünschen sich, dass auf dem Kasernen-Areal e
Artur und Sükrü Ferdinand sind vom Multikulti im Ringelbachgebiet begeistert. Beide wünschen sich, dass auf dem Kasernen-Areal ein Quartierszentrum entsteht. Foto: Frank Pieth
Artur und Sükrü Ferdinand sind vom Multikulti im Ringelbachgebiet begeistert. Beide wünschen sich, dass auf dem Kasernen-Areal ein Quartierszentrum entsteht.
Foto: Frank Pieth

Derweil Beate Strehle und Martin Weber »einfach gar nichts zum Beschweren« haben. Nach vierzig Jahren in der Tübinger Vorstadt, sind die beiden erst vor zweieinhalb Jahren hergezogen: Im Neubaugebiet Bihler-Areal bewohnen sie eine Wohnung im dritten Stock mit Aufzug und rollstuhlgerecht - und fühlen sich pudelwohl im Quartier. Es sei bunt, multikulti, mit hohem Freizeitwert und toller Busanbindung. »Ein Paradies ist das hier.« Besonders lobt Martin Weber jene Angebote, die die Bewohner zusammenführen wie »Hallo Nachbarn« oder das Begegnungszentrum Begiz. »Es gibt wunderbare Strukturen hier«, freut sich der 66-Jährige. Dass das Ringelbach-Quartier zu verdichtet sei, empfinden beide nicht. »Wir haben einfach gar nichts zum Beschweren.«

Spielplatz, Kindergarten, Schule - Alles da!

Direkt an der Ringelbachstraße wohnt die Familie Al Obeid, die vor vier Jahren aus Syrien geflohen ist. Der achtjährige Zeid geht in die zweite Klasse der Jos-Weiß-Schule und dolmetscht perfekt, wo Mutter Hala noch Sprachprobleme hat. Das Leben im Ringelbach gefällt der Familie sehr gut aus ganz praktischen Gründen: »Der Spielplatz ist nah, der Kindergarten ist nah und die Schule ist nah.«

Atayi Komla aus Togo wohnt in einer Immobilie der Bruderhaus-Diakonie auf dem Gaisbühl. Der 36-Jährige arbeitet gerade daran, Deutsch zu lernen und erfolgreich die Probezeit für eine Ausbildung als Pflegefachmann bei der Bruderhaus-Diakonie zu beenden. Er hat wenig Zeit, die Annehmlichkeiten des Reutlinger Südens zu genießen, aber er lebt gern dort. Besonders gefällt ihm: »die Ruhe«. (GEA)