Profis statt Eigenleister
Im April konnten dann die Mieter ihr Projekt starten: Die Verwandlung der alten Fabrikhalle ins kleine, feine Programmkino. Ursprünglich hatten die Genossen vor, selbst mit Eigenleistungen groß einzusteigen. Die beschränkten sich dann aber aufs Säubern der Baustelle, wie Vorstandsmitglied Klaus Kupke erzählt. »Der Zeitplan war zu ambitioniert, außerdem müssen ja alle Gewerke aufeinander abgestimmt sein.« Die Einsätze der freiwilligen Helfer hätten sich aufs Wochenende beschränkt, dazu kamen ungeklärte Gewährleistungsfragen. »Das ist ja kein altes Kino, das wir nur aufhübschen«, sagt Karin Zäh, ebenfalls Vorstandsmitglied.Also überließen sie den Ausbau den Profis unter Federführung des Reutlinger Architekturbüros Riehle. Die Genossen selbst mischen kräftig mit, insbesondere die Vorstandsmitglieder sind schwer am Rödeln. Das »Baumanagement« haben Andreas Vogt und Klaus Kupke übernommen, der etwa fünf bis zehn Stunden wöchentlich im künftigen Kamino zugange ist. Noch mehr Stunden bringt Karin Zäh zusammen, die für die Geschäftsstelle zuständig ist. Sogar einen »art director« gibt’s, den Grafik-Designer Andreas Kissel. »Wenn wir die Arbeitsteilung nicht hätten, würden wir das nicht schaffen«, sagt Karin Zäh.
Geschafft wurde bisher ganz schön viel. Ziel ist es, sagt Klaus Kupke, Ästhetik und Praktikabilität unter einen Hut zu bringen. Ganz wichtig ist den Kamino-Machern, wo immer es geht, den »Industriecharakter mit abzubilden«, so Kupke. Beispielsweise im Eingangsbereich, der »Fuge« zwischen den beiden Gebäudetrakten. Die alten Fenstersprossen bleiben erhalten – dahinter muss zumindest bei der ersten Front allerdings ein »echter« Fensterrahmen mit Glas, weil genau hier ein Brandschutzabschnitt ist. Die anderen Fensterrahmen bleiben wie gehabt. »Da wollen wir Motive dahinter machen, wie eine Bildergalerie«, sagt Klaus Kupke.
Spendable Betriebe
Überm Eingang soll ein Kamino-Schriftzug in Magenta den Besuchern den Weg weisen. Es wird aber auch einen Notausgang beziehungsweise Hintereingang geben, damit die Oststadtbewohner auf kürzestem Weg ins Kino kommen. Die Schiebetüre in den Kinosaal ist extrem breit und geht sensorgesteuert von alleine auf und zu.Insbesondere der Rollstuhlfahrer wegen, für die auch die breiteste Reihe in dem 92 Sitze fassenden Kinosaal gedacht ist. Der Clou daran: Die Sitze lassen sich quasi mit einem Handgriff entfernen, sodass der Rolli-Fahrer Platz nehmen kann – mit der Begleitperson daneben. »Das sind die besten Plätze im Kino«, sagt Karin Zäh, »aber das war uns wichtig, um einen Gegenpol zu anderen Kinos zu setzen.« Rollstuhlgeeignet gestaltet sind außerdem Einlass, Foyer – und sogar die Kinobar.
Im Kinosaal baumeln noch die Kabel von der Decke, die Sitze fehlen. Die Halterungen für die Leinwand sind bereits installiert. Die alte Decke hätten Kupke und Co gerne im Original erhalten, doch dann entschied man sich, sie mit wärme- und schalldämmenden schwarzen Heraklitplatten abzuhängen. Magenta die Seitenwände, oben LED-Bänder in extra warmen Licht – »da bleiben die Leute nach dem Kino bestimmt sitzen, um zu kuscheln«, grinst Karin Zäh.
Und das bei bester Luft. In einem Nebenraum steht die hochmoderne, 63 000 Euro teure Lüftungsanlage. »Lüftung, Kinotechnik und Elektrik sind die ›big points‹ bei den Kosten«, sagt Kupke. 360 000 Euro sind veranschlagt, ein Kredit von 200 000 Euro steht der Genossenschaft zur Verfügung. 647 Genossen mit 793 Anteilen à 200 Euro haben gezeichnet. Bisher konnten alle Rechnungen aus dem Eigenkapital gezahlt werden. Doch jetzt geht’s ans Eingemachte beziehungsweise den Kredit. Zugute kommt den Kamino-Machern die, so Kupke, »große Bereitschaft der Betriebe und Firmen, uns zu unterstützen«. Material wird gespendet, bei den Preisen kommen sie den Genossen entgegen, einige arbeiten sogar umsonst. »Wenn das nicht wäre, stünden wir hier nicht so locker«, sagt er.
Dennoch, betont Klaus Kupke, sei das Projekt dringend auf weitere Unterstützer angewiesen. Derzeit werden Mitstreiter über einen Flyer »Eintrittskarte: Sehnsucht Kino« geworben. Nicht jeder, der Anteile zeichne, stellt Karin Zäh klar, müsse im Kino ehrenamtlich mitarbeiten. Der Betrieb – selbst die Bar – soll ausschließlich aus eigenen Kräften gestemmt werden. Bisher reicht das Freiwilligen-Heer gut aus, um auch das hinzukriegen. (GEA)