REUTLINGEN. Gisela Schäfer lacht oft und gerne. Humor, so scheint es, ist ein wesentlicher Teil ihrer Persönlichkeit. Und das kommt nicht von ungefähr. Hat die gebürtige Eningerin doch allerlei Gründe, um gut gelaunt durchs Leben zu gehen. Unter anderem deshalb, weil sie unlängst wieder in ihre Ur-Heimat an Arbach und Echaz zurückehren konnte; aber auch weil ihr hier der Sprung in die berufliche Selbstständigkeit geglückt ist und sie seit einem starken Vierteljahrhundert exakt das tun darf, was ihr am Herzen liegt: Animationsfilme produzieren.
Populäre Titel wie »Ritter Trenk«, »Yakari«, »Die wilden Kerle« und »Tilda Apfelkern« hat die inzwischen 58-Jährige bereits in die bundesdeutschen Kinos und über TV-Kanäle, Streaming-Dienste und DVDs in die Wohnzimmer gebracht. Nicht zu vergessen: die Olchis. Also jene winzigen, grünen Fantasiewesen aus der Feder von Kinderbuch-Autor Erhard Dietl, die sich auf einer Mülldeponie häuslich eingerichtet und seit 2021 auf Großleinwand zahllose Familien begeistert haben.
»Zuständig bin ich für Künstler, Technik, Finanzen und Kostenkontrolle «
»Mehr als 600.000 Zuschauer«, weiß Gisela Schäfer, hatte die Produktion der Münchner Firma WunderWerk vor knapp vier Jahren in die Lichtspielhäuser gelockt und nebenbei einen regelrechten Olchi-Hype ausgelöst. Jedoch keinen, der sofort wieder verpufft wäre, sondern einen, der der »schrecklich netten Familie« aus »Schmuddelfing« zu einer weiter wachsenden Fangemeinde verholfen hat: generationenübergreifend, aus- und andauernd.
Oh ja, die Olchis sind bekannt wie der sprichwörtlich bunte Hund. Was man von Filmproduzentin Gisela Schäfer indes nicht behaupten kann. Innerhalb der internationalen Trickfilmbranche hat sich die Reutlinger Neu-Bürgerin zwar längst einen klangvollen Namen gemacht; ins Bewusstsein der Kinogänger hat sie’s deshalb aber noch lange nicht geschafft. Was wenig wundert. Wirkt Schäfer als koordinierende Managerin und Strippenzieherin doch primär hinter den Kulissen der schillernden Animations-Welt und bleibt darob fürs Publikum unsichtbar. Wiewohl sie es ist, die während filmischer Entstehungsprozesse die Hauptverantwortung zu schultern hat und jedes Projekt von der Idee bis zur Preview begleitet.

Zuständig ist Schäfer für »Künstler, Technik, Finanzen und Kostenkontrolle«, prüft potenzielle Plots auf ihre Verfilmbarkeit und sucht nach Geldgebern, Sendern, Verleihern und Partnern im In- und Ausland. Wer übernimmt idealerweise die Regie? Wer ist die oder der Richtige fürs Drehbuch? Inwieweit kann oder darf eine literarische Vorlage verändert respektive angepasst werden, um sie leinwandtauglich zu machen? Und welche Menschenstimme wird dem Charakter von »Motte« oder »Messi«, »Tilda« oder »Yakari« gerecht, beseelt die Figur, haucht ihr Leben ein?
Antworten auf diese und zahllose weitere Fragen sucht und findet die 58-Jährige, die übrigens aktuell eine Fortsetzung des ersten Olchi-Kassenschlagers in der Mache hat. Wenn alles rund läuft, dürfte dieser Mitte, Ende 2027 in die Kinos kommen. Doch bis dahin gibt es noch satt zu tun, müssen sämtliche Akteure einen langen Atem beweisen. Allen voran: Gisela Schäfer selbst, die nämlich nicht bloß Strippen zieht, sondern deren Enden während der gesamten Projektdauer fest in Händen hält.
»Mich drängte es damals weg. Ich wollte unbedingt ans Theater«
Neuerdings tut sie’s von der Reutlinger Oststadt aus, wo sie 2022 ihre Firma »gretels gold« gegründet hat. »Märchenhaft«, verrät sie, sollte der Unternehmensname klingen und möglichst global funktionieren. Denn auch wenn Gisela Schäfer jetzt nicht länger München oder Hamburg auf ihre Visitenkarten drucken kann, ist es nach wie vor internationales Business-Parkett, auf dem sie sich bewegt.
Doch warum überhaupt die Rückkehr an die Echaz? »Weil in mir die Erkenntnis gereift ist, nicht in der Großstadt alt werden zu wollen.« Das war ungefähr zu jenem Zeitpunkt, als die Gesellschafter der WunderWerk beschlossen hatten, sich aus der Trickfilmbranche zurückzuziehen.
Ein schwerer Schlag für Schäfer, oder doch eher ein Schubs in die richtige Richtung? Während andere Mittfünfziger in ähnlichen Situationen meist panisch reagieren und um ihre (berufliche) Existenz bangen, war das bei Gisela Schäfer definitiv anders. Sie begriff das jähe Aus keineswegs als Karrierekiller, sondern vielmehr als Chance und Wink des Schicksals: gen Ur-Heimat und Selbstständigkeit. Zumal es der bestens vernetzten Powerfrau, die mehr als eine Dekade lang Produktionen unter anderem in Malaysia, Indien, China und dem europäischen Ausland auf die Beine gestellt hat, noch nie an Mut fehlte, Neues zu wagen.
»Nur die Autoren kennen die DNA ihrer Figuren, deren Seele bewahrt werden muss«
Als jüngstes von fünf Kindern in eine Eninger Bauernfamilie hineingeboren, zog es Gisela Schäfer in jungen Jahren nach Berlin. Die schwäbische Provinz war für ihr Lebensgefühl zu eng geworden. »Mich drängte es weg. Ich wollte unbedingt ans Theater.« Dortselbst jedoch nicht auf die Bühne und direkt ins Rampenlicht, sondern eher hinter die Kulissen.
Via Praktika landete Gisela Schäfer zunächst in der Regieassistenz, wechselte mehrfach die Stadttheater und sammelte profunde berufspraktische Erfahrungen an Häusern in Lüneburg und Wilhelmshaven, ehe sie in Hamburg ihre Neigung fürs Filmgeschäft entdeckte. »Hochgearbeitet habe ich mich von der Praktikantin zur Produktionsleiterin und schließlich zur Produzentin und Geschäftsführerin.« Was Anfang der 1990er-Jahre »ein durchaus üblicher Werdegang« im Filmbusiness gewesen sei.
Wikinger-Serie war zu teuer
Unüblich hingegen: dass Schäfer – damals bereits 32-jährig – nebenher ein Abendstudium zur Kommunikationswirtin absolvierte und sich damit eine solide Grundlage für ihr künftiges Wirken als Produzentin schuf. Dass es letztlich Animationsfilme sein würden, die sie wuppen sollte, war der Abendstudentin Schäfer freilich noch nicht klar. Rückblickend spricht sie von »schierem Zufall« und davon, dass der bis dato auf Realfilme fixierten Neuen Deutschen Filmgesellschaft (ndF) aus finanziellen Gründen ein Projekt zu entgleisen gedroht hatte.
»Eine Wikinger-Serie sollte gedreht werden, aber die Kosten waren zu hoch.« Stattdessen ließ sich eine internationale Trickfilmserie realisieren, womit der Grundstein für Animationen bei der ndF gelegt war. »Das hat Spaß gemacht«, erinnert sich Gisela Schäfer, die fortan mit dem Aufbau des Animationsbereichs betraut war, der unter dem Namen WunderWerk zum Trickfilmspezialisten aufsteigen sollte. Und zwar zum Spezialisten für Kinder- beziehungsweise Familienfilme. Denn: »Animationen für ein rein erwachsenes Publikum funktionieren in Deutschland anders als in Frankreich, Belgien und Spanien nicht wirklich.«
»Es ist absolut spannend, zu sehen, wie andere mit dem Stoff umgehen«
Da macht es Sinn, sich auf eine jüngere Zielgruppe zu fokussieren. Wiewohl es Gisela Schäfer ein Anliegen ist, Kinderbuchliteratur stets so umzusetzen, dass sie Guck-Anreize auch für ältere Semester bietet: für Kinobegleiter wie Mamas, Papas, Omas und Opas.
All dies jedoch nie über die Köpfe der Autoren hinweg. »Wir nehmen die Schriftsteller mit auf die Reise vom Buch zum Film, erklären ihnen, warum manchmal inhaltliche Eingriffe notwendig sind oder optische Veränderungen der Protagonisten. Uns ist es wichtig, die Autoren mit im Boot zu haben. Nur sie kennen die DNA ihrer Figuren, deren Seele bewahrt werden muss. Darauf legen wir großen Wert.«
Mit diesem Wir meint die Produzentin sich und die Dramaturgin Sunna Isenberg. Beide verbindet eine jahrzehntelange enge berufliche Zusammenarbeit, die inzwischen zur Freundschaft gereift ist. Man könne sich, so Gisela Schäfer, »blind aufeinander verlassen«.
Nicht blind, sondern wachen Auges werden beide Filmemacherinnen demnächst das Naturtheater Reutlingen beehren, das bekanntlich die Olchis auf seinem aktuellen Spielplan hat. »Auf diese Inszenierung freue ich mich schon jetzt«, bekennt die 58-Jährige. »Es ist absolut spannend, zu sehen, wie andere mit dem Stoff umgehen.« Kein Zweifel: »Schmuddelfing« ist Schäfers Ding. (GEA)