REUTLINGEN. Erst vor einigen Tagen hat die Polizei bei Routinekontrollen in und um Tübingen Autofahrer gestoppt und dabei Dutzende - wie es im Polizeideutsch heißt - Handyverstöße festgestellt. 100 Euro Bußgeld sowie ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderdatei sind in der Regel die Folgen.
Waren es früher noch verbotene Telefonate am Lenkrad, tippen mittlerweile immer mehr Menschen, die während der Fahrt Textnachrichten in ihr Smartphone. Sie sind mitunter so sehr abgelenkt, dass solche Handyverstöße sie Unfällen verursachen, oft schwere, mit Verletzten, auch mit Toten. Experten schätzen, dass in Deutschland etwa 100.000 Unfälle, 500 Tote und 25.000 Verletzte pro Jahr auf verbotenes Hantieren mit dem Smartphone am Steuer zurückzuführen sind.
Mittlerweile sind immer mehr Autos auf den Straßen unterwegs, die mit Sprechanlagen ausgerüstet sind. Telefonieren ist auch nicht mehr das Hauptproblem bei den Handyverstößen. Die Reutlinger Polizei schreibt in ihren Berichten mittlerweile von Autofahrerinnen und Autofahrern »die mit dem Smartphone beschäftigt waren«, wenn sie diese dabei ertappt. Im gesamten Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Reutlingen, also in den Landkreisen Reutlingen, Tübingen, Esslingen und im Zollernalbkreis, ertappte sie 2023 satte 11.500 Mal Autofahrer dabei.
Zwei Todesfälle in der Region
Seit Anfang 2021 wertet die Polizei intern aus, welche Verkehrsunfälle auf »Ablenkung durch Handy« am Steuer zurückzuführen sind. Nicht immer kann die Polizei das nachweisen. So teilt Sprecherin Andrea Kopp mit: »Die rechtlichen Voraussetzungen, wann die Polizei bei einem Unfall Handydaten auswerten darf, sind begrenzt. Das ist ein Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit mit entsprechenden Hürden und kann nicht routinemäßig bei jedem Unfall erfolgen.« Erfassen konnte das Polizeipräsidium dies in seinem Zuständigkeitsbereich in 72 Fällen.
Bei diesen Unfällen wurden zwei Menschen getötet und 36 weitere verletzt, acht von ihnen schwer. Polizeisprecherin Andrea Kopp weist darauf hin: »Der Anteil der Unfälle mit Personenschaden, mit Ursache Handy, ist mit 52 Prozent enorm hoch.« Mit anderen Worten: Mehr als die Hälfte der »Handy-Unfälle« enden mit Verletzten.
Hinzu kämen noch jede Menge ungeklärte Unfälle. Sie nennt ein Beispiel: »Wenn jemand alleinbeteiligt in den Straßengraben fährt und es kommt niemand anderes zu Schaden.« Die Verkehrsunfall-Experten im Reutlinger Polizeipräsidium gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, was die Unfallursache »Ablenkung durch Handy« angeht.
Polizei kündigt weitere Schwerpunkt-Kontrollen an
Hinweise darauf, dass das Smartphone am Steuer zu einem Unfall geführt hat, es aber nicht klar nachgewiesen werden kann, finden sich auch immer wieder in den Polizei-Presseberichten, wenn es beispielsweise heißt: »Aus unbekannter Ursache kam der Fahrer von der Fahrbahn ab«, oder »...kam auf die Gegenfahrspur«, oder »... prallte aus ungeklärter Ursache gegen einen Baum«, oder Ähnliches. Die vorherige Handynutzung bleibt also oft im Dunkeln. So auch bei zahlreichen schweren Unfällen in letzter Zeit in Reutlingen und der Region.
Die Gefährlichkeit von Handynutzung im Straßenverkehr bleibe enorm hoch, so Andrea Kopp. Deshalb werde die Reutlinger Polizei weiter und regelmäßig entsprechende Kontrollen organisieren. (GEA)