REUTLINGEN. Wenn die Tage kürzer werden und Nebel über die Felder zieht, richtet sich der Blick vieler Menschen auf diejenigen, die nicht mehr unter uns sind. Der November gilt traditionell als Monat des Gedenkens. Er beginnt mit einem Feiertag, nämlich Allerheiligen. Das Fest macht die Verbindung zwischen Leben und Tod spürbar. Aber was genau steckt noch dahinter? Der leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Reutlingen-Mitte/Eningen, Roland Knäbler, klärt auf.
GEA: Was wird an Allerheiligen gefeiert?
Roland Knäbler: Allerheiligen ist eines der Hochfeste im kirchlichen Kalenderjahr. Der November ist grundsätzlich ein Monat, an dem man sich an Verstorbene erinnert. Der katholische Feiertag wird am 1. November gefeiert und richtet den Blick auf die »lebenden Verstorbenen«. Der Tod der Heiligen wird dabei nicht als Ende verstanden, sondern als Übergang ins ewige Leben. An dem Tag wird die Verbindung zu ihnen gefeiert. Die Gläubigen bitten die Heiligen, Fürsprecher bei Gott zu sein. Sie nehmen ihr Leben als Beispiel dafür, wie man den Glauben im Alltag leben kann. Am Nachmittag besuchen viele Menschen die Gräber ihrer Angehörigen, schmücken sie und Pfarrer oder andere kirchliche Beauftragte segnen sie.
Worin unterscheiden sich Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag?
Knäbler: Bereits am Tag nach Allerheiligen, also am 2. November, wird Allerseelen gefeiert. Der Tag gilt nicht als gesetzlicher Feiertag. Angehörige oder Freunde verstorbener Personen, denken an sie, zünden Kerzen an und feiern Gottesdienste. Der Totensonntag hingegen ist ein evangelischer Gedenktag, der meist am letzten Sonntag im November begangen wird. Auch hier steht das Erinnern an die Verstorbenen im Mittelpunkt. Bei den Feiern am Volkstrauertag Mitte November steht das Gedenken mit stärker weltlich-gesellschaftlichem Bezug im Vordergrund. Es wird an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert, oft auch an Kriegsopfer.
Was hat Allerseelen mit Halloween zu tun?
Knäbler: Halloween wird am 31. Oktober, das heißt am Vorabend zu Allerheiligen, gefeiert. Inhaltlich bestehen nur entfernte Berührungspunkte: Sowohl Halloween als auch Allerseelen beschäftigen sich mit dem Thema »Seele und Tod«. Halloween ist aus der Furcht entstanden, dass sich Geister unter den Lebenden umtreiben. Durch Verkleidungen wollte man sich vor ihnen schützen, mit kleinen Gaben sollten sie besänftigt werden.
Seit wann werden Allerheiligen und Allerseelen gefeiert?
Knäbler: Die Ursprünge von Allerheiligen reichen bis in die Frühzeit des Christentums zurück. Schon in den ersten Jahrhunderten nach Christus ehrte man die Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben waren. Allerseelen entstand im 9. Jahrhundert in einem französischen Kloster: Der Abt Odilo von Cluny rief seine Mönche dazu auf, jährlich für die Verstorbenen in den Klöstern zu beten – daraus entwickelte sich das heutige Allerseelenfest.
Was schätzen Sie persönlich am meisten an Allerheiligen?
Knäbler: Es kommen Menschen zusammen, die gemeinsam an Verstorbene denken. Die einen mit noch »frischer«, »zeitnaher« Trauer, die anderen mit etwas Abstand. Es herrscht eine ganz besondere Atmosphäre. Der eine trägt den anderen. Das finde ich eindrucksvoll. (GEA)


