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Reutlinger OB Keck hält eine Kanzelrede

Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck hält beim Mosaik-Gottesdienst eine Kanzelrede

Oberbürgermeister Thomas Keck widmete sich beim Mosaik-Gottesdienst in der Kreuzkirche dem »umfassenden Wohlergehen einer Stadt«
Oberbürgermeister Thomas Keck widmete sich beim Mosaik-Gottesdienst in der Kreuzkirche dem »umfassenden Wohlergehen einer Stadt«. Foto: Bernklau
Oberbürgermeister Thomas Keck widmete sich beim Mosaik-Gottesdienst in der Kreuzkirche dem »umfassenden Wohlergehen einer Stadt«. Foto: Bernklau

REUTLINGEN. Für den neuen Oberbürgermeister Thomas Keck ist auch eine solche Predigt immer noch eine Art programmatischer Antrittsrede. Die Gastgeber von der Reutlinger Kreuzkirche hatten sie deshalb auch als »Kanzelrede« in einer Reihe von »Mosaik-Gottesdiensten« deklariert. Aus zwei Bibelworten war das Motto zusammengefügt: »Suchet der Stadt Bestes – suche den Frieden und jage ihm nach.« Dem Sonntagsgottesdienst sollten ein »Bürgergespräch« und ein gemeinsames Mittagessen folgen.

Volles Geläut: Siebeneinhalb Minuten riefen die vier Glocken der Kreuzkirche am gestrigen Sonntag zu Gebet und Gottesdienst. Das sei aber immer so, nicht extra fürs Stadtoberhaupt, versicherte ein Kirchengemeinderat. Kantorei und Band unter der Leitung von Wolfhart Witte traten auf, zunächst mit einem frech-frischen Gospel, später auch mit einer barocken Motette von Andreas Hammerschmidt. Es gab ein Kerzenritual für die Kleinen vor dem Kindergottesdienst. Pfarrerin Astrid Gilch-Messerer sprach Gebete und als Lesung drei Schriftstellen.

Ein wenig »blümerant« sei ihm, bekannte Thomas Keck, denn ein guter Pfarrer sei an ihm »eher nicht verloren gegangen«. Gerade deshalb danke er für das Vertrauen. Dem theologischen Thema näherte sich das sonst gern volksnahe Stadtoberhaupt zunächst historisch und sprachkritisch.

Umfassendes Wohlergehen

Der Prophet Jeremias habe seine Mahnungen nach der Zerstörung Jerusalems im vorchristlichen Jahr 597 durch Nebukadnezar und der Verschleppung ins babylonische Exil den hebräischen Eliten ins Stammbuch geschrieben. Luthers reichlich freie Übersetzung von »der Stadt Bestes« heiße wörtlich »Shalom«, und das bedeute wiederum viel mehr als bloß »Frieden«, nämlich »ein umfassendes Wohlergehen aller in der Stadt«.

Aus einigen aktuellen Büchern angesichts von Krisen, Vertrauensverlust und Radikalisierung hatte sich Keck den Begriff eines »Beziehungswohlstandes« als Antwort auf die »komplexe soziale Gegenbewegung« herausgepickt. Solch’ eine Idee sähe er in »Begegnung auf sozialen Marktplätzen« sowie in guten und günstigen Wohnungen: »Das Thema Wohnen brennt mir auf den Nägeln.«

Für die Lösung der großen Menschheitsfragen zwischen Frieden und Umweltschutz sehe er mit dem Vordenker Ernst-Ulrich von Weizsäcker »keine Rezepte«, wohl aber den Imperativ einer »neuen Aufklärung«. Dass »die Legitimität des Egoismus infrage gestellt« werden müsse, das habe auch der katholische Papst Franziskus ähnlich klar auf den Punkt gebracht. Die jugendliche »Fridays-for-Future«-Bewegung habe seine Sympathie. Die Kommunalpolitik habe Möglichkeiten und Handlungsspielräume, sagte er und nannte den Nahverkehr, eine kluge Stadtplanung, den Wohnungsbau oder begrünte Dächer mit Solaranlagen als Beispiele: »Das alles ist ›Shalom‹, der Stadt Bestes.«

Um das zu schaffen, müsse »der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden«, so Keck: »Wir brauchen ein Miteinander auf Augenhöhe als stetigen Prozess.« Global und kommunal denken, das habe er von seinem SPD-Parteifreund Erhard Eppler gelernt. Er verwies auf die Fluchtursachen in den Krisengebieten Kongo oder Libyen und bekannte sich zu der knappen Gemeinderatsentscheidung für das Projekt »Sicherer Hafen«. Für ihn sei das »immer noch Christenpflicht – einfach nur helfen«.

Wichtiges Netzwerk

Gemeinschaftserlebnisse wie den Schwörtag wolle er stärken in der Stadt. Sie schafften Zugehörigkeit und Heimat. Ein Haus der Kulturen (»nicht nur für Migranten«) solle es bald geben, kündigte er an und lobte die Stiftung »Lebenswert« in der Kreuzkirchengemeinde für ihre vielfältige Stadtteilarbeit: »Solche Netzwerke brauchen wir. Shalom!«, schloss Keck.

Die Hälfte der Gottesdienstbesucher blieb, die andere ging heim oder zum Essen von Maultaschen und Kartoffelsalat. Im Bürgergespräch unter der Moderation von Otto Haug ging es um die Wohnraumfrage sowie die Schaffung von Mehrgenerationenhäusern. Man müsse die jungen Leute wieder in die Stadt holen, »zu günstigen Mieten in die vielen leer stehenden Dachgeschosse«, wünschte sich der OB.

Um den »Mut, aufzustehen« (Thomas Keck) gegen extremistische Ansichten und auch um »Begegnungsorte« ging es außerdem. Als einer davon wurde die Stadtbibliothek gelobt, »für alle umsonst offen«. Dem schloss sich der Rathauschef an und verwies auf die weiteren »kulturellen Leuchttürme« von der Stadthalle über das franz.K, das Kamino-Programmkino und die Tonne. Das sei »schon fast Weltniveau«, flachste Keck. Er wollte aber auch die »alten Dorfwirtschaften« erhalten wissen. Wichtig sei »ein niederschwelliges Kulturangebot – so was brauchen wir«, sagte er unter Beifall. (GEA)