REUTLINGEN. Sachen zu stehlen, lohnt sich niemals. Jetzt hat das Schöffengericht am Amtsgericht Reutlingen einen drogensüchtigen 32 Jahre alten Mann verurteilt, der in einem Reutlinger Laden ein Smartphone geklaut hatte. Auf der Flucht verpasste er einem Passanten, der ihn festhalten wollte, zwei Faustschläge. Macht zusammengerechnet für räuberischen Diebstahl mit vorsätzlicher Körperverletzung inklusive einer vorangegangenen Beleidigung eine Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten.
»Can not be sold or used« zeigt der Bildschirm des 1.500 Euro teuren Diebesgutes an, als es Richter Eberhard Hausch in der Verhandlung anschaltet. Frei übersetzt: Dieses Smartphone kann weder verkauft noch benutzt werden. Wusste der Täter offenbar nicht, als er im November des vergangenen Jahres ein Geschäft in der Innenstadt heimsuchte. Dort riss der Mann das Smartphone aus seiner Halterung, machte sich durch die Glastüre davon. Draußen auf der Metzgerstraße stellte ihn ein Passant zur Rede.
Flucht mit zwei Faustschlägen
Laut Oberstaatsanwältin Nicole Luther verpasste der Ganove dem Tatzeugen, der seine Flucht behinderte, zwei Faustschläge. Anschließend entkam er zunächst. Weil jedoch eine Frau auf der Straße Teile des Zwischenfalles filmte, zudem sein Schlüsselbund zurückblieb, konnte ihn die Polizei zügig ermitteln. Dies auch dadurch, dass der Ladendieb kein unbeschriebenes Blatt ist. So gesellt sich der nun verhandelte räuberische Diebstahl zu weiteren Missetaten.
Weit unter der Gürtellinie, deswegen nicht zitierfähig, hatte der Angeklagte zwei Nachbarinnen beleidigt. »Das alles räumt mein Mandant vollumfänglich ein«, sagt Verteidiger Steffen Kazmaier. Dieses Geständnis macht die Beweisaufnahme recht kompakt. Das Gericht hört sich sicherheitshalber noch die Aussage einer Hauptkommissarin an, die damals die Diebstahls-Anzeige aufgenommen hatte. Auch dadurch ist klar, dass die dem Menschen zur Last gelegten Taten so wirklich passiert sind. Anschließend fördert die Würdigung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten im Sitzungssaal 1 nur traurige Tatsachen an die Ohren der Prozessbeteiligten.
Im Gerichtssaal
Richter: Eberhard Hausch. Oberstaatsanwältin: Nicole Luther. Schöffen: Manfred Wolf und Laura Kern. Verteidiger: Steffen Kazmaier.
Lange ist es her, dass der 32-Jährige als Lokführer gearbeitet hat. Irgendwann ist er aufs falsche Gleis geraten, hat erhebliche Mengen Cannabis konsumiert und dadurch auch viel Geld benötigt. Somit fällt der Smartphone-Diebstahl in die Kategorie Beschaffungskriminalität. Sein Vorstrafenregister enthält weitere Straftaten wie Unfallflucht, vorsätzliche Körperverletzung, Fahren ohne Führerschein sowie Beleidigung und Bedrohung. Fazit von Richter Hausch: »Der Angeklagte ist nicht unbescholten.« Schwer wiegt auch, dass er mit dem Diebstahl gegen Bewährungsauflagen verstoßen hat, weswegen er direkt nach der Tat in Untersuchungshaft wanderte.
Schwere Cannabis-Abhängigkeit
In der Rolle des Sachverständigen gibt Professor Dr. Thomas Ethofer, Oberarzt des Tübinger Universitätsklinikums für Psychiatrie und Psychotherapie, eine Einschätzung des Angeklagten ab. Seine Diagnose lautet »schwere Cannabis-Abhängigkeit« mit allen Folgen, aber noch jenseits dauerhafter Schädigungen des Gehirns und ohne die Schuldfähigkeit des Mannes einzuschränken. Die Kriminalprognose sei ohne eine stationäre Therapie eher bescheiden. So klar wie der Fall scheinen mag, so unterschiedlich fallen die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung aus.
Oberstaatsanwältin Luther möchte den Diebstahl nicht als minderschweren Fall eingeordnet sehen. Sie beantragt inklusive der Beleidigung eine Gesamtstrafe von einem Jahr und sieben Monaten Freiheitsentzug ohne Bewährung. Rechtsanwalt Steffen Kazmaier sieht seinen Mandanten mit einer Haftstrafe von acht Monaten und zwei Wochen angemessen bestraft, die zudem zur Bewährung ausgesetzt werden solle. Das Schöffengericht folgt letztlich in seinem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Dazu wird der Suchtkranke zu einer stationären Therapie verurteilt, damit er die Chance auf eine drogenfreie Zukunft hat. (GEA)