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Reutlinger Museen wollen junge Menschen begeistern

Museen stehen vor der großen Herausforderung, mit der Generation Z in Kontakt zu treten. Wie kann man junge Menschen für die Museumslandschaft begeistern? Der GEA hat in Reutlingen nachgefragt.

Auch das Naturkundemuseum will junge Menschen für sein Angebot begeistern.
Auch das Naturkundemuseum will junge Menschen für sein Angebot begeistern. Foto: Stephan Zenke
Auch das Naturkundemuseum will junge Menschen für sein Angebot begeistern.
Foto: Stephan Zenke

REUTLINGEN. Um Jugendliche und junge Erwachsene abzuholen, haben Kultureinrichtungen in den letzten Jahren einige Initiativen gestartet. Museen werden immer mehr zum Begegnungsraum. Sie haben spezielle Angebote, wie die lange Nacht der Museen oder den Museums-Pass. Außerdem nutzen sie die Digitalisierung, um Informationen interaktiv zu vermitteln. Für junge Menschen gibt es in den Reutlinger Museen meist einen reduzierten Preis oder komplett kostenfreien Eintritt. Doch der Preis spielt bei der jungen Generation nur eine Nebenrolle, wie eine Umfrage zeigt. Ausschlaggebender ist, ob der Inhalt einen Bezug zur Lebensrealität der jungen Menschen hat.

»Viele junge Menschen sitzen im Museumsgarten, kommen aber nicht rein«, stellt Christian Rilling vom Heimatmuseum Reutlingen fest. Er sieht eine »unsichtbare Barriere«. Man stolpere nicht einfach so in ein Museum. Abseits von Schulklassen wären viele Leute, die ins Museum gehen, über 50 Jahre alt.

»Viele junge Menschen sitzen im Museumsgarten, kommen aber nicht rein«

Stephan Rößler, Museumsleiter des Reutlinger Kunstmuseums, konstatiert Ähnliches: »Das Durchschnittsalter ist sehr, sehr hoch, ich schätze mal über 60. Jedes Museum schreibt sich auf die Fahne, junge Menschen abzuholen.« Zielgruppe sind für ihn alle »neugierigen Menschen, die bereit sind, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen«. Dennoch müsse man Formen überdenken und den Museen mehr Eventcharakter geben. So könne man auf Vernissagen bewusst auf Kunst von jüngeren Künstlern setzen, DJs einladen oder neue Eintrittsformate wie »Pay what you want« etablieren.

Auch das Naturkundemuseum möchte das ganze Altersspektrum ansprechen, sagt Museumsleiterin Dr. Barbara Karwatzki: »Ein Drittel der Besucher sind Kinder, zwei Drittel Erwachsene.« Das Museum habe bereits Anfang der 2000er-Jahre auf die Themen Umweltschutz und Naturraumzerstörung gesetzt, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen - Themen, die nach ihrer Auffassung junge Leute ansprechen müssten. Der Dauerbrenner bei allen Alterskohorten sei jedoch die Fotoausstellung »Wildlife Photographer of the Year«, und auch die Kulturnacht locke viele Leute ins Museum, so Karwatzki. »Dass so wenige Schulklassen herkommen, ist ein Mysterium«, das sie sich nicht erklären kann: Statt der üblichen 15 Prozent machen diese beim Naturkundemuseum nur fünf Prozent der Besucher aus.

»Dass so wenige Schulklassen herkommen, ist ein Mysterium«

Christian Rilling betont, wie wichtig es ist, den Besuchern die Gelegenheit zu bieten, Inhalte mitgestalten zu können. Allerdings würde das »Stadtpalais Stuttgart«, das mit seinen Partys jüngeres Publikum anspricht, dafür Kritik vom etablierten Publikum des stadtgeschichtlichen Museums ernten. Man müsse darauf achten, das Stammklientel nicht zu verschrecken - auch nicht mit allzu wilden Ausstellungen.

Museen würden oft zu hohe intellektuelle Erwartungen an ihre Besucher stellen, fürchtet Rößler. Diese Hürden gelte es abzubauen. Man müsse vielmehr vermittelnd an das Publikum herantreten, das würde dann zu einer »Demokratisierung des Museums« beitragen. Neben aktuelleren Themen sei auch der Titel einer Ausstellung von erheblicher Bedeutung, verrät Rößler. Die aktuelle Ausstellung zu den Farbholzschnitten aus dem 20. Jahrhundert im Kunstmuseum heißt deshalb »Shine bright like a Diamond«: ein Rihanna-Songtitel. Dennoch betont er: »Am Ende bleibt es ein Museum, egal wie fancy und cool der Titel ist.«

»Am Ende bleibt es ein Museum, egal wie fancy und cool der Titel ist«

Laut einer aktuellen YouGov-Umfrage nutzen zwei Drittel der 14- bis 28-Jährigen Instagram, rund 30 Prozent nutzen TikTok. Das Naturkundemuseum habe »viel vor« im Bereich Social Media. Das sei aber nicht zu realisieren, da der städtische Haushalt da nicht mitmache. Das Heimatmuseum habe dagegen sogar einen Extra-Mitarbeiter für Digitales und Social Media, der unter anderem auf Instagram für die Veranstaltungen wirbt. Während das Kunstmuseum bereits einen eigenen Webauftritt hat, sind Heimat- und Naturkundemuseum bisher nur auf der Homepage der Stadt repräsentiert.

»Der digitale Raum muss bespielt werden, aber dafür fehlen uns die Kapazitäten«, sagt Stephan Rößler, das gehe nicht nebenbei. Obwohl das Kunstmuseum auf Instagram etwa 4.000 Follower hat, sei das noch kein Garant dafür, dass die Menschen dann tatsächlich auch ins reale Museum gehen. Er positioniert sich ganz klar: »Man muss jungen Leuten ihre Räume lassen und nicht versuchen, diese zu erobern«. Das, was in einem Museum zu sehen ist, könne man auf Social Media so nicht sehen, so Rößler. Sein Kollege vom Heimatmuseum stimmt ihm zu: Christian Rilling sieht den großen Vorteil beim Museum darin, dass es die Gelegenheit biete, sich mit Originalen vertraut zu machen. Diese ließen sich eben nicht durch ein Foto ersetzen.

»Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was es hier für Museen gibt«

Für jüngere Menschen sind Museen nicht wirklich gegenwärtig im Lebensalltag: »Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was es hier für Museen gibt«, verrät Jenny Glaunsinger auf der Reutlinger Wilhelmstraße. Sie fährt eher woanders hin, um sich ein Museum anzuschauen. Mehr Präsenz von Themen für die Generation Z wünscht sie sich eher auf Social Media, weil jüngere Menschen das eher nutzten. Auch Helena weiß nicht so recht, welche Museen es in Reutlingen gibt: »Man bekommt nichts mit von Museen, wenn man sich nicht aktiv danach umschaut«. Während sie sich mehr Events für junge Leute wünscht, würde sich Rasmus Süßke über ein interaktiveres Angebot freuen.

Mohammed Aldroubi wünscht sich mehr Themen, die die Jugend interessieren. Er spielt auf Reutlingen als alte Industriestadt an und beklagt die fehlende Präsenz eines Technikmuseums. Mit dem Industriemagazin gebe es zwar ein industrielles Museum, dieses fokussiere sich aber auf historische Aspekte. Über den Impuls, eine Technikausstellung auf die moderne Zeit zu beziehen, könne man durchaus nachdenken, so Christian Rilling. »Wenn das Thema stimmt, gibt es auch einen Anreiz, ins Museum zu gehen«, sagt er. Und Kollege Rößler resümiert: »Wer junge Menschen haben will, muss ihre Themen behandeln. Sie ins Museum zu bringen, bedarf nachhaltiger Arbeit.« (GEA)