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Reutlinger Marktplatz: Umgestaltung weiter kontrovers

Der Reutlinger Marktplatz soll umgestaltet werden, unter anderem durch die Pflanzung von Bäumen. Die Beschicker protestierten und es kam zu einem Kompromiss mit der Stadt. Doch so richtig befriedet ist die Lage offenbar nicht.

Der Reutlinger Marktplatz aus der Vogelperspektive.
Der Reutlinger Marktplatz aus der Vogelperspektive. Foto: Frank Pieth
Der Reutlinger Marktplatz aus der Vogelperspektive.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Nach wenigen Sätzen wurde die Frau von aufgeregtem Geraune fast unterbrochen. »Der Wochenmarkt ist an drei Vormittagen. Als Bürgerin denke ich aber auch an die Aufenthaltsqualität, wenn kein Markt ist«, hatte sie bei der Bürgerinfoveranstaltung zur Marktplatzumgestaltung vor versammeltem Publikum geäußert. Ein anderer Mann pflichtete ihr bei: »Es ist doch ein schwieriger Ansatz zu sagen: Die Interessen der größten Gruppe auf dem Marktplatz sind gesetzt und wir planen drumherum.« Heißt übersetzt: Marktbeschicker gegen den Rest. Spätestens da wurde der Grundkonflikt wieder deutlich, der aktuell in Reutlingens Mitte schwelt: Wem gehört der Marktplatz? Wem muss er gefallen und für wen sollte er eher zweckdienlich sein?

Die Pläne der Stadt Reutlingen zu einer den Geldbeutel schonenden Aufwertung des Marktplatzes hatten im Juli für Empörung bei den Marktbeschickern gesorgt. Sechs Bäume sollen, wenn es nach dem Rathaus geht, auf dem Marktplatz gepflanzt werden und in Zukunft für mehr Schatten und Aufenthaltsqualität sorgen. Doch die Marktbeschicker fürchten eine Behinderung beim täglichen Auf- und Abbau und beim Verkauf, und legten Protest ein. Per Fahrversuch wurde an einem eiskalten Samstagmorgen im Oktober dann getestet, ob die Bäume wirklich im Weg stehen - und man fand zu einem Kompromiss.

Frank Kuhn, der den Markt als verlängerter Arm der Verwaltung leitet, im Gespräch mit Bürgern bei der Info-Veranstaltung.
Frank Kuhn, der den Markt als verlängerter Arm der Verwaltung leitet, im Gespräch mit Bürgern bei der Info-Veranstaltung. Foto: Frank Pieth
Frank Kuhn, der den Markt als verlängerter Arm der Verwaltung leitet, im Gespräch mit Bürgern bei der Info-Veranstaltung.
Foto: Frank Pieth

Doch so richtig befriedet ist die Lage offenbar nicht. Circa zehn Händler waren am Mittwochabend zur Infoveranstaltung in den Spitalhof gekommen, nochmal so viele Gemeinderäte und eine Handvoll Bürger. Nicht gerade der Andrang, den man sich im Rathaus erhofft hatte - immerhin war die Veranstaltung nur auf Drängen vieler Gemeinderäte überhaupt erst ins Leben gerufen worden.

Ist das wirklich nachhaltig? Marktbeschicker Nikolaus Mikeler äußerte Unverständnis darüber, dass man ja Wasserleitungen benötigen wird, um die neuen Bäume adäquat zu versorgen. Man habe Verstärkung im Grünflächenmanagement bekommen, beschwichtigte Georg Frey, Abteilungsleiter Grünflächen und Umwelt. »Außerdem müssen wir eh den Blumenschmuck gießen, da kommt es auf die drei Bäume auch nicht an.« Ex-Grünen-Stadträtin Ariane Wiedemann regte an, »weg vom reinen Markt« zu kommen und eine Fläche für Kinder zu gestalten. »Wir sehen die Kinderfläche eher im Bereich Rathaus«, so die Antwort von Baubürgermeisterin Angela Weiskopf.

Bei diesen Bäumen soll's nicht bleiben: Der Marktplatz an einem kühlen Dezembermittag.
Bei diesen Bäumen soll's nicht bleiben: Der Marktplatz an einem kühlen Dezembermittag. Foto: Frank Pieth
Bei diesen Bäumen soll's nicht bleiben: Der Marktplatz an einem kühlen Dezembermittag.
Foto: Frank Pieth

Zwei der ursprünglich geplanten Bäume fallen weg: Der eine, weil er mitten im Stand der Dettinger Blumenmönche, der andere, weil er direkt vor Frank Kuhns Stand stehen würde. Idee eines Besuchers: »Kann man nicht die Stände tauschen, um bei den Blumenmönchen doch noch Platz für einen Baum zu schaffen?« Wieder Geraune unter den Marktbeschickern. »Stand jetzt eher Nein. Aber wir können nochmal mit den Beteiligten sprechen«, so die Antwort von Abteilungsleiter Frey. Und wie sieht es potenziell mit Fassadenbegrünung der Häuser um den Marktplatz herum aus? »Das müssen Hausbesitzer selbst machen«, so Frey, da könne man als Stadt nicht einfach eingreifen.

Vor dem »Alexandre« sind übrigens drei weitere Bäume angedacht. Man sei diesbezüglich aber noch mit der Denkmalpflege im Gespräch, so Weiskopf. Denn die Standorte sind auf Rathaus-Grund - und dieses steht unter Denkmalschutz.

Meinungen und Wünsche

Was ist wichtig in Bezug auf klimaresiliente Gestaltung?
Von Sonnensegel über Hitzeschutz bis Entsiegelung gingen die Wünsche auf den Stellwänden. Einige Bürger forderten auch mehr Wasser beziehungsweise Wasserspiele. Dazu Mutmachendes aus dem Stadtmarketing: Dessen Geschäftsführerin Anna Bierig versucht offenbar für den kommenden Sommer, ein Wasserspiel zu organisieren - ähnlich wie das in diesem Jahr.

Was ist wichtig beim Thema Aufenthalt?
Ganz klar Mehrheitsmeinung: Sitzgelegenheiten (ohne Plastik). Aber auch »ein gemischtes Publikum, anders als heute«, Kunst und Wasserspender.

Was ist wichtig beim Thema Veranstaltungen?
Beim Thema Weihnachtsmarkt scheiden sich die Geister. Während ein Bürger »Weihnachtsmarkt auf dem Marktplatz« fordert, will ein anderer »weniger Weihnachtsmarkt«. Auch das Riesenrad, das 2020 dort stand, haben einige noch in guter Erinnerung, während andere zu einem angemessenen Lärmpegel mahnen.

Was ist wichtig beim Thema Wochenmarkt?
Die Besucher der Infoveranstaltung schätzen das Publikum, die Atmosphäre, das vielfältige Angebot und die Regelmäßigkeit. Einer merkte aber auch an, dass es keinen »Allmachtsanspruch für die Marktbeschicker geben dürfe«. (kk)

Auf Baumarten habe man sich noch nicht festgelegt, so Abteilungsleiter Frey. Man wolle den sechs Kastanien, die in gutem Zustand sind, »noch mehr als zehn Jahre Lebenszeit verschaffen«. Stadtintern liege eine Liste mit Baumarten vor, denen steigende Temperaturen weniger ausmachen. Nun wolle man klären, welche Art kommen soll - »das macht man nie zu Beginn einer Planung«, so Frey.

Bis auf Details gab's bei dieser Infoveranstaltung also wenig Neuigkeiten. Die Stadt und die beauftragten Planungsbüros waren sehr bemüht, allumfassend zu informieren. Doch die meisten Zuhörer, die da waren, wussten vieles schon. Ist das Interesse der Bürger - abseits von Gemeinderäten und Händlern - also so gering? Oder war der Zeitpunkt einfach ungünstig gewählt? Wie auch immer: Noch im ersten Quartal 2025 sollen die überarbeiteten Pläne in kleinen Gruppen von Betroffenen nochmal besprochen werden. Noch vor der Sommerpause 2025 sollen die Planungen dann dem Gemeinderat vorgestellt werden, nach der Sommerpause soll dieser einen Beschluss fassen. (GEA)