REUTLINGEN. Landrat Dr. Ulrich Fiedler bemühte Superlative, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Die Situation sei so schwierig wie niemals zuvor, die Lage desaströs, man könne so wie jetzt nicht mehr weitermachen. »Wir brauchen definitiv eine andere Politik auf allen politischen Ebenen, damit wir weiterhin unsere Aufgaben erfüllen können«, mahnte Fiedler beim Pressegespräch zum Entwurf des Kreishaushalt 2026/2027, der am Mittwoch in den Kreistag eingebracht wurde. Unter einer anderen Politik stellt sich Fiedler eine entsprechende Finanzierung der Pflichtaufgaben des Landkreises im Sozialbereich durch Bund und Land vor, aber auch ein gehöriges Maß an Entbürokratisierung, weil die komplexen Verwaltungsvorgänge Arbeitskraft binden und die Kosten in die Höhe treiben. Und auch Kreiskämmerer Wolfgang Klett sprach von einer »katastrophalen Ausgangssituation«. Nicht nur wegen der steigenden Kosten im Sozialhaushalt, sondern auch, weil die Kreiskasse nahezu leer sei. »Das macht uns ein politisches Handeln fast unmöglich.« Dennoch sei es gelungen, nun einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen.
Kreisumlage steigt ab 2026
Der Etat für das Jahr 2026 weist ein Volumen von 604 Millionen Euro auf, im Jahr 2027 werden es laut Entwurf knapp 599 Millionen Euro sein. Fest eingeplant ist eine steigende Kreisumlage von vier Prozentpunkten auf einen Hebesatz von 37 Prozent im Jahr 2026. Im Jahr darauf soll die Kreisumlage unverändert bleiben. Der Landkreis rechnet dadurch mit einem Plus von 34,4 Millionen bei den Einnahmen 2026, insgesamt fließen laut Plan knapp 214 Millionen Euro von den 26 Städten und Gemeinden an den Landkreis, im Jahr 2027 rund 220 Millionen Euro. Die Neuverschuldung beläuft sich auf 30 Millionen Euro im Jahr 2026 und zehn Millionen Euro im Jahr 2027. Am Ende des Jahres 2027 wird der Landkreis eine Gesamtverschuldung von 174,36 Millionen Euro abtragen müssen.

Im so genannten Nettoressourcenbedarf macht der Bereich Soziale Hilfen, Schwerbehindertenrecht, Kinder-, Jugend- und Familienhilfe inzwischen 75 Prozent aus. Der Nettoressourcenbedarf ist das, was der Landkreis zusätzlich finanzieren muss gegenüber dem, was von Bund und Land für diese Bereiche an den Kreis fließt. Kurzum: Ein Minusgeschäft für den Kreis, der seine Pflichten erfüllt, aber dafür nicht entsprechend finanziert wird. Insgesamt belaufen sich diese Ausgaben im Jahr 2026 auf rund 223 Millionen Euro, im Jahr danach auf 228 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2010 lag der Zuschuss für den Sozialhaushalt noch bei 109 Millionen Euro.
Neubau bedingt abermals hohe Investitionen
Bedingt durch den Neubau des Landratsamtes hat der Landkreis 2026 nochmals hohe Investitionen, rund 56 Millionen Euro, 2027 sind es dann rund 31 Millionen Euro. Bereits in diesem Jahr wird der Landkreis mit einer Liquidität von 3,3 Millionen Euro deutlich unter dem Mindestmaß von zukünftig elf Millionen Euro liegen, 2026 stürzt der Wert laut Planentwurf nochmals ab auf 1,3 Millionen. Erst 2029 soll die Mindestliquidität wieder erreicht werden.
Fiedler betonte, der Landkreis habe seine Hausaufgaben gemacht. Er forderte Bund und Land unmissverständlich auf, für eine auskömmliche Finanzierung der Landkreise bei deren Pflichtaufgaben zu sorgen. »Wir auf der kommunalen Ebene können so nicht mehr weitermachen.« Der Landkreis finanziere mehr als ein Viertel der öffentlichen Aufgaben, bekomme aber nur 15 Prozent an Steuermitteln als Ausgleich »Wir brauchen dringend höhere Anteile an der Umsatz- und Einkommenssteuer.«
Umsetzung ist ein Bürokratiemonster
In der anstehenden Debatte zum Kreishaushalt werde man sehen müssen, was man sich als Landkreis noch leisten könne. Fiedler befürchtet, dass im Zuge der Spardebatte sogar über die Regionalstadtbahn diskutiert wird. Aber er stellte klar: »Die Regionalstadtbahn ist eines der zentralen Zukunftsprojekte unseres Landkreises.« Und man müsse sehen, dass dies nur einen kleinen Bruchteil des Haushalts ausmache. Mehraufwendungen, die dem Landkreis nicht erstattet werden, habe man aber zum Beispiel beim Bundesteilhabegesetz, das er zwar voll und ganz unterstütze, aber dessen Umsetzung »ein Bürokratiemonster« sei, kritisierte Fiedler. »In der Summe reden wir da über weit höhere Kosten als bei der Regionalstadtbahn.«
Für Wirtschaft, Tourismus, Theater und Kultur wende man gerade mal 0,6 Prozent des Haushalts auf. Das seien Bereiche, in denen ganz Wertvolles geleistet werde für die Menschen im Landkreis. Aber, so befürchtet Fiedler, da werde jetzt im Zuge der Haushaltsdebatte im Kreistag die Diskussion darüber beginnen, ob man sich die Förderung von Philharmonie und Naturtheater noch leisten könne. »Dafür habe ich kein Verständnis.« Es könne doch nicht sein, dass denen, die für ein gutes Zusammenleben der Menschen im Landkreis etwas leisten, Mittel gekürzt werden, weil Bund und Land ihren Verpflichtungen nicht nachkämen.
Millionen für Bildung, Mobilität und Gesundheit
Bei allem Sparzwang investiert der Landkreis in den kommenden beiden Jahren rund 17 Millionen Euro in Bildung, zehn Millionen in Mobilität, acht Millionen in die Gesundheitsversorgung. Beim Landratsamt sei keine einzige neue Stelle vorgesehen, hob Fiedler hervor. Außerdem wolle man die Energiewende weiterhin positiv begleiten. Auch die Gesundheitsversorgung im Landkreis sei ihm ein großes Anliegen. Ob und was konkret eingespart wird, darüber entscheidet der Kreistag in den kommenden Debatten. Ein Antrag der Verwaltung zur Schülerbeförderung beim ÖPNV liegt bereits vor. Der Kreis will in Zukunft weniger fördern, das heißt, dass auf die Eltern höhere Kosten zukommen könnten. (GEA)

