REUTLINGEN. Es gehe ihm nicht um die Anrede, sondern um den Anspruch ein moderner Arbeitgeber zu sein, sagt er. Der Reutlinger Landrat Dr. Ulrich Fiedler hat allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Du angeboten. Ungewöhnlich für eine vermeintlich ebenso staubtrockene wie streng hierarchisch aufgebaute Verwaltung. Aber dieser Eindruck entspricht eben längst nicht mehr den Tatsachen. Wo und wie Fiedler es gemacht hat, ist deswegen kein Zufall - sondern ein Zeichen. Der Landrat stand wie einer der Bosse von Weltkonzernen wie Apple oder Facebook ganz locker mit Turnschuhen und Sakko vor dem Bildschirm einer Bühne, auf der ein Programm für Mitarbeiter präsentiert wurde. Was soll das alles wem bringen?
»Wir können der modernen Welt nur mit modernen Mitteln begegnen«, beginnt Fiedler einen längeren Dialog mit vielen englischen Wörtern, besonders häufig den beiden »New« und »Work«. Er klappt vor sich sein dienstliches Tablet auf, zeigt einen Film aus der Mitarbeiterveranstaltung mit seiner Duzen-Offerte. Vor einem Großteil der 1.400 Frauen und Männern in den Diensten des Landkreises ging es da in den Pfullinger Hallen um das neue interne Intranet des Landratsamtes »meinLARA«. Ein weiteres Stück jener Arbeitskultur, um die es Fiedler geht. »Ich finde es sehr cool, dass wir sowas machen«, meint er mit Blick auf die Vorstellung des neuen Intranets.
»Wir können der modernen Welt nur mit modernen Mitteln begegnen«
Über das Du redet der Landrat später. Zunächst zeigt er, was alles im Intranet steckt: Aktuelle Nachrichten und Neuigkeiten zum Landkreis und zum Landratsamt Reutlingen, Infos zu Karriere- und Ausbildungsmöglichkeiten, Termine und Veranstaltungen sowie aktuelle Stellenanzeigen. Die in der Kategorie »Soziale Netze« in den App-Stores zu findende dazugehörige App »meinLARA« holt zumindest die jüngeren Mitarbeitenden dort ab, wo sie sind: Vor dem Taschenbildschirm. Dazu passt, wie Fiedler bei dieser Mitarbeiterveranstaltung auf der Bühne erscheint.
Im Stile von Apple-Gründer Steve Jobs oder Facebook-Boss Mark Zuckerberg trägt er oben sein bekanntes korrektes dunkles Sakko mit makellos weißen Hemd, aber unten legere Turnschuhe. Der Auftritt ist ein Teil dessen, was der Landrat als »kulturellen Wandel« bezeichnet, in dessen Rahmen er über »new Leadership« nachdenke. Zum neuen Führungsstil mit flachen Hierarchien gehöre auch sein persönliches Angebot sich Duzen zu lassen. In der Behördenfamilie habe das für Aufsehen gesorgt. Aber es sei lediglich Teil eines Wandels, betont er erneut mit einer Reihe von Beispielen.
Früher hätten die Chefs Anweisungen gegeben, Aufgaben verteilt sowie das Ergebnis kontrolliert. Heute gehe es darum Mitarbeitende zu befähigen Eigenverantwortung zu übernehmen, Inspirationen zu entwickeln. »Ich schaffe einen Motivationsrahmen«, sagt Fiedler, »wir haben ganz viel gemacht, um die Führung und die Zusammenarbeit im Landratsamt weiterzuentwickeln«. Die andere Anrede gehöre lediglich dazu, sei aber keinesfalls das Wichtigste.
Schon länger konnten die engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Landrat duzen - und vice versa. Ebenso pflegte der Metzinger eine solche Ansprache mit den Amtsleitern und Dezernenten. Da sei es ziemlich naheliegend gewesen, auch mit allen anderen diesen Kommunikationsstil zu pflegen. Keine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei der Anrede sei auch »New Work«. Übrigens nur mündlich, denn schriftlich bleiben bei dienstrechtlicher Korrespondenz die bekannten Anreden mit Herren und Damen und vielen Sie.
Der Kulturwandel ist ihm ein persönliches Anliegen, zeigt Fiedler auch durch seine Reaktion auf die GEA-Anfrage in Sachen Duzen. Er hat kurzfristig Zeit zum persönlichen Gespräch, und er möchte die fertige Geschichte vorab lesen. Bei aller lockerer Ansprache geht es dem Behördenboss um Wesentliches: »Junge Menschen sollen gerne kommen. Wer schon hier ist, gerne bleiben«. Der Landkreis Reutlingen müsse ein moderner Arbeitgeber sein, der effektiv für die Menschen des Kreises arbeitet - und ein attraktiver Arbeitgeber im »War for Talents«, dem Kampf um Talente. Zur Frage, wie das die Adressaten des Landrats-Angebotes sehen, hat die Pressestelle einen Rundgang organisiert.
»Ich finde sein Duzen-Angebot gut. Es macht ihn sympathisch«
Wenig erstaunlich findet sich dabei keine und keiner, der die Duz-Offerte ablehnt. »Zuerst bin ich sehr überrascht gewesen, weil das ungewöhnlich ist - immerhin ist er der Behördenleiter. Er setzt damit ein Zeichen, dass man sich auf Augenhöhe begegnet«, sagt Ingrid Wiedmann, die Beauftragte für Kriminal- und Verkehrsprävention im Landkreis. »Ich hätte es mir nicht vorstellen können, aber die Zeiten ändern sich«, ergänzt sie. Einer der Bauleiter des Kreises, Frank Schwenk, äußert sich ebenfalls lobend: »Ich finde es eine ganz tolle Sache für das Wir-Gefühl«. Noch sei er dem Landrat aber nicht duzend begegnet. Schwenks Kollegin Clara Chauhan spricht von »einer sehr gut begründeten persönlichen Entscheidung. Ich find's gut. Macht ihn sympathisch«. (GEA)