REUTLINGEN. Das Ehrenamt ist unverzichtbarer Teil unserer Gesellschaft, der Einsatz der Engagierten nicht hoch genug zu schätzen: Darin waren und sind sich alle Fraktionen im Kreistag einig. Ein sichtbares Zeichen dieser Wertschätzung soll dabei die Ehrenamtskarte sein, die das Land sukzessive ab Mitte 2025 einführen will. Die Inhaber sollen ermäßigte Eintritte in Kultur-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen erhalten. Die Testphase in den Modell-Landkreisen Calw und Ostalb, sowie den Städten Freiburg und Ulm ist abgeschlossen. »Die Evaluierungen waren gut«, sagt CDU-Kreisrat und MdL Manuel Hailfinger.
Die CDU und die Grünen haben deshalb einen Antrag gestellt, sie auch im Landkreis Reutlingen anzubieten. Im Verwaltungsausschuss sei der Antrag mit großer Mehrheit durchgegangen, berichtet Hailfinger. Anders in der Sitzung des Kreistags: 35 Kreisräte verweigerten ihre Zustimmung, nur 25 stimmten mit Ja (vor allem Grüne, CDU, Linke und WiR). Große Teile von FVW und SPD konnten trotz längerer Diskussion von dem Konzept nicht überzeugt werden. »Das hat mich schon überrascht«, sagt Hailfinger, der die Karte in der Sitzung vorgestellt hat.
Mehr Bürokratie statt mehr Förderung
Argumente für die Ablehnung sind zum einen ein Mehr an Bürokratie, das damit einher gehen würde. Das Land stellt den teilnehmenden Landkreisen für das Jahr 2025 Mittel in Höhe von 90.000 Euro zur Verfügung, für das Jahr 2026 dann nochmals 45.600 Euro. Geld, das für zusätzliche Stellen gedacht ist, um die Karte einzuführen, auszustellen und Partner zu finden, die Rabatte gewähren. Die FWV- und SPD-Mitglieder, die den Antrag in großen Teilen beziehungsweise einstimmig ablehnten, sehen in der Karte einen zu geringen Nutzen für die Engagierten. »Dieser Weg ist nicht der richtige«, sagt Münsingens Bürgermeister und SPD-Kreistagsfraktionsvorsitzender Mike Münzing. »Es ist gut gemeint, aber schlecht gemacht - ein Feigenblatt in der Unterstützung des Ehrenamtes.«
Von den fünf Millionen, die das Land insgesamt zur Verfügung stellt, komme nichts direkt bei den Engagierten an, bedauert auch Pliezhausens Bürgermeister und FWV-Fraktionschef Christof Dold. Beide Bürgermeister sähen gerne andere Lösungen, um das Ehrenamt zu belohnen und zu würdigen: Seien es zusätzliche Rentenpunkte auf die Lebensarbeitszeit oder Steuerentlastungen. Die staatliche Förderung für die Ehrenamtskarte fließe komplett in deren Verwaltung. Zudem sei diese zunächst nichts als eine »leere Hülle«, so Dold, »per se bringt sie erst mal nichts«. Sie muss nämlich von den Städten und Gemeinden mit Angeboten gefüllt werden - indem diese sogenannte Akzeptanzstellen melden.
Manuel Hailfinger kann diese Befürchtung eines großen bürokratischen Aufwandes nicht teilen: »Ich sehe das so nicht.« Sämtliche Technik und Personalkosten würden vom Land übernommen. »Ich hätte mich gefreut, wenn wir das umgesetzt hätten.« Wobei er das Votum dagegen auch als ein Signal an die Landesregierung wertet, mit dem der Kreis und Kommunen sich dagegen wehren, dass noch mehr Aufgaben auf sie abgewälzt werden. Etwa die Schaffung neuer Stellen. »Das werde ich so mitnehmen«, verspricht er.
Eine verpasste Chance
Großes Bedauern gab es von den Grünen: »Diese Entscheidung ist aus unserer Sicht eine verpasste Chance, dem vielfältigen ehrenamtlichen Engagement in unserer Region Wertschätzung entgegenzubringen«, schreiben sie in einer Pressemitteilung. Die Grünen sehen die Ehrenamtskarte als Grundlage und einen Anfang, mit dem Einstieg hätte man ein Signal an die Ehrenamtlichen gesetzt. »Am Ende haben wir nicht über «wenig oder mehr» für ehrenamtliches Engagement entschieden, sondern über «wenig oder nichts». Letzteres hat leider die Mehrheit gefunden«, so Susanne Häcker.
Wobei Hailfinger die Abstimmung nicht als »Ende« sieht, das letzte Wort sei unter Umständen noch nicht gesprochen. »Man kann jedes Jahr damit starten. Ich sehe es darum nicht so dramatisch.« (GEA)
Die Ehrenamtskarte
Die Ehrenamtskarte erhalten Personen, die bürgerschaftlich und ehrenamtlich engagiert sind, und das mindestens 200 Stunden pro Jahr oder für 100 Stunden in Projekten. Zudem bekommen sie Freiwilligendienstleistende, Inhaber der »Juleica«, sowie Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr, des THW oder Einheiten des Katastrophenschutzes.
Mit der Ehrenamtskarte gibt es vergünstigte Eintritte in Kultur-, Bildungs- oder Freizeiteinrichtungen, die von den Kommunen als Akzeptanzstellen gemeldet werden.

