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Aktuell Interview

Reutlinger Kaufhof: Warum das Gebäude noch leer steht

Das Galeria-Kaufhof-Gebäude in Reutlingen steht leer. Markus Flammer, Wirtschaftsförderer der Stadt, erklärt, warum aus Zwischennutzungen nichts wurde und wie es weitergeht.

Stadtbildprägend: Das Gebäude der ehemaligen Galeria Kaufhof von oben.
Stadtbildprägend: Das Gebäude der ehemaligen Galeria Kaufhof von oben. Foto: Frank Pieth
Stadtbildprägend: Das Gebäude der ehemaligen Galeria Kaufhof von oben.
Foto: Frank Pieth

REUTLINGEN. Der Galeria-Kaufhof-Konzern ist aus dem Kaufhaus in der Reutlinger Karlstraße 20 Ende Januar ausgezogen. Seitdem steht die Immobilie leer. Schon seit Frühjahr 2023 verhandelt die Stadt mit dem Eigentümer, der Apollo Global Management in New York darüber, was aus der zirka 25.000 Quadratmeter Gesamt- und bislang rund 12.000 für den Verkauf genutzten Fläche wird. Bewegt hat sich dabei so manches, aber bisher nicht zum Ziel geführt. Der Wirtschaftsförderer der Stadt erklärt, warum aus den erwünschten Zwischennutzungen nichts wurde. Und wofür Fördergeld vom Bund stattdessen genutzt wird.

GEA: Zum Thema Nachnutzung des Galeria-Gebäudes arbeitete die Stadt mit einer Hamburger Agentur. Was sollte die tun, was hat das gekostet und war das Geld gut angelegt?

Markus Flammer: Seit Mai 2023 – nach Bekanntwerden der Schließung zum 30. Juni 2024 – arbeiteten wir diesbezüglich mit der Hamburger Stadtmanufaktur zusammen. Das Nachnutzungskonzept für die Galeria-Kaufhof-Filiale Reutlingen hat die Stadt 34.500 Euro gekostet. Die Zwischennutzung war erst später ein Thema. Als im April 2023 klar war, dass die Filiale schließt, ging es zunächst darum, gemeinsam ein Nachnutzungskonzept für das Gebäude zu erarbeiten. Dieser Riesenklotz in der Stadt ist im Bewusstsein der Reutlinger stark verwurzelt. Für uns ist es von elementarer Bedeutung, an solch einer repräsentativen Stelle eine Nachnutzung zu finden, die der Stadt etwas bringt. Das Konzept hat die Stadtmanufaktur mit der Verwaltung und Innenstadt-Akteuren in Workshops erarbeitet – in Abstimmung mit dem Eigentümer, der letztendlich die Hoheit hat.

Markus Flammer, der Wirtschaftsförderer der Stadt Reutlingen.
Markus Flammer, der Wirtschaftsförderer der Stadt Reutlingen. Foto: Frank Pieth
Markus Flammer, der Wirtschaftsförderer der Stadt Reutlingen.
Foto: Frank Pieth

Wie kam es zu den Plänen für eine Zwischennutzung?

Flammer: Im Spätsommer 2023 hat der Bund entschieden, allen ZIZ-geförderten Städten, in denen eine Kaufhof-Filiale schließt, die Möglichkeit zu geben, weitere Mittel aus dem Programm »Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren« zu beantragen, um die Folgen jener Leerstände abzumildern. Die Mittel sind allerdings befristet bis Ende 2024, obwohl das ZIZ-Projekt bis 31. August 2025 läuft. Wir machten von dieser Chance Gebrauch, auch wenn klar war, dass unser Standort später schließen würde als andere. Im Herbst stellten wir den Antrag für eine Zwischennutzung der Fläche. Der sah vor, dass wir 1.200 Quadratmeter im Erdgeschoss und 300 auf dem obersten Parkdeck nutzen.

Je 300 Quadratmeter wollten das Netzwerk Kultur, die Arbeitsgemeinschaft Reutlinger Sportvereine, eine Kooperation zwischen American Store und dem Verein Drei Musketiere sowie ein Coworkingspace-Betreiber bespielen. Auf dem Dachgeschoss war die Reutlinger Gastro-Initiative als Betreiber vorgesehen. Wir wollten keine rein kommerzielle Nutzung, sondern eine gesellschaftlich sinnvolle. Um Vereinen die Chance zu geben, sich in der Innenstadt zu repräsentieren, oder Start-ups und Labels, die da bisher keinen Point of Sale haben. Die Förderung beinhaltete die Konzepterstellung, Anmietung, temporäre Herrichtung und Ausstattung der Fläche. Dinge, die zu beschaffen waren, sollten später auch anderen Zwischennutzungen in der Innenstadt zugutekommen. Deshalb ist die beantragte Summe relativ hoch: 750.000 Euro.

Zur Person

Markus Flammer (54) ist seit 16 Jahren Leiter der Abteilung Wirtschaft im Amt für Wirtschaft und Immobilien der Stadt Reutlingen. (dia)

Und das wurde komplett genehmigt?

Flammer: Vor Weihnachten haben wir den Zuschlag bekommen. Wir hofften, im Februar – sofort nach dem Auszug von Galeria Kaufhof – loslegen zu können.

Wofür genau sollte das Geld ausgegeben werden?

Flammer: Ein Teil für die Ausstattung der Zwischennutzungen, zum Beispiel Ausstellungswände für die Kultur, Ausstattung für Sport- und Freizeitangebote, Veranstaltungstechnik. Ein Teil war für die Anmietung, ein Teil fürs Zwischennutzungs-Management, denn das Personal dafür haben wir nicht. Dazu käme die technische Betreuung des Gebäudes, leichte bauliche Änderungen, um einen Teil der Erdgeschoss-Fläche von fast 4.000 Quadratmetern abzutrennen. Mit 1.200 hätten wir davon gerade mal ein Drittel bespielt. Es gab noch einen anderen Interessenten fürs EG, zu dem man sich hätte abgrenzen müssen. Und die konzeptionellen Mittel, um all das zu erarbeiten.

Dazu kam es nicht. Warum?

Flammer: Als wir im Herbst 2023 den Antrag stellten, hatten wir uns schon mit dem Eigentümer auf einen Mietpreis geeinigt. Mitte Januar – nach Eingang des Zuwendungsbescheids – wurde zugesagt, uns den Mietvertrag mit den vereinbarten Konditionen zukommen zu lassen. Aber es kam nichts. So ging es anderen Städten auch. Zudem gab es unterschiedliche Auffassung zu baurechtlichen und brandschutztechnischen Fragestellungen. Für unsere Zwischennutzungen und aufgrund der Tatsache, dass wir uns mit einem Einzelhändler das EG geteilt hätten, er die Fläche zur Kaiserstraße und wir die zur Gartenstraße hin, brauchte es eine Nutzungsänderung. Der Eigentümer fürchtete, dadurch den Bestandsschutz zu verlieren. Mit unserem Baurechtsamt zeigten wir einen Weg auf, wie es funktioniert, durch temporäre Nutzungsänderung bis Ende 2024. Obwohl alles geklärt war, kam kurz vor Ostern der Anruf, das Eigentümerboard habe abgesagt. Da bin ich aus allen Wolken gefallen.

Gab es eine Begründung?

Flammer: Sie wollten die Aufteilung des Erdgeschosses nicht. Danach stieg der Händler aus, weil eine Mietdauer von zwei Jahren zu kurz ist, um Umbauten zu amortisieren. Da waren wir als einziger EG-Nutzer wieder im Spiel. Ende April kam dann auch ein Mietvertrag, aber mit Klauseln wie Sonderkündigungsrechten, die wir nicht akzeptieren konnten. So zogen sich die Verhandlungen weiter. Wir kamen zu keinem für beide Seiten akzeptablen Ergebnis. Deshalb zogen wir Mitte Mai die Reißleine. Aufwand und Kosten standen in keinem Verhältnis zur Nutzungsdauer mehr.

Geht der ZIZ-Zuschuss damit flöten?

Flammer: Wir haben sofort Kontakt aufgenommen mit dem Fördermittelgeber, die Situation geschildert und angefragt, ob es die Möglichkeit gibt, die Mittel für andere ZIZ-Projekte umzunutzen. Wir haben ja eine Vielzahl davon. Die Zwischennutzungen, die wir erarbeitet hatten, wollten wir in anderen Leerständen umsetzen. Und Geld für bereits laufende Projekte nutzen. Anfang Juli bekamen wir dafür grünes Licht.

Das heißt konkret?

Flammer: Wir sind dran, drei Leerstände temporär anzumieten. Diese wollen wir noch im Laufe des Augusts an die Zwischennutzer untervermieten. So werden die tollen Ideen, die während des Prozesses entstanden sind, an anderer Stelle realisiert.

Und was wird nun aus dem Kaufhof-Gebäude?

Flammer: Das müssen Sie den Eigentümer fragen. Wir sind weiter im engen Austausch. Ab August soll es wieder verstärkt um die langfristige, weitere Nutzung gehen.

Was wünschen Sie sich?

Flammer: Solange es für ein Objekt eine neue wirtschaftliche Nutzung gibt, muss ich es nicht abreißen. Das wäre das letzte Mittel der Wahl. Doch die Kaufhaus-Immobilie wird nie wieder ausschließlich Einzelhandel beherbergen. Aufgrund der Lage direkt an der Hauptverkehrsachse, zwischen Hauptbahnhof und Fußgängerzone, finde ich das Erdgeschoss durchaus noch für Handel geeignet, eventuell mit Unter- und erstem Obergeschoss. Dazu sind viele weitere unterschiedliche Nutzungen möglich, wobei das fehlende Tageslicht ein Problem darstellt. Diese notwendigen Umbauten müssen sich für den Eigentümer lohnen. Auch Kaufinteressenten gibt es. Wir schauen, dass wir Einfluss nehmen, sodass Anbieter reinkommen, die der Stadt helfen.

Sucht nicht das Kunstmuseum Räume fürs Magazin? Ein Lager für Grafik und Gemälde bräuchte kein Licht.

Flammer: Wir prüfen auch städtische Nutzungen für das Objekt.

Oberbürgermeister Thomas Keck wies jüngst in seiner Schwörrede darauf hin, dass die Biosphärenhalle M 59 auf so gewaltiges Interesse stoße, dass er sich frage, ob »die gewählte Örtlichkeit« dafür ausreicht kommt da Galeria ins Spiel?

Flammer: Es gibt viele tolle Ideen für das Gebäude. Die Biosphärenhalle gehört aus unterschiedlichen Gründen nicht dazu. Man muss sich auch mal die Dimension vorstellen: 12.000 Quadratmeter Verkaufsfläche!

Weist Reutlingen mehr Leerstände auf als vergleichbare Städte?

Flammer: Nein. Die Veränderung der Innenstädte ist kein Reutlinger Problem. In ganz Deutschland stehen wir vor einem riesigen Strukturwandel. Das liegt am Einkaufsverhalten der Menschen. Wenn ich 24 Stunden online bestellen kann und eine Retoure nichts kostet, gehen unsere Innenstädte vor die Hunde. Wir haben Leerstände, aber die absolute Zahl ist im Vergleich zu anderen Städten gering. Es gilt, andere Funktionen zu finden, die die Menschen anlocken. Der Einzelhandel ist nicht mehr das allein glückselig Machende. Daran arbeiten wir mit den ZIZ-Projekten und dem 16-Maßnahmen-Paket für die Innenstadt. (GEA)