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Reutlinger Kaiserstraße: Umbau soll Blaupause werden

Mit dem Start der Verlegung von Fernwärmerohren beginnt auch die Umgestaltung der Reutlinger Kaiserstraße zur klimaresilienten Stadtallee. Eine Studie liefert die Grundlagen für den Umbau.

Die Kaiserstraße soll wieder Großbaustelle werden
Die Reutlinger Kaiserstraße soll wieder Großbaustelle werden. Archiv-Foto: Pacher
Die Reutlinger Kaiserstraße soll wieder Großbaustelle werden. Archiv-Foto: Pacher

REUTLINGEN. Grüner, kühler, wasserdurchlässiger, vielleicht mit einem künstlichen Wasserlauf: die Reutlinger Kaiserstraße soll zwischen Karlstraße und Leonhardsplatz Allee-Charakter bekommen - und eine Musterstraße für klimaresiliente Straßenumgestaltung in Reutlingen werden.

Zuvor wurden erstmal zehn Robinien gefällt, berichtete Tiefbauamtsleiter Frank Bader in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Ihre Stämme seien faul gewesen, obwohl sie obenrum noch lebendiges Grün zeigten. Für die Umgestaltung sollen nun sukzessiv neue Bäume in ausreichend große - drei mal drei Meter große - Pflanzquartiere gesetzt werden. Um die 60 Robinien und Linden wurden dort vor den Fällungen gezählt. 110 Bäume sollen es dann im Endausbau sei. Sie alternieren in den Planvisualisierungen mit Parkplätzen.

Visualisierung einer Vision: So könnte die beidseitige Baumallee in der neuen klimaangepassten Kaiserstraße aussehen.
Visualisierung einer Vision: So könnte die beidseitige Baumallee in der neuen klimaangepassten Kaiserstraße aussehen. Foto: Henning Larsen
Visualisierung einer Vision: So könnte die beidseitige Baumallee in der neuen klimaangepassten Kaiserstraße aussehen.
Foto: Henning Larsen

Der Zeitpunkt für Veränderung drängt sich auf: Die Fair-Netz will ab März die Straße aufmachen, um zwischen Beutterstraße und Karlstraße den Ausbau der Fernwärme voranzutreiben. Die Reutlinger Stadtentwässerung (SER) plant zudem den Bau eines neuen Mischwasserkanals (im Bereich Kaiserstraße ab 2030) mit größerem Durchmesser.

Erste Neupflanzungen im Frühjahr

Mit Neupflanzungen und ersten neuen Baumquartieren um bestehende Bäume soll bereits im Frühjahr begonnen werden. Erst wenn alle Leitungen liegen und alle Baumquartiere eingerichtet sind, startet der Straßenumbau. Wann, das wurde von der Verwaltung noch nicht konkretisiert. Dies hänge auch von der wirtschaftlichen Lage ab, sagte Bader.

Die Leitungstrassen sollen so verlegt werden, dass sie mit der folgenden Umgestaltung kompatibel sind. Die Bündelung der Strom- und Telekommunikationstrassen sowie der Gasleitungen schafft Platz im Untergrund - für große Baumrigolen mit Wurzelsperre, in denen Stadtgrün künftig besser gedeihen soll.

Hagelunwetter 2013: Innerhalb weniger Minuten stand nicht nur  der Reutlinger Bahnhofsvorplatz unter Wasser.
Hagelunwetter 2013: Innerhalb weniger Minuten stand nicht nur der Reutlinger Bahnhofsvorplatz unter Wasser. Foto: Markus Niethammer
Hagelunwetter 2013: Innerhalb weniger Minuten stand nicht nur der Reutlinger Bahnhofsvorplatz unter Wasser.
Foto: Markus Niethammer

Kaiserstraße besonders überflutungsgefährdet

Ein wichtiger Aspekt der Umgestaltung ist das Regenwassermanagement: Die jüngst erstellte Starkregengefahrenkarte weist die Kaiserstraße als besonders überflutungsgefährdet aus. Der Hauptstrom fließt bei starkem Regen aus Richtung Achalm über Burg- und Kaiserstraße gen Karlstraße. Bei extremem Regen könnten im nördlichen Drittel »sehr kritische Überflutungstiefen« bis über einen Meter mit Fließgeschwindigkeiten von mehr als zwei Meter pro Sekunde erreicht werden. Es bestehe »dringender Handlungsbedarf« heißt es in der Beschlussvorlage, die die Räte fast einstimmig abgesegneten.

Zugleich soll die Umgestaltung für eine bessere Wasserversorgung der von Dürreperioden besonders geplagten Stadtbäume sorgen. Durchlässige Beläge und Mulden sollen Regenwasser verdunsten und versickern lassen und dabei zugleich für eine bessere Versorgung der Bäume sorgen, die ihrerseits durch Beschattung und Verdunstungskühle gerade an heißen Tagen den Aufenthalt angenehmer machen.

Die Umgestaltung folgt dem Gestaltungsleitbild Oststadt, das neben der Planie auch die Kaiserstraße als beidseitige Allee durchs Quartier vorsieht. Die Machbarkeitsstudie des Überlinger Planungsbüros Henning Larsen liefert die Grundlagen. Die Kaiserstraße soll dabei als Blaupause für weitere Projekte dienen, indem sie unter anderem auch vorhandene städtische Konzepte wie die Klimaanpassungsstrategie und den vielgerühmten »Leitfaden Regenwasser« einbezieht.

Fahrbahn sechs statt zehn Meter breit

Die Breite der Fahrbahn soll (ebenfalls sukzessiv) von zehn auf sechs Meter verringert werden, die der Gehsteige um 50 Zentimeter auf je 2,50 Meter, damit die aktuell einen Meter breiten Baumbeete auf drei Meter ausweitet werden können.

Ein »Paradigmenwechsel in der Verkehrsanlagenplanung sei notwendig«, heißt es in der Studie. Bäume seien »Teil der Stadtinfrastruktur wie Ampeln, Verkehrszeichen etc. Sie benötigen entsprechenden Raum und Luft und Wasser für Wurzelwachstum.«

Für einen offenen Wasserlauf wird die Umsetzbarkeit noch geprüft: Wasser aus den Teichanlagen in Stadtgarten/Planie könnte darin zum Pläsier der Bürger geleitet werden und auch, um die Bäume zu bewässern.

Räte fast unisono für Umbau

Die Stadträte zeigten sich angetan. »Wir müssen grüne Lungen schaffen«, befand Ramazan Selcuk (SPD). Eleanor Weber (Grüne und Unabhängige) forderte umfassendes Handeln: Man müsse den Klimaschutz bei allen städtischen Maßnahmen mitdenken. »Die Klimakrise ist Realität.«

Auch die CDU sieht die Notwendigkeit, eine »Antwort auf den Klimawandel« zu finden, räumte Udo Weinmann ein. »Kritisch«, findet er aber, »dafür noch mehr Parkraum zu streichen«. »Ohne dass der eine oder andere Parkplatz wegfällt, geht es wohl nicht«, meinte indes FWV-Rat Erich Fritz.

Wie und wann die Allee vollendet sein wird, steht angesichts der komplexen Planung und der Finanzlage der Stadt noch in den Sternen. Eine der vielen Unbekannten könnte auch die Auswirkung des geplanten Parkierungs- und Mobilitätskonzepts der Stadt sein. (GEA)