REUTLINGEN. Die Afrikanische Schweinepest (ASP) ist eine gefährliche Seuche, von der sowohl Haus- als auch Wildschweine betroffen sind. Tiere, die sich mit ihr infizieren, verenden innerhalb weniger Tage, die Sterblichkeitsrate liegt bei mehr als 90 Prozent. Deshalb ist es entscheidend, die Viruserkrankung so schnell und effektiv wie möglich einzudämmen.
Die Viren können jahrelang überleben
Das allerdings ist nur mit erheblichem Aufwand und einem großen Einsatz von Engagierten zu stemmen, die zudem nicht zimperlich sein dürfen. Ihre Aufgabe ist es nämlich, im Sperrgebiet nach Wildschweinkadavern zu suchen. ASP ist eine tückische Krankheit, denn die Viren können einen langen Zeitraum überleben, manchmal über Jahre hinweg. Das hat zur Folge, dass alle Wildschweine in befallenen Gebieten getötet werden müssen. Und greift die Krankheit auf Hausschweine über, müssen auch diese gekeult werden. Ein Horrorszenario, das es unbedingt zu vermeiden gilt.
Einer, der in diesem Bereich immer wieder aktiv ist, ist Rainer Hecker: Hundefreund und passionierter Jäger aus Reutlingen. Gemeinsam mit seiner Hündin Sander hat er 2023 die Ausbildung zum Kadaver-Suchteam gemacht. Er habe schon früher von dieser Tätigkeit gehört, erzählt er, »und ich dachte, das könnte etwas für mich sein.« Die Ausbildung findet an mehreren Wochenenden statt, die Teilnehmer sind meistens Jäger oder Rettungshundeführer.
Zuständig für die Ausbildung ist das Training Center Retten und Helfen (TCRH) in Mosbach. Seit dem Jahr 2022 hat es im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) 355 Kadaversuchteams ausgebildet, wie die Projektkoordinatorin Dr. Christina Jehle berichtet. Ergänzend kommen noch etwa 60 Drohnenpiloten dazu, die mit ihren Wärmebilddrohnen nach frischeren Kadavern und noch lebenden Wildschweinen suchen.
Zunächst war das Duo aus Reutlingen nach der Ausbildung auf »standby«, wie Hecker berichtet - im Land gab es glücklicherweise keine ASP-Fälle. Doch das sollte sich schnell ändern. Im Sommer 2024 ist ASP auch in Baden-Württemberg und Hessen ausgebrochen, viele Teams sind regelmäßig im Einsatz, um die betroffenen Gebiete abzusuchen.
Mehrere Tage im Einsatz
So ein Suchtag startet meist am frühen Morgen, berichtet Rainer Hecker. Spätestens um 7 Uhr rücken die Teams in der Einsatzzentrale an: Dort bekommen sie ein Suchgebiet zugewiesen, das sie dann abarbeiten. Unterwegs sind sie immer zu zweit, einer sucht mit dem Hund, der andere plant mit Hilfe eines GPS-Geräts, wie das Gebiet am besten abgearbeitet werden kann. Einfach ist das nicht, geht es doch querfeldein, durchs Unterholz und durch feuchte Waldgebiete - anstrengend für Mensch und Tier, besonders im Sommer eine schweißtreibende Angelegenheit.
Werden die Sucher fündig, leiten sie die Koordinaten an die Einsatzzentrale weiter und sperren die Stelle mit Flatterband ab. Mal sind es Tiere, die erst vor Kurzem gestorben sind, manchmal auch nur noch Knochen. Die Kadaver werden dann untersucht, um zu erfahren, an was die Tiere gestorben sind. Dass ein jüngeres Wildschwein einfach so tot umfalle, komme selten vor, sagt Hecker. Meist deute dies auf eine Erkrankung hin. Mitunter komme es sogar vor, dass eine ganze Rotte tot daliege. Am Ende eines jeden Tages geht es in die »Hygieneschleuse«, Auto, Schuhe und Hundebox werden penibel desinfiziert, jeder Einsatz lückenlos protokolliert.
Die Bindung zum Hund wird intensiver
Vier bis fünf Suchgebiete bewältigen Mensch und Hund an einem Tag, ein Einsatz dauert im Normalfall drei Tage. Wie oft sie im Einsatz sind, hängt davon ab, wie viel Zeit sie haben. Es ist ein ehrenamtlicher Einsatz, für den die zuständigen Behörden eine Aufwandsentschädigung bezahlen. »Manche Teams suchen regelmäßig ein bis drei Tage pro Woche, andere kommen nur einmal pro Monat am Wochenende«, sagt Dr. Jehlen. Man müsse schon »ein wenig gaga sein«, räumt Hecker lachend ein, um sich zu solchen Einsätzen freiwillig zu melden. »Aber ich bin Jäger und ich will nicht nur Wildschweine schießen, sondern mich um den Wildbestand kümmern.« Dies sei der eine Grund.
ASP und ihre Bekämpfung
2007 gelangte die Afrikanische Schweinepest auf einem Transportschiff von Afrika nach Georgien. Von dort aus verbreitete sich die Tierseuche in die Ukraine über Russland bis sie 2014 erstmals in den östlichen Mitgliedsstaaten der EU auftrat. In Deutschland wurde die Krankheit zum ersten Mal im September 2020 bei Wildschweinen festgestellt.
Die Krankheit ist nicht zwischen Tier und Mensch übertragbar und daher für den Menschen ungefährlich. Bei betroffenen Wild- und Hausschweinen führt sie in den meisten Fällen zum Tod.
Bekämpft wird die ASP zum einen durch die Kadaversuche: So kann als erstes das Ausmaß und die geographische Ausdehnung beurteilt werden. Im weiteren Seuchenverlauf sollen bei der regelmäßigen Kadaversuche möglichst alle toten Wildschweine gefunden und geborgen werden, damit sich keine anderen Wildschweine daran infizieren. Die Befliegungen mit den Drohnen ergeben Hinweise auf den noch lebenden Wildschweinbestand im Seuchengebiet.
Ein weiterer Schritt, um die Seuche einzudämmen, besteht im Bau von Zäunen: Sie hindern zum einen die infizierten Wildschweine daran, das Seuchengebiet zu verlassen und zum anderen, dass gesunde Wildschweine einwandern und sich ebenfalls anstecken.
Die dritte Säule der Seuchenbekämpfung ist die Reduktion der Wildschweine durch Bejagung. Je weniger Wildschweine in den Gebieten vorkommen, desto weniger können sich an der ASP anstecken und qualvoll verenden. Die Jägerschaft ist daher ein wichtiger Partner beim Kampf gegen die ASP. (GEA)
Zum anderen ist die Suche, trotz ernstem Hintergrund, eine gemeinsame Beschäftigung mit seinem Hund. Er kann sich ein Leben ohne die Tiere nicht vorstellen. Sie sind treue Begleiter und immer um ihn. »Es ist einfach toll, mit einem ausgebildeten Hund zu arbeiten«, betont Hecker, der in einer Försterfamilie aufgewachsen ist und nach eigenem Bekunden schon immer ein Hundenarr war. Wenn man gemeinsam solche Arbeiten im Mensch-Hunde-Team bewältige, mache dies die Bindung noch intensiver.
So werden die beiden weiterhin mehrmals pro Jahr ausrücken, um zu verhindern, dass sich die Schweinepest weiter ausbreitet. Für die beiden ist es ein Erlebnis, »wir sind weg vom Alltag«, sagt Hecker, und gleichzeitig tue man etwas Gutes. (GEA)



