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Reutlinger Hells-Angels-Chef heiratet in der Marienkirche

REUTLINGEN. Am kommenden Samstag lassen sich der Reutlinger Hells-Angels-Präsident Ingo Dura und seine Frau Ulrike Mader den kirchlichen Segen geben - mitten in der Stadt, in der Marienkirche. Weil das Rocker-Paar rund tausend Gäste erwartet, die wohl kaum mit dem öffentlichen Nahverkehr anreisen, hat die Stadtverwaltung Vorkehrungen getroffen und in einem Gespräch im Rathaus Ingo Dura Auflagen gemacht. »Der Betrieb in der Stadt darf nicht gestört werden«, sagt Pressesprecher Wolfgang Löffler.

Eine Hells-Angels-Weste.
Eine Hells-Angels-Weste. Foto: dpa
Eine Hells-Angels-Weste.
Foto: dpa
Wegen der Vielzahl der motorisierten Gäste müssten Vorkehrungen getroffen werden, damit die Funktionsfähigkeit der Innenstadt - also Wochenmarkt, Einkaufen, ÖPNV, Fahrzeug- und Fußgängerverkehr - auch während der Privatfeier erhalten bleibt, führt Löffler aus. So gebe es beispielsweise Auflagen zum Parken »Vom Ablauf der Veranstaltung her rechnen wir mit Verkehrsstörungen«, sagt auch Polizeisprecherin Andrea Kopp. Sonst gehe die Reutlinger Polizei davon aus, dass die Feier »ordnungsgemäß« über die Bühne gehe - was ja auch im Interesse des Veranstalters sei. »Aber wir können flexibel reagieren.«

Das Hochzeitspaar lässt sich angeblich mit einem Rolls Royce zur Marienkirche chauffieren, ein Teil der Gäste mit drei gecharterten Bussen. Auch die Kirchenleitung ist im Einsatz. Dekan Dr. Jürgen Mohr will mindestens zehn Platzanweiser in der Marienkirche postieren, in der es noch nie einen so großen Hochzeitsgottesdienst gegeben hat: »Ich möchte keine Polizei in der Kirche haben«, sagt Mohr. 800 Menschen passen in die evangelische Hauptkirche, 1 000 werden erwartet - irgendwann müssen die Kirchentore also dicht gemacht werden. Die Trauung vollzieht Andreas Bihl, Ortspfarrer von Ohmenhausen, wo das Paar wohnt.

Dass Dekan Mohr kein Kutten-Verbot ausgesprochen hat, die Hells Angels also - anders als in Reutlinger Amtsgerichtssälen - in voller Montur in die Marienkirche dürfen, hat zu erheblichen Diskussionen in der evangelischen Kirchengemeinde geführt, sogar bis hin zu Austritts-Ankündigungen. »Es gilt die Unschuldsvermutung: In Reutlingen sind die Hells Angels keine kriminelle Vereinigung«, rechtfertigt Mohr seine Haltung. »Sollte die Veranstaltung entgleisen, dann störe ich die Hochzeit - aber damit rechne ich nicht.«

Die Hells Angels sind in jüngster Zeit bundesweit nicht wegen pompöser Feierlichkeiten, sondern wegen Razzien und Straftaten in die Schlagzeilen geraten. So soll laut Ermittlungsbehörden das Hannover Charter einen Mordauftrag erteilt haben. Und erst am vergangenen Sonntag wurde der Berliner Hells-Angels-Präsident niedergeschossen.

Schwieriger Nachweis

Immer mal wieder werden Hells-Angels-Gruppierungen - wie 2011 in Pforzheim - verboten. Voraussetzung bei einzelnen Chartern, die als selbstständige Vereine firmieren, ist dabei der Nachweis, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung mit organisierten Strukturen handelt. In Reutlingen war ein solcher Nachweis 2010 gescheitert. Auch ein Verbot für ganz Deutschland, für das sich die Innenminister auf ihrer jüngsten Konferenz stark gemacht haben, ist nur dann möglich, wenn eine bundesweit zusammenhängende Rocker-Oganisation mit länderübergreifenden Netzwerken nachgewiesen wird.

Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass die Hells Angels in illegale Geschäfte - angefangen vom Rotlichtmilieu über Drogen- und Waffenhandel bis hin zum Schutzgeld - verwickelt sind. Vermutet wird außerdem, dass die Rocker eine hierarchisch strukturierte Organisation »ähnlich wie die Mafia« haben, wie Hamburgs Landeskriminalchef Reinhard Chedor jüngst in einem »Spiegel«-Interview äußerte.

In Reutlingen sind Mitglieder der Hells Angels vor allem wegen Körperverletzungsdelikten mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Vier sitzen derzeit in Strafhaft, zwei, weil sie einen Kunden der »Eros Arena« brutal zusammengeschlagen haben. Auch Ingo Dura ist unter anderem wegen Körperverletzungsdelikten vorbestraft, die aber schon relativ lange zurückliegen. (keg)