REUTLINGEN. Nach dem Abebben der großen Corona-Demonstrationen sorgen nun die hiesigen Sympathisanten der bundesweiten Bewegung »Gemeinsam für Deutschland« (GfD) mit ihren Aufrufen erneut für rege Protesttätigkeit in Reutlingen und locken zuverlässig massiven Gegenprotest auf die Straßen. Blockierte Straßen, Einzelhändler, die Umsatzeinbußen befürchten: Nach zwei Großdemo-Samstagen in Reutlingen geht die Sorge um, dass sich die Stadt wieder zum Demo-Hotspot entwickelt, es kommen die ersten Klagen: Muss die Verwaltung das genehmigen mitten in der Innenstadt und am Samstagmittag? Das Ordnungsamt erläutert auf Nachfrage Spielräume und Grenzen der Einflussnahme.
Die Versammlungsfreiheit sei ein »sehr hohes Rechtsgut und grundgesetzlich geschützt«, heißt es aus dem Amt. Versammlungen bedürften keiner Genehmigung. Sie müssten bei der Stadtverwaltung lediglich angemeldet werden, spätestens 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe. Hierzu finden sich auf der städtischen Homepage weitere Informationen und ein Anmeldeformular. Auch spontane Versammlungen aus einem aktuellen, kurzfristigen Anlass seien zulässig.
Kooperationsgespräche zwischen Stadt und Veranstalter
Könne der geplante Ablauf der Versammlung nicht so ohne Weiteres durchgeführt werden oder sei intensivere Abstimmung erforderlich, finden nach Angabe des Ordnungsamts Kooperationsgespräche statt, etwa wenn die vorgesehenen Versammlungsorte belegt seien oder Hauptverkehrsachsen beeinträchtigt würden. Dann lege die Verwaltung dem Veranstalter die Probleme dar und versuche, gemeinsam mit ihm eine Lösung zu finden. Oft ließen sich Konflikte schon durch örtliche oder zeitliche Verschiebung der Versammlung lösen. Grundsätzlich sei die Stadt bemüht, jedem die Wahrnehmung dieses Grundrechts zu gewährleisten und versuche, das Versammlungsgeschehen bestmöglich zu managen.
Mindestens 25 Jahre gab es laut Amt kein Verbot einer Versammlung in Reutlingen. Die Hürden dafür, aber auch für den Eingriffe in den geplanten Ablauf einer Versammlung seien sehr hoch. Dies wäre zulässig, wenn dem Anmelder das Versammlungsrecht nicht zustehe, ein geplante Versammlung nicht angemeldet worden sei, vor allem aber, wenn die Versammlung öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar gefährden würde und Rechtsgüter Dritter verletzt würden. Bei Ablehnung könnten die Anmelder Rechtsmittel einlegen. »Gerichte haben in solchen Fällen die hohen gesetzlichen Hürden immer wieder bestätigt und Versammlungsverbote oft auch aufgehoben, wie bei den damaligen Corona-Protesten. Das macht deutlich, dass sich Versammlungen in der Innenstadt kaum verbieten lassen.«
Reaktion der Verwaltung auf Kritik von Handel und Gastro
Man habe die Attraktivität der Innenstadt im Blick, die die Verwaltung seit seit geraumer Zeit mit erheblichen städtischen Mitteln fördere und stärke, betont die Verwaltung. Außerdem habe man »großes Verständnis für die Situation der Einzelhändler, Gastronomen, Anlieger und Besucher« und greife dieses Thema regelmäßig in den Kooperationsgesprächen auf. Dabei werde dann versucht, Zeit und Ort der Versammlungen so zu beeinflussen, dass die Beeinträchtigung der Innenstadt möglichst gering gehalten werde. Dadurch sei es beispielsweise für den 31. Mai gelungen, die Versammlungen beider Seiten aus sensiblen Bereichen wie der Einkaufsstraße und dem Marktplatz zu verlegen. (GEA)