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Reutlinger Glühweinpyramide: Ein fauler Kompromiss?

Auf dem Reutlinger Marktplatz scheint weiterhin nicht so richtig Ruhe einzukehren: Im Zoff um den Standort für die Glühweinpyramide wurde zwar ein Kompromiss gefunden. Doch dieser schmeckt nicht allen Beteiligten.

Der Weihnachtsbaum steht schon, die Pyramide noch nicht: Der Reutlinger Wochenmarkt an einem kalten Samstag Ende November.
Der Weihnachtsbaum steht schon, die Pyramide noch nicht: Der Reutlinger Wochenmarkt an einem kalten Samstag Ende November. Foto: Kathrin Kammerer
Der Weihnachtsbaum steht schon, die Pyramide noch nicht: Der Reutlinger Wochenmarkt an einem kalten Samstag Ende November.
Foto: Kathrin Kammerer

REUTLINGEN. Ein Kompromiss bedeutet: Beide Seiten bekommen nicht zu 100 Prozent das, was sie sich eigentlich gewünscht hätten. Wenn dann noch finanzielle Interessen im Hintergrund stehen, kann es schnell sein, dass ein geschlossener Kompromiss für eine oder beide Seiten einen fauligen Beigeschmack bekommt. Der Reutlinger Marktplatz ist aktuell das beste Beispiel für diese Dynamik.

Vildana und Clemens Vohrer, die Macher des Reutlinger Weihnachtsmarktes, wollen dort in diesem Jahr zum ersten Mal eine Glühweinpyramide aufstellen. Und zwar am Liebsten in der Mitte. Aus ihrer Sicht logisch: Denn dort ist sie von beiden Seiten zugänglich, großer Umsatz winkt dem Betreiber. Der Weihnachtsbaum sollte hierfür weichen - was allerdings für Empörung sorgte. Weihnachtsmarkt-Macher, Marktbeschicker und Stadt setzten sich also einen Tisch und fanden einen Kompromiss: Mitten auf dem Marktplatz steht nun der geschmückte Baum, er wurde jüngst erst aufgebaut. Die Pyramide kommt dorthin, wo sonst das Kinderkarussell war.

Eine Glühweinpyramide erhitzt in Reutlingen die vorweihnachtlichen Gemüter.
Eine Glühweinpyramide erhitzt in Reutlingen die vorweihnachtlichen Gemüter. Foto: Bernd Wüstneck
Eine Glühweinpyramide erhitzt in Reutlingen die vorweihnachtlichen Gemüter.
Foto: Bernd Wüstneck

»Ich habe das damals als Konsens empfunden«, sagt der Sickenhäuser Landwirt Martin Frech, der den Markt gemeinsam mit Frank Kuhn als verlängerter Arm der Stadt leitet, im Gespräch mit dem GEA. Umso verdutzter war er nun, als er in Medienberichten lesen musste, dass Vohrers ziemlich sauer über diesen Kompromiss sind und den Marktbeschickern Egoismus vorwerfen. »Wir haben damals eigentlich ausgemacht: Wir sprechen im Januar oder Februar 2025 miteinander über den nächsten Weihnachtsmarkt - dann können wir dieses Mal rechtzeitig eine Lösung für alles finden«, sagt Frech. Alles Makulatur?

Die Vohrers sehen's jedenfalls weniger gelassen. Vildana Vohrer sagt: »Natürlich sind wir mit dem Standort der Pyramide so nicht zufrieden. Wir waren immer kooperationsbereit.« Ihr Mann Clemens ergänzt: »Aber die Pyramide steht jetzt genau an dem Platz, den wir von Beginn an als den schlechtesten Standort dargestellt hatten.« Schon im Februar 2024 habe es ein Gespräch mit Stadtvertretern gegeben, berichtet er. In diesem habe man klar den Pyramidenstandort in der Mitte zugesagt, das stehe so in einem Gesprächsprotokoll.

Nur fand diese Einigung damals wohl nie den Weg zu den Marktbeschickern. Martin Frech sagt, man habe erst im September von dem Plan erfahren. Clemens Vohrer widerspricht vehement: Er habe Marktmeister Kuhn schon im März vom Vorhaben in Kenntnis gesetzt. Wer nun Recht hat? Es lässt sich nicht mehr nachvollziehen, da vieles mündlich abgelaufen ist. Klar ist aber auch: Eigentlich hätte die Stadt - als Schanier zwischen beiden Märkten - die Pläne rechtzeitig kommunizieren müssen. Landwirt Martin Frech stört massiv, »dass der Schwarze Peter nun nur zwischen Vohrers und dem Wochenmarkt hin- und hergeschoben wird«.

Nicht nur er nimmt die Kommunikation der Stadt mit den Händlern als schlecht wahr. »Wir müssen mittlerweile eigentlich fast jemanden abbestellen, der bei der Stadt Mäuschen spielt und schaut, was als nächstes kommt«, sagt Händlerin Oliva Mikeler aus Remmingsheim. »Man stellt uns einfach vor vollendete Tatsachen.« Damit meint sie nicht nur den Pyramiden-Zoff, sondern auch den Baum-Streit, in dem mittlerweile auch ein Kompromiss gefunden wurde.

»Wir wollen den Weihnachtsmarkt in Summe attraktiver gestalten«

Ihr Mann Nikolaus Mikeler hat am Samstag zwei große, rote Plakate an seinen Stand gehängt. Er scheint - im Gegensatz zu den beiden Marktleitern - nicht mit dem Baum-Kompromiss zufrieden zu sein. Es brauche keine Attraktivierung des Platzes durch Bäume, Spielgeräte oder Wasserspiele, schreibt er auf den Plakaten. Denn »der Marktplatz muss in erster Linie für den Wochenmarkt da sein«. Seine Frau konstatiert: »Uns Händlern weht insgesamt ein kalter Wind entgegen.« Seit 30 Jahren seien sie nun schon in Reutlingen auf dem Markt, »aber jetzt scheinen die Fronten echt verhärtet«.

Für die Weihnachtsmarkt-Macher zählt das Zeit-Argument nicht. »Wir wollen den Weihnachtsmarkt in Summe attraktiver gestalten«, betont Clemens Vohrer. »Aber dazu muss man aber auch mal was Neues wagen oder was Bestehendes austauschen.« Man darf gespannt sein, ob sich die Wogen auf dem Marktplatz nach der Weihnachtszeit wieder glätten. (GEA)