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Reutlinger Fundbüro: Was Menschen vergessen und verlieren

Im Fundbüro des Reutlinger Rathauses trudeln über das Jahr hinweg die unterschiedlichsten Gegenstände ein. Ein Blick hinter die Kulissen.

Ob Taschen, Schirme, Schlüssel, Fahrräder, Schmuck oder Zähne: Im Reutlinger Fundbüro wird von ehrlichen Findern Allerlei abgege
Ob Taschen, Schirme, Schlüssel, Fahrräder, Schmuck oder Zähne: Im Reutlinger Fundbüro wird von ehrlichen Findern Allerlei abgegeben. Foto: Swen Pförtner/dpa
Ob Taschen, Schirme, Schlüssel, Fahrräder, Schmuck oder Zähne: Im Reutlinger Fundbüro wird von ehrlichen Findern Allerlei abgegeben.
Foto: Swen Pförtner/dpa

REUTLINGEN. Passiert ist es wahrscheinlich jedem schon einmal: Handtasche auf der Parkbank vergessen, Geldbeutel an der Supermarktkasse liegen lassen oder Regenschirm - wo auch immer - verbummelt.

Derlei Missgeschicke kommen vor - und sorgen für mehr oder weniger heftige Schrecksekunden. Doch bevor Panik aufkommt, hilft es, tief durchzuatmen und die Lage zu überdenken. Letztlich gibt es nämlich nur drei mögliche Szenarien: Entweder das Vergessene befindet sich noch dort, wo man es versehentlich zurückgelassen hat, es wurde von einem Unbekannten gestohlen oder - dank eines ehrlichen Finders - im Reutlinger Fundbüro abgegeben. Dort kommt so einiges zusammen.

Frisch verpackte Geschenke

Erst kürzlich gab es die große Jahres-Inventur: Rund 700 Fundsachen wurden 2024 von aufmerksamen Bürgern abgegeben – im Schnitt sind das zwischen zehn und zwanzig Stücke pro Woche. Die Vielfalt ist bemerkenswert: Von Schlüsseln und Handys bis hin zu Drohnen, Snowboards, Kinderwagen und sogar herausgefallenen Zähnen reicht das bunter Sammelsurium.

Neben Mützen, Jacken und Handschuhen, werden - vor allem rund um Weihnachten - auch verpackte Geschenke oder prallvolle Geschenktüten abgegeben, sagt Gudrun Brendle, die langjährige Mitarbeiterin im städtischen Fundbüro ist. »Die müssen wir dann leider öffnen.« Das jedoch nicht aus Neugier, sondern um den Inhalt zu katalogisieren und den Wert zu schätzen, bevor der Fund im System hinterlegt wird. Dennoch bleibt es jedes Mal spannend – eine kleine Mini-Bescherung für die insgesamt drei Mitarbeiterinnen des Fundbüros.

Von Pflichten und Rechten

Das Melden eines Fundes ist im Übrigen nicht nur eine noble Geste, sondern laut deutschem Fundrecht auch Pflicht. »Zwischen dem Empfangsberechtigten für den gefundenen Gegenstand (das kann der Eigentümer oder eine andere berechtigte Person sein) und dem Finder «entsteht ein gesetzliches Schuldverhältnis». Wenn der Finder diese Person nicht kennt, muss der Fund inklusive der Umstände bei der zuständigen Behörde gemeldet werden.« Diese Pflicht gilt allerdings nur, wenn der Wert des Fundes über 10 Euro liegt. Ist der Wert geringer, darf der Finder den Gegenstand ohne Weiteres behalten.

Das Ziel im Fundbüro ist klar: Die verlorenen Gegenstände sollen ihren Besitzern zurückgegeben werden. Dafür setzen Brendle und ihr Team auf akribische Recherche. Wird beispielsweise ein Smartphone abgegeben, kontaktieren sie den Hersteller, um über die SIM-Karte den Besitzer zu ermitteln.

Der Platz im Fundbüro ist begrenzt, und die Fundsachen stapeln sich. Sechs Monate lang werden die Gegenstände deshalb nur aufbewahrt – danach werden sie entweder versteigert, entsorgt oder dem Finder übergeben, falls dieser Interesse angemeldet hat. Für manch ehrliche Haut könnte es also bald ein verspätetes Weihnachtsgeschenk geben.

Dranbleiben zahlt sich oftmals aus

Nach Schätzungen der Mitarbeiterinnen werden etwa 40 bis 50 Prozent der abgegebenen Fundsachen von ihren Besitzern abgeholt. Früher habe die Quote nur bei 20 bis 30 Prozent gelegen. Das Problem: Viele Fundsachen kommen erst Wochen später im Fundbüro an. In der Zwischenzeit haben die Besitzer die Suche oftmals bereits aufgegeben. Besonders im Winter wird die Lage durch Schnee erschwert – so bleiben verlorene Gegenstände, wie etwa Geldbörsen, oft wochenlang verborgen und tauchen erst bei Tauwetter wieder auf. »Es lohnt sich, immer wieder bei uns nachzufragen«, rät Brendle.

Hinter vielen Funden stecken berührende Geschichten. »Für den einen mag es nur ein alter Geldbeutel sein, für den anderen ist er von unschätzbarem Wert, weil darin alte Fotos stecken, die es nirgendwo mehr gibt«, so Gudrun Brendle. Die Freude ist dann entsprechend groß, wenn ein solcher Gegenstand wieder den Weg zurück zu seinem Besitzer findet. »Jede Ausgabe ist ein Gefühl von Weihnachten«, ergänzt Kollegin Metzger lachend. Leider können die Damen des Fundbüros jedoch nicht jeden Wunsch erfüllen: »Ein Mann hat schon zweimal nach seinem verlorenen Ehering gefragt, aber der ist leider nie bei uns aufgetaucht. Solche Enttäuschungen gehören auch dazu«, sagt Brendle. (GEA)