REUTLINGEN. »Wir sind als Stadt Reutlingen nicht pleite«, kassiert Finanzbürgermeister Roland Wintzen bei der Vorstellung des Haushaltsentwurfes für die Jahre 2024 und 2025 ein gelegentlich zu hörendes Vorurteil ein. Anschließend stellt er einen auf Zahlenkante gerechneten Doppelhaushalt vor, um unter dem Strich festzustellen, »dass wir handlungsfähig sind«. Alles gut? Keinesfalls, die Stadt müsse weiter einen strikten Sparkurs einhalten. Oberbürgermeister Thomas Keck spricht »von harten Zeiten in dieser Stadt, die irgendwann die Stadt der Millionäre genannt wurde – das ist vorbei«. Der Gemeinderat nimmt am Donnerstagabend den Etatentwurf zur Kenntnis. Verabschiedet werden soll der Doppelhaushalt Ende November.
? Wie ist die Finanzlage der Stadt?
Nach wie vor ernst. Mit einem geplanten Volumen von 483 Millionen Euro (2025: 492 Millionen) ist der Doppeletat ein Sparhaushalt, wie die Rathausspitze betont. In den kommenden zwei Jahren sollen jeweils 28 Millionen Euro jährlich eingespart werden.
Im Ergebnishaushalt dominieren Ausgaben für Personalaufwendungen mit rund 128 Millionen Euro, gefolgt von Mitteln für Sach- und Dienstleistungen (85 Millionen Euro) sowie Zuschüssen an Dritte – das sind etwa die Träger freier Kinderbetreuung oder Vereine und Organisationen – mit 54 Millionen Euro. Die Kreisumlage steht mit 76 Millionen Euro im Entwurf. Bei den Personalausgaben schlägt die Tariferhöhung im Öffentlichen Dienst mit 12 Millionen Euro mehr zu Buche, ganz allgemein natürlich Preis- und Kostensteigerungen etwa in Sachen Energie wie bei jedem privaten Haushalt auch. »Die Mehrheit der Städte und Gemeinden blickt skeptisch in die Zukunft«, bedauert OB Keck.
? Welche Auswirkungen haben Flüchtlingsströme auf den Haushalt?
»Wir wissen schon jetzt, dass die Unterbringungsmöglichkeiten vorne und hinten nicht reichen werden«, stellt OB Keck fest. Der Haushaltsentwurf enthält die Mittel für 230 weitere Plätze für Flüchtlinge. »Reutlingen ist in den letzten Jahrzehnten vom Land nicht gut behandelt worden, besonders in der Flüchtlingsfrage«, mahnt der Oberbürgermeister eine »verbesserte Finanzausstattung« an.
? Welche Bedeutung hat die Wirtschaft?
Mit stark steigenden Einnahmen aus der Gewerbesteuer kann die Stadt in den kommenden zwei Jahren nicht rechnen, »wir erwarten pro Jahr eine Million Euro Gewerbesteuer mehr«, sagt der Finanzbürgermeister. Bemühungen der Stadt, wie neue Gewerbeflächen oder das Gebiet »RTunlimited«, wirken sich nach Wintzens Worten erst langfristig aus. In diesem Zusammenhang wichtig für Hausbesitzer: Die Grundsteuer bleibt mit der Reform, die ab 2025 greifen wird, in Reutlingen insgesamt aufkommensneutral.
? Wo wird der Bürger Sparmaßnahmen spüren?
Ganz schwierig für die Stadt, darauf eine Antwort zu geben. »Die Gestaltungsspielräume sind gering«, sagt OB Keck. Am bestens beantwortet die Frage die Tatsache, dass auch in den kommenden Jahren jenseits von Pflichtaufgaben wie Sozialleistungen aber auch bereits eingeführten Freiwilligkeitsleistungen wenig möglich sein wird. »Der überwiegende Teil ist allgemeine Aufgabenerfüllung«, sagt Wintzen. »Es macht keinen Spaß, zu erklären, dass man berechtigte Wünsche nicht erfüllen kann«, bedauert Keck.
? Gibt es auch gute Nachrichten?
Oh ja, die Stadt investiert im Rahmen ihrer beschränkten Möglichkeiten an vielen Stellen. Im Finanzhaushalt stehen etwa der Neubau der Römerschanzschule (12,1 Millionen Euro) sowie eine längere Liste weiterer Ausgaben für Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen. 119 zusätzliche Kita-Plätzen sollen entstehen. Weitere 126 Plätze sind in Planung. In der Finanzplanung sind auch die Mittel zur Finanzierung des 6. Gymnasiums durch die Evangelische Schulstiftung enthalten. 37 Millionen Euro fließen bis 2028 in Schulen, 34 Millionen Euro sind in der Finanzplanung für die Sanierung von Straßen und Brücken vorgesehen.
Größter Posten ist die längst beschlossene Rathaussanierung, für die bis 2028 rund 40,8 Millionen Euro ausgegeben werden sollen. Dabei betont die Stadtverwaltung nicht nur die bauliche Notwendigkeit, sondern sieht das auch als Investition im Konkurrenzkampf um Fachkräfte, denen man ein modernes Arbeitsumfeld bieten müsse. Für die zwingend notwendige Erneuerung der integrierten Leitstelle bei der Feuerwehr enthält der Haushaltsentwurf drei Millionen Euro.
? Wie steht es um Reutlingens Verschuldung?
Bis 2025 wird die absolute Verschuldung durch Investitionskredite auf 161.399 Millionen Euro steigen.
? Wo gibt’s alle Zahlen?
Im Internet soll sich der komplette Haushaltsentwurf herunterladen lassen. Ebenso die Reden von OB Keck und Finanzbürgermeister Wintzen. (GEA)
www.reutlingen.de/haushalt-2024-2025