Logo
Aktuell Stadtgestaltung

Reutlinger Federnseeplatz ist jetzt teilmöbliert

Chillen, wo sonst Autos stehen : Nicht nur Gäste des Jugendcafés dürfen die neue Altstadtlounge nutzen.

Eitel Freude bei der Einweihung der Kuben am Federnseeplatz.
Eitel Freude bei der Einweihung der Kuben am Federnseeplatz. Foto: sts
Eitel Freude bei der Einweihung der Kuben am Federnseeplatz.
Foto: sts

REUTLINGEN. Der Federnseeplatz gehört zu den vielen Unorten in der Reutlinger Altstadt, die von der Lage her das Potenzial haben, ein hübscher Verweilplatz zu werden – wären sie nicht für ruhenden und zirkulierenden Verkehr reserviert. Zumindest ein Zipfel des Platzes soll nun Aufenthaltsqualität ohne Auto bieten. Sitzen und schwatzen oder am Handy spielen, faulenzen, wo bisher Parkplätze waren: Die Jugendlichen vom Reutlinger Jugendcafé bekommen eine Outdoor-Aufenthaltsfläche direkt vor der Tür der Jugendeinrichtung im Gerberviertel.

Studierende der Stuttgarter Hochschule für Technik lieferten im Juli vergangenen Jahres beim von der Stadt ausgelobten Wettbewerb »Stadtmöbel für alle« Entwürfe für die Möblierung des Platzes am Altstadtrand. Der Entwurf Red Frame gefiel am besten – mit offenen Holzkuben transparent, leicht, günstig. Die modularen Würfel können nach Belieben und Bedarf zusammengestellt und mit Sonnensegeln beschattet werden. Pflanzenschmuck folgt noch.

Viel Ergebnis für nur 20.000 Euro

Die Studierenden und der technische Leiter des Innoports, Adrian Schickler, und sein Team haben die Möbel hergestellt, die auch an anderen Stellen der Stadt zum Einsatz kommen sollen. Voll des Lobes war Baubürgermeisterin Angela Weiskopf bei der Einweihung über den »inspirierenden Prozess«, an dem mit Ideen und tätiger Arbeit auch Rathausämter, Jugendgemeinderat, das Jugendcafé-Team und die Jugendlichen selbst mitgewirkt haben. Schlicht, doch ergreifend auch die Lösung für den tristen Asphalt vorm neuen Chill-Bereich. Er wurde mit bunten Quadraten bemalt.

Schnell hingestellt, schnell wieder abgebaut: Der Leiter der Stadtplanung, Stefan Dvorak, ist begeistert von den »unglaublich variablen« Kuben. »Ein Stück Stadtraum« eroberten sie an dieser Stelle (konkret gut 46 Quadratmeter). 20.000 Euro hat die Stadt ausgegeben. Für wenig Geld sei viel entstanden.

Dass die Kuben ein bisschen an die Parklets erinnern, ficht Dvorak nicht an – jene Holzgestelle, die die Stadt in einzelnen Parkbuchten in der Oststadt aufgestellt und mangels Nutzung bald wieder abgebaut hatte. »Vielleicht waren wir zu früh damit«, mutmaßt Dvorak. Er sieht auch andere Umstände: Die Jugendlichen hätten explizit eine Außenfläche gewünscht.

Jugendcafé-Leiterin Aylin Herrmann freut sich mächtig über mehr Spielraum für ihre Besucher. Das Haus ist seit Corona oft voll. Entzerrung trage zu besserer Stimmung bei. Sie lobte die Verwaltung, aber auch ihre Jugendlichen, die mit an der Verwirklichung der Idee gearbeitet haben.

Was sagen die ohnehin schon lärmgeplagten Anwohner? Hier war das Stimmungsbild des Jugendcafé-Teams nicht einheitlich und changierte von »sind nicht ganz so begeistert«, bis »die freuen sich«. Jedenfalls dürfen sie die Sitzgelegenheiten, die sich (mit Polster) beim Probesitzen als erstaunlich gemütlich erweisen, natürlich ebenfalls nutzen.

Stadt will Gerberviertel als Sanierungsgebiet

Das Gerberviertel gehört wie mehrfach berichtet zu den Problemzonen der Stadt. Teils heruntergekommene Immobilien, Drogendealer, Lärm, Müll. Nach vielen Anwohnerbeschwerden haben sich Stadt, Reutlinger Wohnungsgesellschaft GWG und Polizei des Themas angenommen. Verstärkte Polizei-Kontrollen waren ein Ausfluss sowie diverse Konzepte, die helfen sollen, das Quartier aufzuwerten.

Am Rande der Einweihung verriet Dezernentin Weiskopf, dass Federnseeplatz und Teile des Gerberviertels Sanierungsgebiet werden sollen. Erfolge die Ausweisung als ein solches, bekäme die Stadt Fördergelder, private Eigentümer könnten sich über Abschreibungsvorteile freuen.

Intensive Gespräche mit der GWG zu den maroden Immobilien

Mit der GWG, die etliche der quartiersprägenden Schandflecke besitzt, sei man in »intensiven Gesprächen«, wie sie mit den Häusern umgehen kann. Sanierung und Aufstockung aber auch Abriss sollen endlich angegangen werden. Die GWG achte auch verstärkt auf die Auswahl ihrer Neumieter.

Für die Gestaltung des Federnseeplatzes gebe es weitere Pläne. Autofrei scheint dabei keine Option: Weniger Autos, mehr Grün, verriet die Bürgermeisterin ohne weitere Details zu nennen. Auf geduldigem Papier nennt das jüngst vorgestellte Innenstadtentwicklungskonzept in einer groben Potenzialanalyse für die Altstadtbereiche gar die Vision, das Gerberviertel beim Federnseeplatz »in ein Kreativ- und Textilhandwerk-Viertel« umzustylen.

Gestaltung steht und fällt mit dem Verkehrskonzept für die Innenstadt

Die Gestaltungsfrage steht und fällt aber mit dem Verkehrskonzept, das derzeit im Rathaus für die Innenstadt erstellt wird. Im Herbst will man erste Analysen präsentieren. Deutlich spürbar: Beim sensiblen Thema Verkehrsberuhigung will die Verwaltung sich nicht die Finger verbrennen. Ganz wichtig ist der Dezernentin daher Bürgerbeteiligung. Insbesondere Anwohner und Händler sollen früh mitreden dürfen, damit man eine »Schnittmenge« der Bedürfnisse ermitteln könne.

Die Verkehrswende schreitet nicht so voran, wie gewünscht, räumte Angela Weiskopf auf Nachfrage ein. Dennoch will man im Rathaus keine größeren Sprünge wagen, das wurde einmal mehr deutlich. Marschlinie? Weiskopf sprach von »kleinen Interventionen im öffentlichen Raum«. (GEA)