Logo
Aktuell Wirtschaftsforum

Reutlinger Diskussion über Legalisierung von Cannabis

REUTLINGEN. Ist die Legalisierung von Cannabis überfällig? Mit dieser Frage beschäftigte sich jetzt das hochkarätig besetzte Wirtschaftsforum der ESB Business School in der Aula der Reutlinger Hochschule. Das Ergebnis: Weitgehend Einigkeit herrschte auf dem Podium, dass der Besitz von kleinen Mengen an Cannabis künftig straffrei bleiben sollte. Der einfache Konsument dürfe nicht kriminalisiert werden. Verschiedener Meinung waren die Experten aber darüber, wie die Legalisierung in der Praxis aussehen könnte.

Der Besitz kleiner Mengen an Cannabis sollte künftig straffrei bleiben: In diesem Punkt herrschte in der Hochschule Einigkeit.
Der Besitz kleiner Mengen an Cannabis sollte künftig straffrei bleiben: In diesem Punkt herrschte in der Hochschule Einigkeit. Foto: Veit Müller
Der Besitz kleiner Mengen an Cannabis sollte künftig straffrei bleiben: In diesem Punkt herrschte in der Hochschule Einigkeit.
Foto: Veit Müller
Gleich zu Beginn räumte Justus Haucap mit einem möglichen Irrtum auf. Bei der Legalisierung von Cannabis gehe es nicht um eine unregulierte Freigabe, so der Gründungsdirektor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie. Natürlich sei es sehr sinnvoll, wenn der Gesetzgeber regulativ in die Bereiche Handel, Qualität und Jugendschutz eingreife. Dies sei immer besser als ein unregulierter Markt, der nur von Angebot und Nachfrage bestimmt werde und bei dem beispielsweise eine Qualitätsprüfung nicht unter staatlicher Kontrolle stehe.

Dass Cannabis keine harmlose Substanz ist, betonte Tim Pfeiffer-Gerschel, Leiter der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht in Deutschland. Gerade bei Jugendlichen könne Cannabis große negative Auswirkungen auf die Psyche haben. In der Jugend sei das körpereigene System noch nicht ausgereift, deshalb verformbar. Und wenn dieses System schon ab dem Alter von zwölf Jahren durch einen hohen Drogenkonsum nur in eine bestimmte Richtung verformt werde, könne das Schäden für Körper und Gehirn nach sich ziehen. Beispiele dafür kennt Psychologe Peiffer-Gerschel aus seiner Praxis.

Dass die strafrechtliche Verfolgung von Cannabis-Konsumenten in Deutschland solche Problemfälle nicht verhindert hat oder verhindern kann, darüber waren sich alle auf dem Podium einig. Diese Fälle werde es auch bei einer Legalisierung noch geben. Durch Verbot und Verfolgung würden aber Menschen kriminalisiert, die nicht kriminalisiert werden müssten. »Der normale Konsument ist nicht wirklich das Problem«, meint Helmut Wlasak, Strafrichter für Drogendelikte in Österreich.

Verbote bringen nichts

Dass ein Verbot nichts bringe, habe die Prohibition in den USA bewiesen, erklärte der Geschäftsführer des Deutschen Hanfverbandes, Georg Wurth. Es sei damals nicht weniger getrunken worden, dafür habe es »gestrecktes Zeug gegeben«. Zudem sei die organisierte Kriminalität gefördert worden, die riesige Gewinne eingefahren habe. Gleiches sehe man derzeit auch in Mexiko, wo der Staat an der organisierten Kriminalität zerbreche.

In Deutschland habe das Betäubungsmittelgesetz jedenfalls nichts gebracht, ist Rechtsanwalt Jürgen Scholz überzeugt. Dadurch seien nur »Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft«, die überhaupt keine kriminelle Energie hätten, kriminalisiert worden. Manchmal seien sogar Lebensläufe zerstört worden. Wichtig sei deshalb ein legaler Markt, so Haucap. Wenn die Drogenkartelle keine Gewinne mehr erzielen würden, sei der Markt für sie nicht mehr interessant. Dem widersprach Richter Wlasak. Auch bei einem staatlich kontrollierten Markt versuchten mafiöse Banden den Marktpreis zu unterbieten und mit Dumpingpreisen ins Geschäft zu kommen.

Alle Experten erhoffen sich indes, dass die staatlich regulierte Qualitätskontrolle dem Cannabis-Konsumenten helfe und ihn in die Lage versetze, genau zu wissen, was er zu sich nimmt. Auch beim Jugendschutz sei die Regulierung wichtig. Und ein Vorschlag von Wurth: Mit dem vielen Geld, dass in die Strafverfolgung von einfachen Konsumenten gesteckt werde, könne man Besseres anfangen, es zum Beispiel in die Prävention stecken. Doch wie letztlich »Experten und politische Einflüsterer« zu einer staatlichen Regelung finden, die praktikabel ist, dies kann Strafrichter Wlasak derzeit noch nicht so richtig erkennen. Auch Holland sei mit seinen Coffee-Shops nicht unbedingt ein Vorbild, weil dort die Kontrolle nicht funktioniere.

Seit 1996 gibt es das Wirtschaftsforum an der Reutlinger Hochschule. Es wird von den Studenten der Business School organisiert. »Wir suchen immer nach alltagsrelevanten Themen«, erklärte Mitorganisator Tim Kreuziger. Dass die Studenten das richtige Thema gefunden haben, zeigte die Resonanz. Über 300 Leute interessierten sich für das Cannabis-Thema. (GEA)