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Reutlinger Brandstifter: Angeklagter zündet aus Frust Container an

Immer wieder brannten in Reutlingen Container oder Gartenhütten: Im März 2024 wurde der Täter bei einer Tat gefilmt und gestand sechs weitere.

Justitia ist beim Blick aufs Alter nicht blind.
Justitia. Foto: Ebener/DPA
Justitia.
Foto: Ebener/DPA

REUTLINGEN. Immer wieder brannte es ab Herbst 2023 in Reutlingen, besonders häufig im Hohbuch: Mal waren es Kleider- oder Altpapiercontainer, die Feuer fingen, mal geriet eine Gartenhütte in Brand, ein anderes Mal Holzpaletten. Von »rund 16 Bränden ähnlicher Natur« berichtete ein Kriminaloberkommissar als Zeuge vor dem Reutlinger Amtsgericht. Mitunter war der Sachschaden erheblich, einmal war es nur dem schnellen Eingreifen der Feuerwehr zu verdanken, dass die Flammen nicht auf ein Wohnhaus übergriffen und Menschen gefährdeten. Sechs der Taten konnte die Kripo anhand von Indizien mit dem Angeklagten in Verbindung bringen. Beim siebten Fall gibt es sogar Beweise: Der 30-jährige Reutlinger war bei der Tat gefilmt und kurz darauf von der Polizei festgenommen worden.

Diese Tat räumte er bereits bei der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter ein. Zu den anderen sechs angeklagten Bränden machte er zunächst keine Aussagen. Allerdings zeichnete der aussagende Beamte in der Verhandlung ein recht klares Bild davon, wie sich die Taten abgespielt hatten. So wiesen die Brandorte stets einen räumlichen Bezug zu dem Angeklagten auf, sei es die Nähe zu seiner Wohnung oder Stammkneipe oder sie lagen auf dem Weg zu seiner Freundin oder zum früheren Arbeitgeber. Vieles am Tathergang sei typisch für Brandstiftung, erklärte der Kripo-Beamte, etwa, dass die Taten im Anfangsstadium in Wohnortnähe verübt wurden sowie das Beobachten des Brandes durch den Täter.

Belastende Indizien

Ob es denn einen Nachweis gebe, dass der Angeklagte es gewesen sei, wollte seine Anwältin Natalie Kaiser wissen, oder ob es sich nur um Indizien handle? Einen klaren Tatnachweis gebe es nicht, so der Zeuge, aber der »Modus Operandi«, also die Vorgehensweise, sei immer gleich, zudem seien Handynachrichten des Angeklagten ausgewertet worden. Diese deuteten darauf hin, dass der Angeklagte eine niedrige Frustrationsgrenze habe und außerdem regelmäßig Alkohol und Drogen konsumiere. Streit mit der Freundin, Pech am Spielautomat - dazu Alkohol, Crack oder Kokain: Fast immer ging dies den Taten voraus, wie aus Sprach- und Textnachrichten auf dem Handy deutlich wurde, das die Polizei ausgewertet hatte.

Ebenfalls zu seinen Ungunsten sprachen einschlägige Vorstrafen - in früheren Jahren war er bereits verurteilt worden, weil er mehrere Fahrzeuge in Brand gesetzt hatte.

Richter Eberhard Hausch legte dem Angeklagten und seiner Anwältin deshalb nahe, trotz fehlender Beweise ein Geständnis in Erwägung zu ziehen. Für eine Verurteilung brauche es eine »Überzeugung des Gerichts«, betonte der Richter, wofür Indizien ausreichen. »Es sind zu viele der Zufälle«, machte Hausch deutlich, »nur weil keine Fingerabdrücke am Tatort gefunden wurden, heißt das nicht, dass ein Angeklagter freigesprochen wird.« Man möge dem Schöffengericht nicht den klaren Menschenverstand absprechen, so Hausch.

Jobs verloren - und Freundinnen

Das wollte die Verteidigerin mit ihren Nachfragen keinesfalls, wie sie betonte. Sie bat um eine kurze Pause - nach der der Angeklagte sich geständig zeigte. Sechs der angeklagten Fälle räumte er ein, nur einer, »dort wo ich und meine Familie wohnen - das war ich nicht«. Einiges sei schiefgegangen in seinem Leben, berichtete der Mann, er habe Jobs ebenso verloren wie Freundinnen, er habe immer mehr getrunken, Crack oder Amphetamine genommen. »Aus Frust habe ich dann einige Brände gelegt.« Hilfe habe er immer abgelehnt, nun aber sah er es an der Zeit, seine Taten zuzugeben. Womit er seiner Familie zudem die Zeugenaussage ersparte und das Verfahren abkürzte.

Momentan befindet er sich, aufgrund einer anderen Verurteilung, bereits in Haft. »Ich bin froh, dass ich inhaftiert worden bin«, sagt er, die Struktur tue ihm gut und er habe viel reflektiert. Staatsanwalt Maurizio Ruoff, die Rechtsanwältin und das Gericht stimmten in der Beurteilung des Falls ziemlich überein. Das Geständnis sei glaubhaft und authentisch, wurde dem Angeklagten im Urteil positiv ausgelegt, zudem glaubten ihm alle, dass er niemanden verletzten wollte. Auch wenn es Glück gewesen sei, dass nie etwas Schlimmeres passiert ist.

Drei Jahre Haft

Zu einer Gesamtstrafe von drei Jahren verurteilte das Gericht den Mann. Richter Eberhard Hausch redete ihm aber ins Gewissen, dass seine Taten »brandgefährlich« waren - »es hätte Schlimmes daraus entstehen können«. Mit den drei Jahren in Haft und einem Vollzugsplan, der nach dem Urteil erstellt wird, solle er nun wirklich etwas anfangen, sei es eine Ausbildung oder ein weiterführender Schulabschluss. »Und es wäre ganz geschickt, wenn wir uns nicht mehr sehen«, gab er ihm mit auf den Weg. (GEA)