REUTLINGEN. Das Schönste am Reutlinger Bahnhof ist heute die Hoffnung, dass irgendwann ein Zug abfährt, mit dem man diesen hässlichen Ort verlassen kann. In die Jahre gekommen ist nicht nur die Eingangshalle. Imbiss und Gaststätte sind als fettige Erinnerung geschlossen. Die Bahnsteige sowie die Unterführung bilden ein vergammeltes Ensemble. Doch die Deutsche Bahn AG gelobt Besserung.
Die jetzt sichtbaren kleineren Baumaßnahmen im Bereich der ehemaligen Gastronomie sind erste Vorboten für den großen Sanierungszug, der im kommenden Jahr in Reutlingen Halt machen soll. »Nach unserer aktuellen Planung beabsichtigen wir, ab Frühjahr 2025 mit der Sanierung der Gebäudehülle (Dach und Fassade inklusive Fenster und Türen) und der Kundenhalle des Empfangsgebäudes zu starten und diese voraussichtlich bis Sommer 2026 abzuschließen«, schreibt ein in Berlin sitzender Bahn-Pressesprecher auf GEA-Anfrage. Er bittet darum, nicht namentlich zitiert zu werden. Der Gedanke, vor Ort mit jemandem von der Bahn anzuschauen, was da gemacht werden soll, stellt sich als unerfüllbarer Wunsch heraus – weil das zuständige Bahnhofsmanagement ganz woanders sitzt. Somit bleibt nur, selbst zu erfassen, wie kümmerlich diese Infrastruktur der Großstadt daherkommt, während die Deutsche Bahn auf ihrer Website vom »Bahnhof erleben – Mehr als Ankommen und Abfahren« schwärmt.
Die Zeit steht still in der Eingangshalle, die Reisende mit dem Ambiente eines Kühlschranks empfängt. Graue Mülleimer stehen auf dem abgewetzten Fliesenboden. Die Säulenverkleidungen sind angeschlagen. Leuchtreklamen oder ein Getränkeautomat verbreiten keinerlei Gemütlichkeit. Wenigstens gibt es einen gut sortierten Kiosk sowie den Bäckereistand. Nicht zu vergessen den Fahrkartenautomaten für ein Spielchen zwischendurch, nach dem Motto »Wer gewinnt? Der Automat, oder der Mensch?«. Hauptgewinn: eine gültige Fahrkarte, mit der es dann direkt auf die wenig attraktiven Bahnsteige geht. Demnächst soll vieles besser werden.
Gleis 1 und 2 sollen zu »Kombibahnsteigen« umgebaut werden
Beim Umbau der Verkehrsstation sei vorgesehen, die Bahnsteige an Gleis 1 und an Gleis 2/3 »als Kombibahnsteige neu zu errichten, sodass Reisende zukünftig in die am Bahnhof Reutlingen verkehrenden Züge stufenfrei einsteigen können. Zudem werden die Ausstattungselemente, die Beleuchtungsanlagen und die Bahnsteigdächer erneuert. Zusätzlich soll die Personenunterführung gestalterisch aufgewertet werden«. Damit könnte sich ein Stückchen weit erfüllen, was die DB für ihre Bahnhöfe verspricht: »Sie bieten eine Atmosphäre, die zum Flanieren einlädt, zum Erleben, Einkaufen und Genießen. Und das an sieben Tagen in der Woche und fast rund um die Uhr«.
Die Planung für das Empfangsgebäude beinhalte in erster Linie die Sanierung der Gebäudehülle und der Empfangshalle. »Parallel zur Sanierung der Gebäudehülle werden die Mietbereiche der ehemaligen Gaststätte und des ehemaligen Imbiss neu konzipiert. In diesen Bereichen sollen eine Einzelhandelsfläche und ein Gastronomiebetrieb angesiedelt werden. Die Flächen werden aktuell vorbereitet«, teilt der namenlose Bahnsprecher mit. Jedoch will gut Ding gerade bei der Bahn Weile haben, wie ein Blick zurück zeigt.
DB trägt 60 Prozent der Kosten
Beim Empfangsgebäude wurde die Planung im Rahmen des Bundesprogramms FABB3 (Förderprogramm zur Attraktivitätssteigerung und Barrierefreiheit von Bahnhöfen) bereits im Jahr 2021 gestartet. Die Entscheidung zur Aufnahme des Hauptbahnhofes sowie der Station Reutlingen-Sondelfingen in das Bahnhofsmodernisierungsprogramm II haben das Land Baden-Württemberg und die Deutsche Bahn bereits im Jahr 2020 getroffen. Die DB trage im Rahmen des Modernisierungsprogrammes 60 Prozent der Gesamtkosten, das Land sowie die Kommunen »tragen jeweils 20 Prozent der Kosten eines Projektes«. Die reale Verteilung wird etwas anders aussehen.
Ganz präzise rechnet die Stadt Reutlingen mit weniger: »Die Stationen Hauptbahnhof und Sondelfingen sind Teil des künftigen Regionalstadtbahnnetzes. Damit sind die kommunalen Kostenanteile nach dem Finanzierungsschlüssel der Regionalstadtbahn anrechenbar. Von den eigentlich kommunal zu tragenden 20 Prozent verbleibt für die Stadt Reutlingen nach dem Finanzierungsanteil also nur ein Bruchteil«. Die Rede ist von vier Prozent für den Hauptbahnhof und sieben Prozent in Sondelfingen. Wichtig für das Gesamtvorhaben ist die bereits erteilte Zustimmung des Gemeinderates. (GEA)