REUTLINGEN/TÜBINGEN. Ein sehr sperriger Titel: »Gewerbsmäßige Hinterziehung von Einfuhrabgaben.« Dahinter verbergen sich allerdings insgesamt mehr als 700.000 Euro – die soll ein Reutlinger Kaufmann, der mit Autos handelte, bei Re-Importen hinterzogen haben, wie in der Anklage vor dem Amtsgericht Tübingen bekanntgegeben wurde. Eine stolze Summe, die aber nicht etwa durch den Kauf von einer Riesenmenge an Fahrzeugen zusammenkam, sondern durch lediglich zehn Autos.
Die Geschichte geht so: Am 10. November 2015 wurden - von einem anderen Autohändler aus Deutschland - zehn Mercedes-Benz G-Klasse 6x6 AMG an die malaysische Königsfamilie verkauft. Dabei handelte es sich um Fahrzeuge, die aussehen wie eine kuriose Mischung aus Jeep, Pickup und Monstertruck – mit sechs Rädern. Solche Fahrzeuge kosteten damals 600.000 Euro. Aber nicht alle zusammen, sondern pro Stück.
Dreijahres-Frist für Re-Import
Die malaysische Königsfamilie wollte die besonderen Autos dann aber wohl doch nicht haben, der Verkäufer blieb auf dem Zehner-Paket sitzen – und suchte neue Käufer. Der Reutlinger Kaufmann beziehungsweise seine Geschäftsfreunde interessierten sich, wollten die zehn 6x6 Mercedes erwerben, allerdings als Re-Import. Bei diesen gilt die Regel: Fahrzeuge aus Drittländern dürfen innerhalb einer Frist von drei Jahren ohne Einfuhrzollgebühren zurück ins Ursprungsland importiert werden, wie der Staatsanwalt erläuterte. Weil im Fall dieser zehn »Autos« die Drei-Jahres-Frist aber überschritten war, hätte der Reutlinger Autohändler rund 71.000 Euro Zollgebühren bezahlen müssen, in zehn Fällen – macht unter Strich mehr als 710.000 Euro.
Ob der Angeklagte das Hauptzollamt bewusst getäuscht habe? Diese Frage sei laut Verteidiger Dr. Sven Gläser eindeutig mit »Nein« zu beantworten. Der Angeklagte habe zwar beim Hauptzollamt Ulm (das für Reutlingen zuständig ist) einen Ausnahmeantrag gestellt: Er wisse, dass die dreijährige Re-Import-Frist abgelaufen sei, aber der Tod des Firmen-Chefs der Firma (die diese 6x6 nach Malaysia vercheckt hatte und nun dem Reutlinger verkaufen wollte) habe zu der Verzögerung geführt. Die Kaufabsicht habe schon deutlich vor 2019 bestanden – und für die Verzögerung könne der Reutlinger Kaufmann ja nichts. Das Hauptzollamt hatte dem Antrag stattgegeben. Ins Rollen kam die Anklage gegen den 56-jährigen Reutlinger erst, als ein ganz anderes Verfahren gegen »Geschäftsfreunde« von ihm aufgenommen wurde.
Anklage stützt sich auf drei WhatsApp-Nachrichten
In Osnabrück lief ein Verfahren gegen eine ganze Autohandels-Bande, der Vorwurf gegen den Reutlinger wurde davon abgetrennt. Deshalb nun also die Verhandlung am Amtsgericht Tübingen. Nicht nur der Staatsanwalt war dafür weit angereist, sondern auch zwei Zeugen, die beim Zollfahndungsamt Hannover beschäftigt sind. Die hatten eine Überwachung des Telefon- und WhatsApp-Verkehrs zwischen den Geschäftsfreunden und dem Reutlinger gestartet.
»Es bestand der Verdacht, dass aus Drittländern hochwertige Fahrzeuge vorschriftswidrig eingeführt wurden«, sagte der erste Zeuge. »Der Reutlinger Angeklagte ist der Steuerhehlerei verdächtig.« Dass der Tod des Firmenchefs den Kauf verzögert hätte, sei nach den Worten des Steuerfahnders »eine Schutzbehauptung«.
Ebenfalls erwähnt wurde in dem Verfahren ein Maserati, der 2021 nicht ordnungsgemäß nach Deutschland eingeführt worden sei – daraufhin erfolgte beim Reutlinger Kaufmann eine Hausdurchsuchung. Laut Rechtsanwalt Gläser seien die Verdächtigungen gegen seinen Mandanten nichts als »wilde Vermutungen und Unterstellungen«. Denn: Eine unrechtmäßige Verhaltensweise des Reutlingers in Bezug auf den Maserati sei nie nachgewiesen worden.
Die jetzige Anklage sei vor allem auf drei WhatsApp-Nachrichten an die Geschäftsfreunde gestützt worden - und nicht mehr. Darin hatte der Reutlinger Kaufmann geschrieben: »Vergiss die Bestätigung über den Tod des Chefs nicht zu schicken, vor 1,5 Jahren oder einem Jahr, besser wären 1,5 Jahre, das wäre doch eine gute Story.« Die Verhandlung wird am 17. April fortgesetzt. (GEA)
Verfahrensbeteiligte
Richter Benjamin Kehrer, Schöffinnen: Felicitas Bechtle und Kristina Mächtle, Staatsanwalt Jörg Schröder und Rechtsanwalt Dr. Sven Gläser.