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Reutlinger Anwalt über das Erfolgsrezept für eine gute Nachbarschaft

Anwalt Daniel Krummacher weiß, was Nachbarn zu Feinden werden lässt, und hat Tipps, wie Eskalation vermieden werden kann.

Lärm ist eines der Hauptthemen,  die Streit unter Nachbarn  befördern,  sagt Daniel  Krummacher.  FOTO: PRIVAT
Lärm ist eines der Hauptthemen, die Streit unter Nachbarn befördern, sagt Daniel Krummacher. Foto: privat
Lärm ist eines der Hauptthemen, die Streit unter Nachbarn befördern, sagt Daniel Krummacher.
Foto: privat

REUTLINGEN. Wie entsteht Streit? Daniel Krummacher hat in seiner achtjährigen Berufspraxis in der Reutlinger Kanzlei Dr. Kroll und Partner viele Nachbarschaftsstreitigkeiten juristisch begleitet. Zu ihm kommen Fälle fortgeschrittener Zerrüttung – dann, »wenn die Eskalation da war«, wie er sagt.

Als ein zentraler Streitpunkt ist dem Juristen dabei das Thema Lärm begegnet. Zu lautes Radiohören, nächtliche Ruhestörung, Rasenmähen in der Mittagspause, im Garten bellende Hunde, zunehmend auch Geräuschemission durch Luftwärmepumpen: Das sind Themen, die Nachbarn zu Feinden werden lassen.

Thema zwei: Veränderungen etwa durch Ausbauten, die dazu führen, dass einer dem anderen auf die Pelle rückt. Verdichtung insbesondere in den Städten sei politisch gewollt. »Es geht viel mehr als früher«, sagt Krummacher. Was aber eine Mehrbelastung für die Betroffenen bedeute. Es sei gut, dass es die Möglichkeit gebe, dass Gerichte noch mal intensiv draufschauen, welche Ausdehnung »sozial adäquat und was schlicht rücksichtslos ist«. »Das Gefühl erdrückt zu werden«, treibe manchen um. Emotion sei daher nicht verwunderlich, sei doch die Wohnung »eine höchst geschützte Intimsphäre«.

Abstände und die Höhe von Zäunen, Mauern oder Hecken, Bäume, die verschatten oder auch niedergemachtes Grün sind ebenfalls Kernstreitpunkte.

Oft ist nach Daniel Krummachers Erfahrung ein »externer Schock« der Auslöser, Rechtsbeistand zu suchen. Wer vom Bauamt von einem geplanten Umbau und einer Vier-Wochen-Frist zur Stellungnahme erfährt, dem wird der Bau sicher mehr missfallen, als wenn der Bauwillige zuvor das Gespräch gesucht hat.

Vielfach habe der Streit Historie. Dann lässt wuchernder Giersch das Fass überlaufen. Auffallend auch: Oft hätten beide Seiten das Gefühl, lange geduldig gewesen zu sein. Modell: »Wir haben bei seinem Zaunbau nichts gesagt, jetzt stört er sich an unserem.« Oftmals stehe am Anfang des Konflikts ein Missverständnis. Auch das versucht Krummacher im Beratungsgespräch zu klären.

Wer streitet? Alle, sagt Daniel Krummacher. Jedes Alter, jede Schicht. Den Klischeestreithansel, den »grummeligen Alten, der den ganzen Tag am Fenster hängt«, konnte er noch nicht beobachten.

Damit es nicht zum Streit kommt, gelte es zunächst, zu klären, wie die Sachlage ist. Sprich: Was ist überhaupt erlaubt? Wer nicht gleich eine Anfrage beim Anwalt starten möchte, kann sich zunächst im Internet zu allgemeinen Fragen des Nachbarschaftsrechts schlaumachen. Für Aus- und Umbauten sei der Weg zum Baurechtsamt sinnvoll.

Als Nächstes gelte es, das Gespräch mit dem Nachbarn zu suchen – und einen Kompromiss zu finden. Oft helfe dabei, einen Dritten miteinzubeziehen. Das kann laut Krummacher ein Jurist sein, der als Mediator auftritt, ein kirchlicher Berater oder ein Experte vom Bauamt.

Grundsätzlich müsse man »Dinge bis zu einem gewissen Maß hinnehmen«, findet der Jurist. Ab einem gewissen Punkt gelte es jedoch, Grenzen zu setzen und sein Recht zu verteidigen. Grundsätzlich solle das nachbarliche Verhältnis von »gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sein«. Und: Wer nicht alles ausreizt, was rechtlich möglich wäre, setze positive Sig-nale.

Dass der Klageweg kaum zu echtem Frieden führt, muss der Anwalt einräumen. »Es kommt äußerst selten vor, dass sich die Kontrahenten im Gerichtssaal die Hände schütteln.« Es trete eher eine Form der »Beruhigung« ein.

Wichtiges Rezept zur frühzeitigen Streitprophylaxe: Es gelte, gerade unter Nachbarn ein gesundes Verhältnis von Distanz und Nähe zu finden. Oft streiten sich Haushalte, die sich vorher zu nah waren, so Daniel Krummachers Erfahrung. (GEA)

NACHBARRECHT

Bundesweit gültige Regelungen zum Nachbarschaftsrecht finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; § 903ff). Zudem gibt es in den meisten Bundesländern Nachbarschaftsrechtsgesetze, die sich je nach Land voneinander unterscheiden können. Baden-Württemberg war das erste Bundesland, das nach 1950 solche Gesetze erlassen hat. Auch die Landesbauordnungen beinhalten nachbarrechtliche Regelungen. (GEA)