REUTLINGEN. Große Enttäuschung bei den Sympathisanten der Bewegung »Gemeinsam für Deutschland« (GfD) am Samstag: Die Teilnehmer der angemeldeten Demonstration durften vom festgelegten Versammlungsort auf dem Festplatz Bösmannsäcker nur eine Schleife durch Betzingen drehen und nicht wie zuvor mit Ordnungsamt und Polizei besprochen auf den Marktplatz ziehen.
Der Grund: Die Polizei hatte den unangemeldeten Marsch von rund 400 zumeist jugendlichen Gegendemonstranten in Richtung Bösmannsäcker in der Tübinger Straße gestoppt. Damit war die Route der GfD-Demonstranten dicht.
Stadtteilspaziergang statt publikumswirksamem Auftritt im Herzen der Stadt: Die Empörung auf dem Festplatz rief Vertreter der AfD-Gemeinderatsfraktion, die die GfD-Versammlung unterstützten, auf den Plan. Der Fraktionsvorsitzende Hansjörg Schrade ergriff das Mikrofon, um auf Verwaltung und Polizei zu schimpfen. Er sieht eine »Kapitulation des Rechtsstaates«, wenn Ordnungsamt und Polizei zuließen, dass »die Antifa« das Demonstrationsrecht der GfD-Anhänger »aushebelt«.
»Ein rigoroser Kräfteeinsatz mit Tränengas und Schlagstöcken wäre aus polizeilicher Sicht nicht verhältnismäßig gewesen«
In einer Pressemitteilung führt Schrade am Sonntag seine Anwürfe weiter aus. Es grenze an »Strafvereitelung im Amt«, wenn Polizei und Stadt als Ortspolizeibehörde unangemeldete Blockaden duldeten. Man werde die Stadt fragen, »wie Personalien festgestellt und Anzeigen zum Beispiel wegen Verstoßes gegen Paragraf 21 Versammlungsgesetz erstattet wurden. Den Demozug durch ›menschenleere Straßen in einem Gewerbegebiet und einem ruhigen Wohngebiet‹ zu leiten, statt das grundgesetzlich garantierte Demonstrationsrecht in der Stadt ausüben zu dürfen«, zeige für ihn »Zynismus und die Verachtung der Bürger durch die Stadtverwaltung«.
Am Dienstagabend will er im Gemeinderat einen Antrag stellen, kündigt der Stadtrat an und dann auch »das Verhalten der Rathausspitze zur Diskussion zu stellen«.
Die Verwaltung verweist auf Anfrage auf die Polizei, die für die Lageeinschätzung zuständig gewesen sei. Über die Pressestelle lässt sie wissen, dass der Vorschlag, sich Richtung Betzingen zu bewegen, von der GfD-Versammlungsleitung selbst gekommen sei. »Trotz der Anpassung der Aufzugsstrecke wurde das Recht auf Versammlung der GfD-Teilnehmer durch Stadt und Polizei nicht behindert, da eine alternative, genehmigte Route vereinbart wurde«, heißt es aus dem Ordnungsamt.
Grundsätzlich kann der Versammlungsanmelder Versammlungsort und Aufzugsstrecken frei wählen, erläutert Pressesprecher Lutz Jaksche beim Reutlinger Polizeipräsidium auf GEA-Nachfrage. Im »Kooperationsgespräch« mit Stadt und Polizei werde geschaut, wie die Ziele zu realisieren sind. Ob den Wünschen der Anmelder dann tatsächlich Rechnung getragen werden kann, zeigt sich allerdings erst am Veranstaltungstag.
»Zynismus und die Verachtung der Bürger durch die Stadtverwaltung«
Weil die geplante Strecke ins Stadtzentrum am Samstag von Gegendemonstranten blockiert war, habe man sich vor Ort auf eine alternative Route verständigt. »Die Anmelder haben dem zugestimmt«, betont auch Jaksche.
Er führt aus, dass die Polizei Teilnehmer aller Demonstrationen schützen müsse: und damit auch das Wohl des auf der Tübinger Straße von der Polizei aufgehaltenen "linksgerichteten Publikums". So greife der Vorwurf nicht, dass die Polizei die Tübinger Straße hätte räumen müssen: »Ein rigoroser Kräfteeinsatz mit Tränengas und Schlagstöcken wäre aus polizeilicher Sicht nicht verhältnismäßig gewesen«.
Bei der Lageeinschätzung gehe es auch darum, diverse Grundrechte abzuwägen, führt Lutz Jaksche weiter aus. »Die Versammlungsfreiheit gilt nicht um jeden Preis.« Selbst bei einem unangemeldeten Aufzug, wie dem in der Tübinger Straße, werde den Teilnehmern nicht per se ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit abgesprochen.
Demonstranten, Gegendemonstranten, Markttag, eine gut besuchte Innenstadt: Wer am Samstag vor Ort war, hat erlebt, wie unübersichtlich die Lage teilweise war. Die Reutlinger Polizei war trotz großen Aufgebots und Unterstützung der Göppinger Bereitschaftspolizei schwer gefordert, weil es Zündelherde an vielen Orten zugleich gab.
In der Tübinger Straße musste die Polizei zeitweise bis zu 400 Personen in Schach halten. Darunter auch Antifa-Vertreter, von denen einige stets auf Krawall gebürstet sind, wie sich zuvor schon am Zentralen Omnibusbahnhof ZOB gezeigt hatte. Dort hatte die Polizei nach der großen Kundgebung der Gegendemonstranten einige aggressive Antifa-Vertreter aus dem Verkehr gezogen. (GEA)