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Reutlinger Abgeordneter: Anfeindungen nach AfD-Austritt

Sieghard Knodel hat dem GEA die Gründe für seinen Parteiaustritt und die Reaktionen auf diesen Schritt erklärt. Auch äußern sich der AfD-Kreisverband und der Fraktionsvorsitzende Schrade zu den jüngsten Entwicklungen.

Ohne Sieghard Knodel 151 Sitze von 630:  Im Bundestag belegt die  AfD Platz zwei mit weitem Abstand zur SPD (120).
Ohne Sieghard Knodel 151 Sitze von 630: Im Bundestag belegt die AfD Platz zwei mit weitem Abstand zur SPD (120). Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Ohne Sieghard Knodel 151 Sitze von 630: Im Bundestag belegt die AfD Platz zwei mit weitem Abstand zur SPD (120).
Foto: Sebastian Gollnow/dpa

KREIS REUTLINGEN. Der Reutlinger AfD-Bundestagsabgeordnete Sieghard Knodel hat die Bundestagsfraktion verlassen und auch sein Parteibuch zurückgegeben. Auf GEA-Nachfrage bestätigt der 64-Jährige Medienberichte. Nach der Neueinstufung der Bundespartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als »gesicherte rechtsextremistische Bestrebung« nennt er private und geschäftliche Gründe als ursächlich: Er sei mit seiner Firma und auch als Person »enorm unter Druck geraten«.

Knodel wirkt weiter mit in seinem Unternehmen in Mägerkingen, das er seinem Sohn übergeben hat. Von Kunden wurde er nun angesprochen wegen seiner Mitgliedschaft in der rechtsextremistischen Partei. Der Landmaschinen-Mechanikermeister befürchtet unter anderem auch Probleme bei Auftragsvergaben der öffentlichen Hand.

»Ein bisschen Sauerteig verdirbt den ganzen Teig«

Knodel räumt ein, er wäre nicht ausgetreten, wenn die Hochstufung nicht stattgefunden hätte. "Die können mich jetzt überwachen", beklagt er Möglichkeiten der Staatsschützer, die das neue Etikett mit sich bringt. Er unterstütze die Ziele der "Alternative für Deutschland" weiterhin. Allerdings störe ihn mittlerweile oftmals deren Vermittlung – "wie Dinge rausgehauen werden". »Ein bisschen Sauerteig verdirbt den ganzen Teig«, klagt er. Extreme wie Rechtsradikale oder Reichsbürger schadeten der Partei. Konkrete Namen möchte er aber nicht nennen. Erfahre er doch schon jetzt Anfeindungen, sogar Bedrohungen von den ehemaligen Parteikollegen wegen des Austritts, aber auch, weil er sein Mandat nicht zurückgeben will.

Sieghard Knodel ist aus der AfD und der Bundestagsfraktion ausgetreten.
Sieghard Knodel ist aus der AfD und der Bundestagsfraktion ausgetreten. Foto: privat
Sieghard Knodel ist aus der AfD und der Bundestagsfraktion ausgetreten.
Foto: privat

Knodel war erst bei der letzten Bundestagswahl im Februar für ihn selbst überraschend knapp auf Platz 18 über die Landesliste von Baden-Württemberg ins Amt gelangt. Behält er sein Mandat, wie angekündigt, bliebe die AfD dennoch mit 151 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion im Bundestag.

Der Vorstand der AfD Reutlingen zeigt sich auf Anfrage »überrascht und enttäuscht« über den Austritt. Die Begründung – die Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextrem« durch das Bundesamt für Verfassungsschutz – könne man in keiner Weise nachvollziehen, schreiben die Kreissprecher Herbert Gah und Maximilian Gerner. »Diese Einstufung ist das Ergebnis eines politisch motivierten Vorgehens einer weisungsgebundenen Behörde und entbehrt jeder sachlichen Grundlage. Dass Knodel nicht die politische Weitsicht besitzt, dies zu erkennen, ist bedauerlich.« Der Vorstand fordert Sieghard Knodel auch auf, umgehend sein Mandat an die Partei und den Landesverband Baden-Württemberg zurückzugeben. Alles andere sei »ein klarer Bruch mit der Verantwortung, die Herr Knodel durch seine Wahl übernommen hat«. Der Verbleib im Parlament als fraktionsloser Abgeordneter missachte den Wählerwillen »in eklatanter Weise«.

»Dass Knodel nicht die politische Weitsicht besitzt, dies zu erkennen, ist bedauerlich«

Auch der Chef der Reutlinger AfD-Gemeinderatsfraktion, Hansjörg Schrade, zeigt sich von den Ermittlungsergebnissen der Bundes-Verfassungsschützer unbeeindruckt. Er denke »keine Minute« darüber nach, aus der AfD auszutreten. »Als das dienstälteste Mitglied im Kreisverband mit dem frühesten Eintritt in die Partei und nach knapp vier Jahren als Kreissprecher habe ich schon oft gesagt, dass ich auch eines der letzten Mitglieder sein werde.« Die Hochstufung bezeichnet Schrade als »nicht überraschend«. Er kritisiert »undemokratische Bekämpfung der größten demokratisch gewählten Oppositionspartei« und »das Zünden der nächsten Eskalationsstufe«.

Hansjörg Schrade, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Reutlinger Gemeinderat.
Hansjörg Schrade, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Reutlinger Gemeinderat. Foto: Zenke
Hansjörg Schrade, der Fraktionsvorsitzende der AfD im Reutlinger Gemeinderat.
Foto: Zenke

Auf dem Telegram-Kanal des Reutlinger AfD-Stadtrats ist das Thema Hochstufung Gegenstand hinreichender Betrachtung unterschiedlichster Autoren. Nun prangt auch noch das Konterfei von Sieghard Knodel im Chat mit Schrades Unterschrift: »Ob er sich irgendwann irgendwo noch zeigen kann?« Auf GEA-Nachfrage erläutert Schrade den tieferen Sinn der vieldeutigen Unterschrift. Knodel verliere »Schutz und Rückhalt der Partei«, könne zugleich aber »nicht hoffen, bei anderen Parteien und Mandatsträgern oder der Presse mehr Gehör oder sozialen Anschluss zu finden«.

Macht Knodels Beispiel Schule? Hilft die Neueinstufung durch die Verfassungsschützer beim Schutz der Demokratie? Oder schlägt die AfD politisches Kapital daraus? Über die Auswirkungen der Hochstufung wird derweil gestritten, insbesondere auch über die Sinnhaftigkeit des nächsten Schrittes, des Parteiverbots. Die Gemengelage bleibt komplex. Und: Die Einstufung der AfD als rechtsextremistische Bestrebung wurde durch das Bundesamt für Verfassungsschutz vorgenommen. Wer aber in die Partei eintritt, ist zunächst mal Mitglied des Landesverbandes. In Baden-Württemberg wird der Landesverband der AfD jedoch weiterhin »nur« als »rechtsextremistischer Verdachtsfall« (also eine Stufe niedriger) bearbeitet, erklärt Julian Illi vom Landesamt für Verfassungsschutz. Die AfD hat bereits gegen diese Einstufung geklagt und in zwei Instanzen verloren, aber nun erneut Rechtsmittel eingelegt.

»Die einzelnen Landesverbände werden unterschiedlich bearbeitet«

In anderen Bundesländern ist die AfD von den Landes-Verfassungsschützern bereits als »gesichert rechtsextremistisch« hochgestuft, etwa in Thüringen, wo Björn Höcke als Landtags-Fraktionsvorsitzender einen strammen Ton angibt, der bundesweit zu hören ist.

»Das ist Förderalismus. Die einzelnen Landesverbände werden unterschiedlich bearbeitet«, erklärt Illi. Der Bundesverfassungsschutz habe allerdings Erkenntnisse aus ganz Deutschland gesammelt. Man werde nun das Gutachten prüfen und dann eine Entscheidung zum Landesverband treffen. Die Einschätzung im Bund habe dabei »Indizwirkung«. Die Hochstufung sei aber »kein Automatismus«. Mit dem Etikett »gesichert rechtsextremistisch« wird das Leben schon ungemütlicher. Auf ein politisches Mandat hat die Einstufung keine Auswirkung. Beamten oder im öffentlichen Dienst Beschäftigten können hingegen disziplinarische oder dienstrechtliche Konsequenzen drohen.

Doch auch in diesem Stadium sind die Hürden hoch, es gelte Einzelfallentscheidungen zu treffen. »Nicht jeder Lehrer, der dann Mitglied der AfD ist, fliegt raus«, erläutert Illi. Relevant werden kann das AfD-Parteibuch dann auch bei Erteilung oder Entzug einer Waffen- oder Sprengstofferlaubnis. Und: Es ist rechtlich zulässig, einzelne Parteimitglieder zu überwachen. Von der Observation bis zur Telefonüberwachung kann laut Illi »der ganze Instrumentenkasten« ausgepackt werden. (GEA)

AfD-Landesverband: In Baden-Württemberg noch »Verdachtsfall«

In den nächsten Wochen soll der neue Verfasssungsschutzbericht des Landes Baden-Württemberg erscheinen. Die folgenden Fakten stammen aus dem Bericht von 2023: Damals hatte die AfD landesweit in Baden-Württemberg rund 5.400 Mitglieder (2022: ca. 3.700), ihre Jugendorganisation »Junge Alternative Baden-Württemberg« (JA) etwa 170 Mitglieder (2022: rund 160).

Das »extremistische Personenpotenzial« innerhalb des Landesverbandes schätzte der Landesverfassungsschutz auf 620 (2022: 600). »Auch wenn sich extremistische Kräfte innerhalb der AfD BW bisher nicht mehrheitlich durchsetzen konnten, erfahren sie nennenswerte Unterstützung im Landesverband und sind zum Teil prägend für das Bild, das dieser nach außen abgibt«, urteilten die Verfassungsexperten damals.

Und weiter: »Die extremistischen Kräfte innerhalb der AfD sind bemüht, ihre innerparteiliche Wirkungsmacht zu stabilisieren und auszuweiten. Eine mögliche Folge ist, dass Extremisten zunehmend Führungspositionen in Vorständen und anderen Parteigremien besetzen und sich die rechtsextremistischen Einflüsse vermehrt in politisch-programmatischen Entscheidungen der Gesamtpartei niederschlagen.« (eg)